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Eine neue Welt - ohne Priester?

Bild: https://www.kath.ch/newsd/zeitung-papst-denkt-an-verheiratete-als-leiter-von-messfeier/Die aktuelle Diskussion über eine „Lockerung der Zölibatspflicht“ greift weit über die Frage hinaus, ob und unter welchen Umständen das Sakrament der Weihe und das der Ehe miteinander vereinbar sind. Zunächst sind hier einige in die Debatte geworfene Nebelkerzen wegzuräumen. Es gibt kein „Pflichtzölibat“ - schließlich gibt es auch kein „Pflichtpriestertum“. Es gibt eine enge Verbindung zwischen Priestertum und Ehelosigkeit und Keuschheit, und diese Verbindung hat eine bis in die früheste Zeit der Kirche und im Leben Jesu und vieler Heiliger begründete Tradition. Die Entscheidung für den zölibatären Weg war immer und ist auch heute freiwillig – wer jetzt fordert, ein „freiwilliges Zölibat“ als Neuerung einzuführen betreibt Falschmünzerei mit Begriffen.

Die Frage ist, ob und unter welchen Bedingungen die Ehe und das Priestertum miteinander zu vereinbaren sind. Die römische Kirche hat bisher an der Unvereinbarkeit als allgemeiner Bedingung festgehalten, diese Bedingung galt als allgemeingültig, und die theoretisch durchaus möglichen Ausnahmen sind nicht dem Belieben des Einzelnen anheimgestellt. Genau darum geht es zunächst bei dieser Debatte: Soll die Allgemeinverbindlichkeit der Verbindung von Priestertum und Ehelosigkeit erhalten bleiben, oder nicht?

Trotz der langen Tradition dieser Verbindung ist das zunächst keine Frage, die an den Kern von Glaubensinhalten geht. Die Kirchen, deren Priesterweihe die Katholiken stets anerkannt haben, waren sich zwar immer einig, daß der geweihte Priester keine gültige Ehe mehr eingehen kann – aber sie haben verschiedene Antworten auf die Frage gegeben, ob verheiratete Männer die Priesterweihe empfangen und – zweite Frage – danach die volle eheliche Lebensgemeinschaft beibehalten können. Die Kirchen des Ostens haben beide Fragen immer mit einem teilweise eingeschränkten „Ja“ beantwortet, die römische Kirche immer mit einem fast uneingeschränkten „Nein“.

Die eine große Ausnahme in der Westkirche betrifft verheiratete Männer, die in einer Gemeinschaft der lutherischen oder anglikanischen Tradition zu Pfarrern oder Priestern ordiniert worden sind. Zwar wird ihre „Weihe“ – sofern überhaupt beansprucht – generell nicht anerkannt, aber sie können im Fall eines Übertritts zur katholischen Kirche unter bestimmten Bedingungen die Weihe als katholische Priester erhalten. „Können“ - nicht „müssen“. Die Ausnahme ist also recht eng gefasst, aber sie reicht, um anzuerkennen, daß der Ehestand auch nach katholischer Ansicht kein absolutes Weihehindernis darstellt.

Von daher sollte die Zölibatsfrage verhältnismäßig leidenschaftslos diskutiert werden können. Also unter pragmatischen Gesichtspunkten, wie viele Priester eine Kirche mit stark schrumpfender Gläubigenzahl braucht, oder welche Anforderungen an „viri probati“ zu stellen sind, damit sie als probat gelten können: Müssen sie verheiratet, dürfen sie geschieden sein, müssen alle ihre Kinder eifrige Mitglieder der Gemeinde sein und in intakten Ehen leben?

Man sieht – schon im pragmatischen liegt Dynamit. Und das wird noch viel augenfälliger, wenn man grundsätzliche Überlegungen mit in die Rechnung einbezieht. Als da wären: Die Frage der Tradition; kirchenpolitische Überlegungen und theologische Implikationen.

Alle drei sind freilich untrennbar miteinander verquickt, und werden auch von traditionsorientierter und modernistischer Seite jeweils als Paket in der einen oder der anderen Richtung beantwortet.

Hinsichtlich der Verbindlichkeit und des Wertes der Tradition liegt das offen zu Tage. Der Modernismus definiert sich ja geradezu durch seine Grundüberzeugung, daß „alles was besteht, wert/ ist, daß es zugrunde geht“. Die bestehende Ordnung steht also von vornherein unter dem Verdacht, die überholten und menschenfeindlichen Privilegien alter weißer Männer zu stützen – weg damit. Jede Veränderung kann nur positiv sein. Eine spätere Bewertung der Ergebnisse ist deshalb auch gar nicht nötig – wie konsequent dieses Verbot einer Ergebnisüberprüfung durchgehalten wird, ist daran zu sehen, daß sie hinsichtlich der Auswirkungen der Liturgiereform als ganz und gar unzulässig gilt.

Die kirchenpolitische Motivlage ist nicht ganz so leicht durchschaubar. Einmal würde eine Entscheidung gegen den Zölibat von denen, die das schon seit langem fordern, zu recht als innerkirchlicher Macht- und Positionsgewinn verzeichnet. Das ist aber noch nicht alles. Mit der Zulassung verheirateter Männer zur Priesterweihe würden Scharen von eher progessistisch eingestellten Diakonen und Gemeindereferenten ins Presbyterat drängen und den säkulartistischen Positionen in der Gemeindesseelsorge noch wirkungsvoller als bisher zum Durchbruch verhelfen. 

Natürlich gibt es auch absolut orthodoxe Diakone und Germeindereferenten. Aber es ist schwer zu bestreiten, daß die Zölibatsvorschrift in der Vergangenheit viele Männer, die einen „Beruf der Kirche“ anstreben, sich aber nicht zur traditionellen „Ganzhingabe“ berufen fühlen und eher säkulare Vorstellungen von ihrem Beruf („viel mit Menschen zu tun haben“) verfolgen, davon abgehalten haben, die Priesterweihe anzustreben. Tatsächlich ist die Erschließung dieses Potentials für das Priesteramt wohl eines der Hauptmotive der Progressisten für ihre Forderung nach Abschaffung des „Pflichtzölibats“. Nicht nur mehr Priester, vor allem auch andere Priester, darum geht es.

Damit erreichen wir den dritten Punkt, die theologischen Implikationen. Der oben gezeigte Ausschnitt eines Screenshots von der nominell katholischen Website kath.ch führt direkt zum Kern der Sache: Dort spricht man nicht mehr von Zölibat und Priester, sondern von „Verheiratete Leiter von Messfeiern“. Andere Dokumente aus diesem Umfeld lassen erkennen, daß darunter ganz selbstverständlich Frauen ebenso wie Männer verstanden werden. „Viri probati“ war gestern. Über die genaue Bedeutung des Begriffs „Leiter von Messfeiern“ darf spekuliert werden.

Seit der Ablösung des „Zelebranten“ durch den „Vorsteher“ ist das Wesen des Priestertums insgesamt unklar geworden: Wer tut da eigentlich was? Um auszudrücken, daß der Priester im Namen der ganzen Kirche das hl. Messopfer darbringt (im Idealfall mit einer intensiv mitbetenden Gemeinde, andernfalls aber auch alleine) bräuchte man kein neues Wort. Ist die neue Messfeier irgendwie eine Aktion der Gemeinde, die – damit alles klappt – halt von irgendjemand geleitet werden muß – so, wie die „Wort-Gottes-Feier“ von der Pastoralassistentin? Ist der/die Leiter*in der Messfeier von der Kirche durch die in apostolischer Nachfolge erteilte Weihe bevollmächtigt zum Vollzug der Sakramente – oder ergibt sich das aus der Machtvollkommenheit der heiligen Versammlung, die bestenfalls vom Bischof zu bestätigen ist? Vollzieht sich beim „Vortrag des Einsetzungsberichtes“ die Wesensverwandlung von Brot und Wein in den Leib und das Blut des Erlösers – oder verkörpert sich die Gemeinschaft in dem einen Brot, das aus vielen Körnern, und dem Wein, der aus vielen Trauben, Eins geworden ist? Ist mit der Einsetzung als „Leiter der Messfeier“ auch die Bevollmächtigung zum Nachlass der Sünden verbunden – oder beruht schon diese Frage auf einer veralteten Vorstellung, über die „wir“ glücklicherweise ja seit einiger Zeit hinaus sind?

In den „Verheirateten Leitern der Messfeier“ nach den Ideen von Bischof Kräutler und seinem weit über den Amazonas hinausreichenden Umfeld manifestiert sich letztlich ein völlig anderes Bild von der Kirche und ihrem Auftrag, eine überwiegend diesseitige Vorstellung vom Heil des Menschen und dem Weg, es zu erreichen. „Priester“, so wie man sie bisher kannte und verstand, sind dafür nicht erforderlich. Gottesdienst ist Menschenwerk. Die Annahme, es könne einen metaphysischen Zusammenhang zwischen Christi Erlösungswerk und Dienst am Altar geben, der diesen Dienst zum Beispiel auf Männer beschränkt, läßt sich von daher weder begründen noch auch nur verstehen. Die Gemeindeleiter*nnen oder Liturgievorsteher*innen neuen Typs durch Ehelosigkeit ein Stück weit aus dem Leben der Welt herauszuheben, ist nicht notwendig, muß sogar als kontraproduktiv erscheinen.

Die neue Kirche braucht keine alten Priester – und junge erst recht nicht.

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