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Die Lesungen der Fastenzeit

Bild: New Liturgical MovementIn der Fastenzeit gibt die überlieferte Liturgie der lateinischen Kirche für jedem Werktag ein vollständiges Messformular einschließlich der Lesung(en) und des Evangeliums vor. Das Missale des Novus Ordo behält diese Einrichtung zwar grundsätzlich bei, hat den Charakter der einzelnen Tage aber durch weitgehende Neugestaltung bzw. Neuordnung von Orationen und Lesungen tiefgreifend verändert. Der englische Theologe Metthew Hazell – im Internet bekannt als Autor der der Lectionary study aids und Mitarbeiter bei New Liturgical Movement – hat eine quantitative Analyse der Lesungen der Fastenzeit vorgenommen, bei der er untersucht, inwieweit sie von den seit weit über tausend Jahren in der lateinischen Kirche gebräuchlichen Lesungen abweichen. Mit einbezogen hat er auch die Sonntage, für die der Novus Ordo entsprechend seiner neueingeführten drei „Lesejahre“ über 50 Lesungen angibt. Das Untersuchungsergebnis hat er in einer Tabelle zusammengefasst, die man hier downloaden kann.

Das nicht wirklich überraschende, aber dennoch deprimierende Ergebnis der Untersuchung: Auch hier haben die Reformer praktisch keinen Stein auf dem anderen gelassen. Viele Lesungen wurden an andere Plätze außerhalb, andere auch innerhalb der Fastenzeit verschoben. Nur eine Minderheit durfte an ihrem angestammten Platz verbleiben, doch auch in diesen Fällen wurden meistens einige Verse hinzugefügt oder weggelassen. 10 Lesungen aus dem traditionellen Bestand tauchen überhaupt nicht mehr im „erneuerten“ Messbuch auf, also auch nicht irgendwo außerhalb der Fastenzeit.

Dabei hätte sich zumindest für die Fastensonntage eine zwanglose Gelegenheit geboten, für eines der Lesejahre die überlieferte Leseordnung beizubehlaten und lediglich die beiden anderen neu zu gestalten. Diese Möglichkeit wurde nicht genutzt, die drei Lesejahre wurden auch für die Sonntage weitgehend neu konzipiert, insgesamt wurden nur 5 ihrer Lesungen, und zwar ausschließlich die Evangelien, unverändert beibehalten.

Bereits diese Zahlen – die inhaltlichen Aspekte hat Hazell in der nun vorgelegten Auflistung nicht berücksichtigt – machen deutlich, wie sehr die Verfasser des neuen Missales sich nicht als Fortführer einer Tradition, sondern als Autoren eines neuen Werkes verstanden haben. Dieses Unternehmen haben sie stets mit der angeblichen Notwendigkeit begründet, die Liturgie den Bedürfnissen des „Menschen der Gegenwart“ verständlicher und angemessener zu machen. Allerdings hat der Gottesdienstbesuch in den vergangenen Jahrzehnten so dramatisch abgenommen, daß man heute nur noch das völlige Scheitern ihres damaligen Ansatzes feststellen kann.

Damit ist noch nicht bewiesen, daß die überlieferte Liturgie per se besser geeignet wäre, die Menschen des 21. Jahrhunderts anzusprechen – auch wenn es Anzeichen dafür gibt, daß das zumindest für einen Teil dieser Menschen zutrifft. Aber die Glaubwürdigkeit der Autoren des Novus Ordo hinsichtlich ihrer Urteilsfähigkeit und Menschenkenntnis ist zutiefst erschüttert.

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