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Von der Reform zur Revolution

Der letzte Satz aus dem Interview mit Kardinal Bartolucci hat es in sich:

Wir versuchten (...), zumindestst für die Sonntage in den Basiliken, Kathedralen und Klöstern eine Messe iuxta veterem consuetudinem zu retten. Eine entsprechende Vorgabe schien auch zunächst aufgenommen worden zu sein - tatsächlich wollte sich Msgr. Anglès dafür ausdrücklich beim Papst bedanken - doch in der Instructio des Musica Sacra vom 5. März 1967 war sie dann verschwunden.“

Das lenkt den Blick auf eines der größten Versäumnisse bei der Einführung des Norvus Ordo  – und darauf, daß es sich zumindest bei einigen der Verantwortlichen nicht um ein Versäumnis, sondern um ein zielgerichtetes Betreiben handelte. Es ist sicher keine unzulässige Spekulation, wenn man annimmt, daß die Beibehaltung der überlieferten Liturgie für die Zelebration an Sonn- und Feiertagen zumindest in den Hauptkirchen einen starken Anker gegen die unerträgliche Verflachung der Liturgie im Gefolge der Reform gebildet hätte. Die Behauptung, der alte Ritus sei abgeschafft und quasi verboten worden, hätte sich nie etablieren können, und auch für Zelebrationen nach den alten Büchern in den Gemeinden hätte es weitaus mehr Spielraum gegeben: Wie hätte ein Bischof seinen Pfarrern generell verwehren können, zumindest zu besonderen Anlässen die Liturgie zu feiern, die allsonntäglich in seiner Kathedrale zelebriert wurde.

Von vornherein hätte gar nicht erst die Vorstellung aufkommen können, die Reform ziele auf einen Bruch mit der 1500-jährigen Geschichte organischen Entwicklung der Liturgie und der in ihr verkörperten Theologie ab. Die neue Form wäre als eine (mehr oder weniger glückliche) „zeitgemäße“ Ergänzung der bisher und weiterhin gültigen Liturgie erschienen, quasi als pastorales Zugeständnis für die Gemeindeseelsorge. Die überlieferte Liturgie wäre als Vollform und Maßstab für die Liturgie erhalten geblieben - und genau das wollten die vom Gedanken des Bruches beseelten Vertreter des Novus Ordo natürlich nicht. Sie wollten genau die Kontinuität nicht, die heute als Fiktion behauptet wird, und sie haben sich durchgesetzt. Aus der vom Konzil in Auftrag gegebenen Reform wurde eine Revolution im Dienst des Zeitgeists.

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