Konspirative „Reform“ der Osterliturgie 1951/55 - Teil 1
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- 22. März 2015
In den kommenden Tagen bis Ostern – und wahrscheinlich auch darüber hinaus – wird Summorum-Pontificum besonderes Augenmerk auf die Reform der Liturgien in der Heiligen Woche und an Ostern richten. Es hat sich eingebürgert, in diesem Zusammenhang von der Reform von 1955 zu sprechen – demnach wäre in diesem Jahr also der 60. Jahrestag fällig. Aber wie bei vielem, was mit diesen Reformen zu tun hat, ist selbst ein Datum nicht eindeutig festzustellen: Die Neuordnung der Ostervigil als des in der Öffentlichkeit am meisten wahrgenommenen Elements der Reformen erfolgte bereits zu Ostern 1951 mit dem Dekret „De solemni vigilia Paschali instauranda“ vom 9. Februar 1951, allerdings nur „ad experimentum“ und somit zunächst nicht verbindlich. Die für die ganze Kirche verbindliche umfassende Reform von Heiliger Woche und Ostervigil wurde dann tatsächlich im Jahr 1955 angeordnet. Das Dekret „Liturgicus hebdomodae sanctae ordo instauratur“ wurde am 16. November erlassen und betraf somit erstmals die Liturgien des Jahres 1956. Das Jubiläum, falls denn jemandem zum Feiern zumute sein sollte, ist also erst im kommenden Jahr fällig.
Der große Protagonist hinter all diesen Reformen war von Anfang an Annibale Bugnini, seit 1948 Sekretär der „Kommission zur Generalreform der Liturgie“, später auch Mitarbeiter der Ritenkongregation. Öffentlich – für eine sehr kleine Öffentlichkeit – ist er erstmals 1951 als Autor des offiziellen Kommentars zu „De solemni vigilia“ hervorgetreten; er spielte dann auch die entscheidende Rolle bei den Vorbereitungen des Dekrets von 1955. Bugnini kann ohne Übertreibung als der Urheber und Spiritus Rector der reformierten Osterliturgie gelten. Von daher ist es erstaunlich, daß diese frühen Jahre in der fast 1000 Seiten starken Rechtfertigungsschrift Bugninis ‚Die Reform der Liturgie 1948 – 1975‘ praktisch nicht vorkommen – obwohl der Erzbischof sein Licht darin ansonsten wahrlich nicht unter den Scheffel stellt.
Eine Erklärung für diese bemerkenswerte Zurückhaltung findet sich (vielleicht) auf S. 9 der englischen Ausgabe seiner Schriften, wo es heißt: „In den zwölf Jahren seines Bestehens (28. Juni 1948 bis 8. Juli 1960) hatte die Kommission 82 Zusammenkünfte und arbeitete in vollständiger Geheimhaltung. Tatsächlich arbeitete sie so geheim, daß die Veröffentlichung des Ordo Sabbati Sancti instaurat Anfang März 1951 selbst die Zuständigen Würdenträger bei der Ritenkongregation vollständig überraschte. Die Kommission erfreute sich des vollen Vertrauens des Papstes, der von Monsignore Montini über den Fortgang der Arbeiten auf dem Laufenden gehalten wurde, und mehr noch durch P. Bea, den Beichtvater Pius XII, der wöchentlich mit dem Papst zusammentraf.“ In diesen Jahren der Konspiration mag so manches geschehen sein, das selbst zwei Jahrzehnte später, als Bugnini seine Sicht der Reformarbeit veröffentlichte, aus verständlichen Gründen das Licht der Öffentlichkeit scheute.
Für die Katholiken, die an der überlieferten Liturgie und Lehre festhalten, ist die 1955 allgemeinverbindlich gemachte Form insofern von besonderem Interesse, als die damaligen Festlegungen heute nur noch für die Priester und Gemeinden gelten, die die sogenannten „Bücher von 1962“ verwenden. In diese ist die Reform von 1951/55 unverändert eingegangen. Das ist ein rechtes Elend, denn diese Form enthält einige derart radikale Vorgaben – z.B. die Kürzung der Lesungen in der Osternacht auf vier – daß sie bei der nächsten Runde des Reformmarathons 1969 wieder abgemildert oder auch ganz rückgängig gemacht wurden.
Von gesamtkirchlichem Interesse ist der Umstand, daß bereits in der neuen Liturgie für die Ostervigil und im Ritus der Palmweihe das hinter pastoralen Phrasen steckende Unverständnis für sakrale Abläufe und für die historische Entwicklung des römischen Ritus zu Tage tritt, das später die Reform vollständig beherrschen sollte. Wer kritisch hinschaute – wir suchen nach Belegen dafür, daß das hier und da durchaus der Fall war – konnte also schon Mitte der 50 Jahre sehen, wohin die Reise ging. Insoweit wäre die Geheimnistuerei von Bugnini und Konsorten vielleicht gar nicht nötig gewesen.
Wir wollen in den versuchen, aus der Perspektive der „vollendeten Reform“ von 1969 und von heute die bereits 1951/55 angelegten Keime der Dekonstruktion der römischen Liturgie aufzuspüren.