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Vielstimmigkeit gegen Normierung

Fr. Hunwicke geht heute auf seinem Blog auf die Orationen/Kollekten ein, die im Missale des Novus Ordo gegenüber der Tradition nur noch in stark verarmter Form enthalten sind. Das Thema ist in den vergangenen Jahren in der Wissenschaft relativ breit behandelt (Lauren Pristas, Anthony Cekada), wegen einer gewissen Sprödigkeit im weiteren Kreis der Liturgie-Interessierten jedoch kaum beachtet worden. Fr. Hunwicke ist es nun gelungen, einige der Aspekte, um die es hierbei geht, in leicht verständlicher Form hervorzuheben.

Zunächst geht er auf den in der Tat erstaunlichen Sachverhalt ein, daß die Orationen der Sonntage im Advent, der Fasten- und der Osterzeit von den Reformern fast ausnahmslos ersetzt worden sind, von den Sonntagen „in Grün“ genau die Hälfte. Offenbar – so vermutet er – war die Kirche über anderthalb Jahrtausende lang nicht in der Lage, diesen Gebeten eine sinnvolle Form zu geben, bis endlich die erleuchteten Geister der Reform zum Zuge kamen.

Weiterhin lenkt er die Aufmerksamkeit darauf, daß die Orationen der Tradition für die Heiligenfeste eine historisch gewachsene Kollektion darstellten, die verschiedenen Bildungsmustern entsprachen und damit über das Kirchenjahr hinweg die Aufmerksamkeit der Gläubigen auf unterschiedliche Sichtweisen des Tagesgeheimnisses hinlenkten. Die der älteren Schichten, die bis auf die frühen Sakramentare zurückgehen,

...waren im allgemeinen knappe Formeln, die hauptsächlich darauf gerichtet waren, ein Verlangen danach zu erzeugen, Anteil an der Fürsprache und der Gemeinschaft der verherrlichten Diener Gottes, insbesondere der Märtyrer, zu gewinnen. Im Mittelalter überwog dann ein anderes Muster, das im groben darauf hinaus lief,  daß dem Herrn zunächst eine Kurzbiografie des betreffenden Heiligen vorgetragen wurde, der sich dann die Bitte anschloss, den Gottesdienstteilnehmern die jeweils entsprechenden Gnadengaben zukommen zu lassen. Die nachkonziliaren Reformer machten daraus ein Prokrustesbett, in das sie alles einpassten. Es geht mir nicht darum, diesen Typus auszuschließen – es geht mir darum, daß wir uns nicht auf ihn beschränken sollten.

Mein Eindruck ist der, daß die Kraft und das Anregende des Corpus der Kollekten vor dem Zweiten Vatikanum in seiner Vielfältigkeit lagen. Man am im Lauf des Kirchenjahres von einer leoninischen oder gregorianischen Form zur einer karolingischen und dann vielleicht zu einer franziskanischen, und dann vielleicht noch zu einer der barocken Gegenreformation. Ich betrachte diese Vielfalt als etwas gesundes, sie bewahrt die Kirche davor sich im Gefängnis einer einzigen Tonart des Betens einzuschließen – und genau die haben wir durch die nachkonziliaren Bücher bekommen...

Diese Verarmung in der Form ist übrigens, wie die ins Detail gehenden Untersuchungen von Pristas und Cekada nahelegen, auch Ausdruck einer Umorientierung in den Inhalten: Während die alten Orationen generell von der Bitte um die Gnaden Gottes, also dem Wissen um die Menschliche Unzulänglichkeit, weisen viele der modernen einen eher pelagianischen Unterton auf: Wenn wir uns nur richtig anstrengen, schaffen wir das schon. Hier noch einmal der Link zum vollständigen Text.

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