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Reform der Ostervigil - Hintergründe - Osterliturgie 2

Vom aktuellen Zeitablauf her läge uns zwar der Palmsonntag näher – aber die Reform der Osternacht von 1951 geht der Erneuerung der hl. Woche um 5 Jahre voraus, und sie zeigt bereits alle wesentlichen Elemente der späteren Eingriffe in die gewachsene Gestalt der Liturgie. Es ist auch keineswegs Willkür, daß Bugnini & Co die Reform der Ostervigil an die erste Stelle ihrer Agenda hoben, denn nirgendwo sonst ließ sich die behauptete Notwendigkeit tiefgreifender Veränderungen so leicht plausibel machen wie bei der Feier der Vigil und Messe zum Auferstehungssonntag, die im Lauf der Geschichte auf den Samstagvormittag verlagert worden war.

Die Kritik an dieser Vorverlegung ist – mindestens – so alt wie die liturgische Bewegung. In seinem 1905 erstmals erschienen populären Werk „Das Heilige Messopfer“ zitiert Autor Reimers mit erkennbarer Wehmut Rhabanus Maurus mit der Aussage: „Ehe die Stern am Himmel standen, durfte diese Osternachtsmesse nicht begonnen werden“.

Der Grund für diese Vorverlegung der Auferstehungsfeier auf den Samstagvormittag, die bereits im hohen Mittelalter stattfand, ist überaus prosaisch: Das Fastengebot der Qadragesima und das direkt anschließende Osterfasten endeten mit dem Ostersonntag – genauer gesagt, mit der ersten Vesper des Ostersonntags am Abend des Karsamstags. Zunächst verlegten hungrige Kleriker diese Vesper immer weiter nach vorne, bis sie am Samstagvormittag stattfand; die Vigil zum Osterfest mit allen sie begleitenden Zeremonien folgte mit einigen Jahrhunderten Verspätung, bis sie ebenfalls am Samstagvormittag angekommen war  wo sie nicht wirklich hingehörte.

Natürlich war das bei Licht besehen ein bedauerlicher Missbrauch, der seine allzu menschliche Erklärung darin findet, daß das Fastengebot zumindest in Klöstern und Stiften vielfach sehr ernst genommen wurde. Dort war nur eine Mahlzeit am Tag erlaubt, und die war nicht nur vegetarisch, sondern beinahe vegan: Auch Eier und Milchprodukte waren verboten; am Karfreitag und bis zur Vesper des Karsamstags gab es gar nichts. Aus einer Zeit und Gesellschaft heraus, die das Fasten äußerstenfalls der schlanken Linie wegen praktiziert und im kirchlichen Bereich denn auch lieber von „Bußzeit“ als von „Fastenzeit“ redet, läßt sich die Vorverlegung leicht als Missbrauch kritisieren. In einer Zeit und aus Lebensumständen, die das Fasten wirklich ernst nahm, sieht das schon anders aus – zumal die Gottesdienste der bevorstehenden Ostertage keine geringen Anforderungen an die körperliche Leistungsfähigkeit von Choristen und Offizianten stellten.

Dennoch scheint dieser Vorverlegung der Osternacht schon seit ihrem Aufkommen ein gewisses Ungenügen ausgelöst zu haben – am stärksten freilich da, wo das Fasten eher schwächer ausgebildet war, nämlich im Klerus und (entstehenden) Bürgertum der Stadtgesellschaften. Im deutschsprachigen Raum kam es seit dem 12. Jahrhundert zur Herausbildung von Auferstehungsfeiern, die außerhalb des römischen Ritus standen und eher dem Bereich der Volksfrömmigkeit zuzurechnen sind. Eisenhofer beschreibt die Straßburger Form – es gab unzählige lokale Varianten – so:

Die Auferstehungsfeier in der Morgenfrühe ging nach einem Straßburger Rituale aus dem Jahre 1384 in folgender Weise vor sich. Vor Beginn der Matutin begab man sich in Prozession zum heiligen Grabe, in welches der Priester eintrat. Dort sprach man das Confiteor, hierauf den Psalm Domine, quid multiplicati sunt und die Antiphon Ego dormivi. Dann nahm der Priester den Leib des Herrn aus der Pyxis und zeigte ihn, vor dem Grabe stehend, dem Volke, legte die heilige Hostie wieder in die Pyxis zurück und trug sie nach dem Hochaltar. Während dieser Prozession sang der Klerus im Chore die Antiphon ‚Cum Rex gloriae Christus. Am Hochaltar wurde noch einmal die heilige Hostie dem Volk gezeigt und hierauf das heilige Sakrament an einen anderen Altar verbracht. (…)

Nach dem dritten Responsorium begaben sich drei mit Pluvialien bekleidete, Weihrauchfässer „cum plurimo incensu“ tragende Priester, welche die drei Marien darstellten, zum heiligen Grabe. Dort fanden sich zwei gleichfalls mit Pluvialien bekleidete Diakone vor, welche die Engel darstellten und an die Priester die Frage richteten: „Quem queritis in sepulchro, o Christicolae?“ worauf dieselben antworteten:“Iesum Nazarenum chruzifixum“ „Non est hic, surrexit, sicut praedixerat“ antworteten die Diakone und gaben den Priestern das Schweißtuch, welches dieselben unter dem Gesang der Antiphon „Dicant nunc Iudaei“ in den Chor trugen, wo sie es ausbreiteten und sangen: „Surrexit Dominus de sepulchro.“ Den Abschluß der Feier bildete das Te Deum. Nach dem Te Deum sang man in vielen Kirchen noch die Ostersequenz Victimae paschali.“

Unschwer ist in dieser Darstellung eine Keimform der später entstehenden Passionsspiele und anderer Mysterienspiele zu erkennen – und mit diesen wurde auch die Auferstehungsfeier des Ostermorgend – wo sie denn überdauert hatte – durch die tridentinischen Reformen zurückgedrängt. Anfang des 20. Jahrhunderts war davon nicht mehr übriggeblieben als eine in manchen Kirchen vor dem Hochamt stattfindende Prozession mit dem Allerheiligsten in der Kirche.

Durch die reinigenden Reformen des Tridentinums wurden die problematische Vorverlegung der Osterliturgie und die dementsprechenden Leerstellen am Ostersonntag, an dem nur noch gewöhnliche Hochämter ohne besondere Osterriten stattfanden, erst für das ganze Kirchenvolk als Mangel erfahrbar. Das bot den Bugninisten einen idealen Ansatzpunkt für ihre Thesen vom Zerfall der Liturgie während des finsteren Mittelalters und von der Notwendigkeit, zu liturgischen Zuständen der Frühzeit zurückzukehren. Gleichzeitig boten diese Leerstellen das ideale Umfeld dafür, die beabsichtigten Reformen unter dem Beifall der überwiegenden Mehrheit von Liturgikern und des gläubigen Volkes ins Werk zu setzen.

Es ist daher auch keine Übertreibung, wenn Bugnini in seiner Schrift behauptet: „Die erste Frucht der Kommissionsarbeit war die Wiederherstellung der Ostervigil (1951), die eine Explosion der Begeisterung in der ganzen Kirche auslöste“. Und dann fügt er hinzu: „Das war das Signal dafür, daß die Liturgie endlich auf eine pastorale Zielsetzung gebracht wurde“ – aber genau das war fast allen Zeitgenossen in den 50er Jahren nicht erkennbar und wäre von vielen wohl auch kaum begrüßt worden.

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