Kardinal Burke zur „Reform der Reform“
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- 11. Juli 2012
In einem Hintergrundgespräch mit Francis Rocca vom Catholic News Service hat sich Kardinal Burke zum 5. Jahrestag von Summorum-Pontificum zum aktuellen Stand der Liturgie in der Kirche geäußert. Dabei bezeichnete es der Kardinal als eine betrübliche Tatsache, daß es immer noch vielerorts Widerstand gegenüber dem vom Papst gewünschten Kurs gebe. „Teilweise zeigt sich darin sogar offener Wwiderspruch gegenüber den Anordnungen des Papstes, und das ist wirklich schädlich für die Kirche“. Der Kardinal stellte klar, daß es dem Papst bei Summorum Pontificum zwar auch darum gegangen sei, der Priesterbruderschaft Pius X: entgegenzukommen, daß er aber auch das weitergehende Ziel verfolgt habe, „die Schätze zu bewahren, die sich im Glauben und im Gebet der Kirche entwickelt haben, und die wieder den ihnen zustehenden Platz erhalten sollen“.
In seinen Überlegungen äußerte der Kardinal die Ansicht, daß die im Gefolge des 2. Vatikanums erfolgte Liturgiereform zu radikal gewesen sei und „stellenweise nicht nur über das hinausging, was die Konzilsväter vorgegeben hatten, sondern auch nicht mehr vollständig mit diesen Bestimmungen zu vereinbaren“ sei. Daraus folgt für Kardinal Burke die Notwendigkeit einer „Reform der Reform“, die über die Behebung von Mißständen hinausgeht und einige Elemente des alten Missales wieder in die reformierte Liturgie aufnimmt. Wir bieten einen Überblick.
Ausgangspunkt der Überlegungen von Kardinal Burke ist die Feststellung, daß die formalen Veränderungen und die Kürzungen am Bestand des überlieferten Missales zu weit gegangen sind. „Man kann nicht einfach mit der lebendigen Wirklichkeit des Gottesdienstes, so wie Gott uns aufgetragen hat, ihn zu verehren, gewaltsam herumhantieren und dabei in Kauf nehmen, auch das Glaubensleben der Mensch in Mitleidenschaft zu ziehen“. Der Verlust der Kirchensprache Latein, die ja – zumindest in der Theorie – noch Bestandteil des neuen Ritus sei, sei bei weitem nicht der größte Verlust durch die Reform. Der Kardinal zählt drei Elemente auf, die er aus der überlieferten Form auch in eine „reformierte Reform“ übernommen sehen möchte:
- Die Eröffnungsgebete am Fuß des Altars mit Psalm 42, die eine unmittelbare Verbindung zum jüdischen Erbe der Liturgie herstellen,
- Eine Kanonstille zumindest für einen Teil der Gebete vor der Kommunion, die es den Gläubigen ermöglicht, sich besser auf diesen heiligsten Moment der Messe vorzubereiten,
- Den Abschluss mit dem Prolog des Johannes-Evangeliums als „Hymnus auf die erlösende Inkarnation, der unseren Geist erneut auf die überwältigende Wirklichkeit richtet, der man gerade begegnet ist und an der man teilgenommen hat.“
Der Kardinal benennt dann auch zwei Punkte, in denen die überlieferte Messe Weiterentwicklungen aus der Neuen Liturgie übernehmen solle:
- Die Praxis, die Lesungen aus der heiligen Schrift in der Umgangssprache vorzutragen, stelle eine großartige Gabe der Reform dar.
- Die Zelebration des Priesters in Richtung auf das Volk könne ein tieferes Verständnis der auf Christus hin „transparenten Andacht“ bewirken, in der die Priester beide Formen der Liturgie feiern sollten.
Abschließend stellte der Kardinal fest, damit beide Formen der Liturgie sich gegenseitig bereichern könnten, müßten auch beide für die Gläubigen erreichbar sein. Gegenwärtig gebe es allerdings zu wenig Priester mit ausreichenden Kenntnissen der lateinischen Sprache und der überlieferten Liturgie, deshalb sei eine Revision der Ausbildungspläne in den Seminaren erforderlich.
Soweit die wesentlichen Punkte aus dem größtenteils in indirekter Rede verfaßten Bericht von CNS. Die Wiedergabe des Gesprächs – und wahrscheinlich auch das Gespräch selbst – leidet unter einigen Unschärfen und Verkürzungen, wir wollen daher hier nicht auf unklar gebliebene Punkte wie den des Umfangs der Kanonstille oder die Bedeutung der Zelebrationsrichtung eingehen. Allerdings stellen sich angesichts der Überlegungen des Kardinals einige grundsätzliche Fragen hinsichtlich der zukünftigen Möglichkeit einer „organischen Weiterentwicklung“ des römischen Ritus.
Daß die Entwicklung am Reissbrett, wie sie von den Liturgie-Ingenieuren der Bugnini-Kommission vorgenommen und von Papst Paul mit einigen Veränderungen auch akzeptiert worden ist, kein zukunftsfähiges Ergebnis bringt, kann inzwischen als gesichert gelten. Ob eine irgendwie geartete Vermischung beider Formen zu Resultaten führt, die der Tradition und den Erfordernissen der Seelsorge gleicherweise genügen, ist ebenfalls fraglich. Tatsächlich ist es überaus zweifelhaft, ob beim gegenwärtigen Stand der Dinge eine „Weiterentwicklung“ des Missales von 1962 überhaupt notwendig und eine tiefergehende Veränderung des Ordo von 1970 überhaupt möglich, d.h. praktisch durchsetzbar ist.
Das Äußerste, was in dieser Hinsicht erreichbar erscheint, ist doch, daß die zahllosen praktischen Missbräuche und theoretischen Entstellungen des neuen Missale und der Institutio Generalis durch energischeres Einschreiten der zuständigen Oberhirten zurückgedrängt werden. Dazu würde gehören, daß dem brandstifterischen Unfug der protestantisierenden Liturgiewissenschaftler Einhalt geboten wird, die im Widerspruch zu der Formel von dem „einen Ritus in zwei Formen“ Theorien verbreiten, die einen theologischen Bruch zwischen dem Missale von 1970 und seinen Vorgängern behaupten und z.B. das Kernstück der Messe von anderthalb Jahrtausenden, den Römischen Kanon, für „mit dem modernen Verständnis unvereinbar“ erklären.