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Memoiren Bouyers auf Englisch

Der französische Oratorianer Louis Bouyer (1913 - 2004) gehört zu den umstrittensten Persönlichkeiten der liturgischen Bewegung und der Liturgiereform. Es ist unverkennbar, daß er als Konvertit aus dem Lutheranertum einige Konzepte mitgebracht hat, die Anlass zu Missverständlichkeiten bieten. Es ist aber auch unübersehbar, daß er sehr früh, schon in den 50er Jahren und damit lange vor dem Konzil, vor liturgischen und pastoralen Fehlentwicklungen warnte, die später zur Deformation der Liturgiereform führen sollten. Als Mitglied des Consiliums konnte er einige dieser Fehlentwicklungen abmildern, wurde dort jedoch immer mehr an den Rand gedrängt und zog sich schließlich enttäuscht aus der Arbeit des Gremiums zurück. 

Tagebuchaufzeichnungen und Notizen aus der Zeit der Reform bilden einen wesentlichen Teil seiner Memoiren, die allerdings wegen ihrer sehr kritischen Tendenz zu seinen Lebzeiten nicht erscheinen konnten. Sie wurden tatsächlich erst im vergangenen Sommer - also zehn Jahre nach seinem Tode - im Original veröffentlicht. Bouyers Französisch ist stark persönlich gefärbt und mischt, wie bei Tagebüchern nicht ungewöhnlich, alle Sprachebenen von Anspielungen auf die klassische Literatur bis zur Zeitungs- und Alltagssprache der 60er Jahre - mit der Folge, daß dieses historisch außerordentlich aufschlußreiche Werk selbst in Frankreich kaum zur Kenntnis genommen wurde, außerhalb erst recht nicht.

Wie Joseph Shaw heute auf seinem Blog mitteilt, ist eine englische Übersetzung dieser Memoiren so gut wie fertig und soll demnächst erscheinen; steht zu hoffen, daß sie leichter zu nutzen ist als das Original. Einige anekdotenhafte Elemente des offenbar sehr kritischen Textes  haben bereits ihren Weg in eine größere Öffentlichkeit gefunden. Nach einem davon habe Papst Paul VI. Bouyer in den 70er Jahren einmal auf einige Elemente der Reform angesprochen, die ihm selbst nicht besonders gelungen erschienen und ihn ganz direkt gefragt, wieso er als Mitglied der Reformkommission diese mitgetragen habe. Darauf antwortete Bouyer: „Weil Bugnini uns versicherte, daß Sie darauf bestünden“ - worauf der Papst entgegnete: „Ist das die Möglichkeit? Und mir hat er gesagt, daß Sie das einstimmig verlangten“.

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