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50 Jahre Liturgiereform

Bild: G.Nitschke, aus dem zitierten Artikel der Tagespost Zum 50. Jahrestag der reformierten Liturgie bringt Die Tagespost – sie entscheidet sich für den 3. April als Stichtag – ein langes und lesenswertes Interview mit dem Münchener Liturgiewissenschaftler Winfried Haunerland und dem Freiburger Dogmatiker Helmut Hoping. Beide verschließen sich nicht der Einsicht, daß die Auswirkungen der Reform jedenfalls weit hinter den Erwartungen zurück geblieben sind – immerhin. Zwei Punkte des Gesprächs fanden wir besonders interessant. Beide Gesprächspartner werfen einen kritischen Blick auf das von der Liturgischen Bewegung angestrebte, von der reformierten Liturgie aufgenommene und inzwischen weiter vorangetriebene Ziel, die Liturgie als als „Gemeinschaftsaktivität“ zu verstehen und zu gestalten. Und insbesondere Hoping außert sich sehr kritisch zu der bemerkenswerten Tatsache, daß es für die bereits 2002 promulgierte Editio typica tertia des Missales immer noch keine deutsche Übersetzung gibt.

Zum Gemeinschaftscharakter der Messfeier räumt Haunerland ein

Die Liturgie wurde bis 1962 in der Regel als stille Messe gefeiert. Sie hatte ihren hohen spirituellen Wert darin, dass sie gleichsam einen geistlichen Raum schuf, in dem der Einzelne mit seiner Frömmigkeit Platz hatte und mit großer Freiheit seinen Anschluss suchen konnte. Es gab den Schott. Wer Rosenkranz betete, tat formal etwas anderes, war aber inhaltlich auch beim Leben Jesu, das in Tod und Auferstehung kulminiert. Das gleiche gilt für die Messandachten. Insofern ist die heutige Liturgie tatsächlich weniger offen für Individualitäten, sondern sucht eine gemeinschaftliche Form. Das kann man als „Tyrannei“ bezeichnen; aber Unterordnung ist eben der Preis des Gemeinschaftlichen.

Hoping ist hier wesentlich deutlicher und spricht aus, was wir in dieser Form von einem deutschen Universitätstheologen so noch nicht gehört haben (und auch selbst differenzierter ausdrücken würden):

Wir hatten es in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts mit einer Reihe von Bewegungen zu tun, die teilweise Berührungen hatten, etwa die Liturgische Bewegung, mit der nationalsozialistischen Bewegung. Der Gemeinschaftsbegriff ist wie derjenige der Bewegung gerade in Deutschland kein unschuldiger Begriff. Gemeinschaften sind in der Gefahr, dem Individuum Freiheiten zu nehmen. Die Messfeier wird von vielen heute primär als Gemeinschaftsfeier verstanden. Auf die Frage, wer Adressat der priesterlichen Vorstehergebete sei, hört man dann, wenig überraschend, sie seien an die vor Ort versammelte Gemeinde gerichtet, was theologisch falsch ist.

Auf die Frage des Interviewers, warum das offizielle Missale in der Form von 2002 in Deutschland immer noch nicht übernommen worden ist, antwortet zunächst Haunerland:

Auch die italienische Bischofskonferenz hat die „Editio typica tertia“ noch nicht. Das Mühsame liegt nicht nur an der Übersetzung. Die Bischöfe haben unterschiedliche Visionen, welche Form, welches Niveau, welche Klarheit, welche Art von deutscher Sprache gewollt wird. Das ist ein großes Problem.

Dass die Gottesdienstkongregation in den 1990er Jahren meinte, sagen zu können, wie es besser geht, hat die Bischöfe auch nicht überzeugt. „Magnum principium“ ist eine Herausforderung für unsere Bischöfe, denn sie müssen eine Weise finden, wie sie sich auf einen Weg so einigen, dass er auch zu einem Ergebnis kommt. Jetzt kann man nicht mehr sagen: Es liegt nur daran, dass es mit den Römern so schwierig ist.

Hoping spricht unverblümt den Kern der Sache an, um dann ebenso wie Haunerland die Bischöfe in die Pflicht zu nehmen:

Die Mehrheit der deutschen Bischöfe hat eine Revision des deutschen Messbuchs am Ende einfach nicht gewollt. Es war ein Machtkampf mit dem Vatikan, das wurde während des Übersetzungsprozesses immer deutlicher – und am Ende haben sich die Bischöfe für den Boykott entschieden. Wäre man Willens gewesen, hätte es auch einen Weg gegeben. Das zeigt die von den Bischöfen zu Advent eingeführte neue Einheitsübersetzung, bei der man mit wörtlichen und konkordanten Übersetzungen kein Problem hatte. (…) Nachdem „Magnum principium“ die Kompetenzen hinsichtlich Approbation und Rekognitio liturgischer Bücher geklärt hat, helfen in der Frage des Messbuchs keine Ausreden mehr. Die Verantwortung liegt bei den Bischöfen und sie sollten liefern.

In einem dritten Punkt lassen die beiden Gesprächspartner ebenfalls ein hohes Maß an Übereinstimmung erkennen – werden aber damit u.E. der tatsächlichen Lage in keiner Weise gerecht. Es geht um die neue „erweiterte“ Leseordnung, die von beiden prinzipiell positiv bewertet wird. Haunerland sieht darin „zumindest quantitativ“ einen „Riesenfortschritt“, Hoping immerhin noch einen „Gewinn“ - den die Bischöfe allerdings dadurch verspielt hätten, daß sie es ermöglichen, „aus pastoralen Gründen“ eine der nunmehr drei vorgesehenen Lesungen entfallen zu lassen. Dem ist einmal entgegenzuhalten, daß die heilige Messe nur sehr begrenzt ein Ort der Katechese sein kann, an dem das neue Testament möglichst vollständig vorgetragen wird und auch umfangreiche Texte aus dem alten Testament verlesen werden. Gewichtiger jedoch ist der Einwand, daß die neue Leseordnung ja das propagierte Ziel, den Gläubigen „den Tisch des Gotteswortes reicher zu bereiten“ (SC 51) bestenfalls der Menge nach erfüllt, inhaltlich aber dadurch konterkariert hat, daß viele unbequeme oder schwer verständliche Textstellen einfach ausgelassen werden oder „zwischen die Sonntage“ fallen. Das ist inzwischen so weithin bekannt und durch den „Index Lectionum“ von Hazell so eindeutig belegt, daß heute niemand mehr von „wirklichem Gewinn“ sprechen sollte, ohne rot zu werden.

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