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Der lange Winter des Rationalismus

„Die überlieferte Liturgie und die Neuevangelisierung - Über den langen Winter des Rationalismus hinaus“. Unter diesem Titel hat Prof. Kwasniewski in einem Gastvortrag (vollständig nachzulesen auf Rorate Cæli) an der katholischen Universität in Steubenville den Zusammenhang zwischen Reformliturgie und Glaubenskrise erläutert und dargelegt, warum die überlieferte Liturgie einen unentbehrlichen Beitrag zur Überwindung dieser Krise leisten kann.

Empirischer Ausgangspunkt seiner Ausführungen ist die inzwischen unleugnbare Tatsache, daß die Liturgie nach dem Novus Ordo alle in sie gesetzten Hoffnungen nicht erfüllen konnte, während die vermeintlich „überholte und dem heutigen Menschen nicht mehr vermittelbare“ traditionelle Liturgie das Potential hat, Suchende anzusprechen und Gläubige in ihrem geistigen Leben zu fördern.

Den Grund für diese widersprüchliche Entwicklung sieht Kwasniewski darain, daß die Schöpfer der Reformliturgie von einem einseitig rationalistischen und somit durch und durch verfehlten Verständnis von dem, was Liturgie ist und wie sie auf den Menschen wirkt, ausgegangen sind. Sie wollten die Messe leicht verständlich, dem Alltagsleben angenähert und zum tätigen Mittun einladend gestalten - mit den bekannten Ergebnissen

Dem hält Kwasniewski entgegen:

Der usus antiquor folgt dem großen sakramentalen Prinzip, das zu bewirken, was es sichtbar macht, und das sichtbar zu machen, was es dem Wesen nach ist.  Wenn das hl. Messopfer tatsächlich ein tiefes Geheimnis und eine so erhabene und göttliche Wirklichkeit ist, daß wir das mit unserem begrenzuten Verstand gar nicht voll erfassen können, sondern uns dem nur hingeben und uns davon ergreifen lassen können - wenn das also so ist, dann soll uns das auch so gegenübertreten. Eine sakrale Begegnung mit der transzendenten Gottheit muß auch sakral und transzendent aussehen und entsprechend auf uns einwirken. Sie muß bezeichnen, was sie ist, und sein, was sie bezeichnet.“

Von daher gesehen können die Prinzipeien der Refomliturgie nur in die Irre führen:

Unter dem Einfluss des Rationalismus taten die Architekten der modernen Liturgie was sie nur konnten, um die Liturgie (in ihren Augen) verständlicher, transparenter und zugänglicher zu machen - und das hat ironischerweise dazu geführt, daß die Liturgie in unglaublichem Ausmaß an Kraft verloren hat, das erschütternde Geheimnis des Ewigen und Unendlichen Gottes und die heiligen Geheimnisse Christi in seiner göttlichen Menschlichkeit zu vermitteln. Wie so ziemlich jeder schon einmal in den vergangenen 50 Jahren festgestellt hat, ist alles Geheimnisvolle aus der Messe verschwunden. Aber das ist keine Nebensächlichkeit, das ist ein Problem, das das eigentliche Wesen und das Ziel von Liturgie als Gottesdienst in Frage stellt.“

Und dann noch einmal zugespitzt:

Eine Liturgie, die wahrhaft Gott und dem nach Gottes Bild geschaffenen Menschen entspricht, kann nicht vollständig „zugänglich“ gemacht werden - und der Versuch, das zu erreichen, kann nur zerstörerische Folgen haben. Wenn man die Liturgie einsichtig, einfach und leichtverständlich macht, dann ist es keine Liturgie mehr. Wenn die Liturgie sich dem Menschen in seiner Zeitlichkeit und Endlichkeit anpasst, verliert sie im gleichen Ausmaß den Kontakt zum göttlichen und zu der nach Gottes Bild geschaffenen unsterblichen Seele.“

Soweit also Kwasniewski, dessen sowohl in der Analyse als auch hinsichtlich möglicher Perspektiven noch weit über das hier Angerissene hinausgehender Vortrag zur vollständigen Lektüre sehr zu empfehlen ist. Selbst wenn er eine Frage ausklammert, die sich inzwischen immer drängender stellt: Daß die Architekten der Reformliturgie mit Haut und Haar dem rationalistischen Irrtum verfallen waren, und daß der damalige Papst weder die Weitsicht noch die Kraft hatte, dem Einhalt zu gebieten, läßt sich vielleicht noch erklären. Der Zeitgeist kann fast unwiderstehliche Kraft entfalten. Aber daß die überwiegende Mehrzahl von Bischöfen und Theologen diesen Irrtum auch heute noch, da er längst offenkundig geworden ist, wie ein kostbares Gut verteidigen - das bleibt „ein erschütterndes Geheimnis“ ganz eigener Art.

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