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„Traduttore, traditore“

Das italienische Sprichwort „traduttore, traditore“ findet, wie könnte es anders sein, unterschiedliche Übersetzungen, die teilweise sogar gegensätzlichen Sinn ergeben. Hier soll von der Lesart die Rede sein, daß beim Übersetzen allzu oft der rechte Sinn verloren geht, und das nicht nur wegen tatsächlicher Schwierigkeit, sondern aus bösem Willen. Dann erweist sich der Übersetzer nicht als Vermittler, sondern Verräter der Sache, die er doch treuhänderisch aus dem einen in den anderen Sprachraum überbringen sollte.

Bekanntestes Beispiel für einen solchen Verrat in vielen volkssprachlichen Übersetzungen des Novus Ordo ist natürlich das „pro multis“, zu dem freilich schon genug gesagt worden ist. Ein weniger bekanntes Beispiel findet sich in den neuen Gebeten zur an die Stelle der früheren „Opferung“ getretenen „Gabenbereitung“, deren Text nach dem Vorschlag der Reformatoren schlichtweg lauten sollte „Benedictus Deus Rex universi, quia te tua largitate accepimus panem, fructum terrae et operis manuum hominum, ex quo nobis fiet panis vitae.“ (Gepriesen seist Du Gott, König des Universums, denn aus Deiner Güte empfangen wir das Brot, Frucht der Erde und der menschlichen Arbeit, aus dem uns das Brot des Lebens werden soll.)

In der offiziellen Fassung wurde der Text um ein „quem tibi offerimus" (nach dem „panem") ergänzt. Wie Annibale Bugnini in seiner autobiographischen „Geschichte der Liturgiereform" (S. 379 der englischen Ausgabe) mitteilt, geht diese Ergänzung auf eine ausdrückliche Rückfrage Papst Pauls VI. zurück, der angemahnt hatte, daß sonst die Absicht zur Darbringung eines Opfers nicht klar genug zum Ausdruck gebracht werde : „ohne das wäre es kein Offertoriumsgebet“.

Nach längerer Diskussion – so weiter Bugnini – befand die Kommissionsmehrheit, daß das Verb „offere“ mehrdeutig genug sei, um auch ein Verständnis zuzulassen, wonach es sich hier nicht um die Darbringung einer Opfergabe handle. Mit Genugtuung verweist Bugnini darauf, daß der italienische Novus Ordo hier schreibe „lo presentiamo a te“, und daß fast alle anderen Sprachen ebenso verfahren würden. Tatsächlich heißt es im Deutschen „wir bringen dieses Brot vor dein Angesicht“, während die älteren Schott-Ausgaben „offere“ noch stets mit „opfern“ wiedergaben. Übrigens läßt sich an mehreren Stellen nachzeichnen, daß die nationalsprachlichen Übersetzungen mehrere Änderungen, die Papst Paul von der Kommission verlangte und für den lateinischen Text auch erreichte, einfach nicht umsetzten. Emil Lengeling, die graue Eminenz hinter der Durchsetzung der Liturgiereform im deutschsprachigen Raum, kann denn in seiner Bilanz der Liturgiereform von 1970 „Die neue Ordnung der Eucharistiefeier" denn auch befriedigt feststellen: „Die deutsche Fassung des Meßordo (...) hat sich bemüht, in mehreren Fällen die Veränderungen des zunächst vorgesehenen und beschlossenen in verschiedener Weise abzumildern, wenn nicht gar praktisch zu tilgen.“ (S. 80)

Verraten durch die Übersetzung – hier sogar mit dem durch die Approbation erklärten Einverständnis des Verratenen. Kein Wunder, daß die Zelebration auch des Novus Ordo in lateinischer Sprache vielerorts auf so großen Widerstand stößt: Diese Fassung enthält mehr an Kontinuität, als diejenigen ertragen können, die mit der Form der Liturgie auch den Inhalt des Glaubens verändern wollten und für ihren (schrumpfenden) Machtbereich verändert haben.

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