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Der Beitrag des Novus Ordo zur Kirchenkrise

Bild: Screenshot aus dem genannten Youtube-VideoPeter Kwasniewski hat im Februar dieses Jahres auf der Lepanto-Konferenz einen Vortrag gehalten, der genau dieses beunruhigende Thema in den Mittelpunkt stellt. Einen Video-Mitschnitt (ca 50 Minuten) gibt es bei Youtube; eine für den Druck redigierte Fassung ist im Juli bei Rorate Caeli veröffentlicht worden.

Zum Beginn seiner Ausführungen setzt sich Kwasniewski mit der oft gehörten Version auseinander, die Liturgie der Kirche sei wegen des allgemeinen Glaubensverlustes in dem jämmerlichen Zustand, in dem wir sie heute sehen – die Reform Pauls des VI. sei demnach bereits als Reaktion auf die Glaubenskrise zu verstehen, quasi eine Aktion, die gut gedacht, aber schlecht gemacht worden sei. Dem setzt er als Gegenthese entgegen, die Liturgiereform sei tatsächlich die Ursache wenn nicht aller, sondern doch der meisten Erscheinungsformen der heutigen Kirchenkrise. Und er kommt zu einem Schluß, der viele Katholiken, die immer noch und trotz allem in der reformierten Liturgie ihre spirituelle Heimat sehen, schwer treffen muß: Wer angesichts des nicht mehr zu übersehenden Zerfalls an der Liturgi des Novus Ordo festhalte, mache sich, wenn auch vielleicht in einem passiven Sinne, mitschuldig an den davon ausgehenden Zerstörungen. 

Daraus leitet er nicht direkt die Forderung ab, überhaupt nicht mehr an der reformierten Liturgie teilzunehmen und ausschließlich die vorkonziliaren Riten zu praktizieren. Aber er führt doch aus, daß man sein eigenes Seelenheil gefährdet und dem Wohl der Kirche schadet, wenn man sich nicht soweit irgend möglich der überlieferten Liturgie zuwendet und alles in seinen Kräften stehende tut, sie zu fördern. Wörtlich schreibt er:

Es bedarf keiner Reform der Reform, es bedarf ihrer Zurückweisung und der Leistung von Buße. Es reicht nicht, Mißbräuche zurückzudrängen und hier und da traditionelle Elemente einzuführen - ein wenig Weihrauch hier, eine Baßgeige da, heute ein Introitus und morgen „ad orientem“. Das ist wie ein Pflaster auf einer schwärende Wunde oder Multivitaminpillen gegen Krebs. Hier ist etwas viel Radikaleres gefordert.

Der Bericht des Buches Exodus über das Goldene Kalb schließt mit der merkwürdigen Formulierung: Und der Herr schlug das Volk mit der Pest, weil sie das Kalb gemacht hatten, das Aaron gemacht hatte. (2. Mose 32, 29). Dieser Vers enthüllt die Wahrheit über ihre Komplizenschaft: Selbst wenn Aaron letztlich für die Herstellung des Goldenen Kalbs verantwortlich war, so hatte er dafür doch die Zustimmung des Volkes, das deshalb auch Anteil an seiner Schuld hat. Und ebenso tragen auch die Laien, die dem von Montini fabrizierten Novus Ordo anhängen, zu einem unterschiedlich großen Anteil Mitschuld an dessen Defekten.“

Das ist ein schwerer Vorwurf, Hier geht es weiter der bis jetzt – soweit von hier aus zu sehen ist – allerdings noch keine expliziten Reaktionen hervorgerufen hat – weder als Zustimmung noch als Abwehr. Er scheint auch nicht recht in die Landschaft zu passen, in der anderswo unter dem Banner „Unite the Clans“ zur Vereinigung der Kräfte aufgerufen wird. Und erst recht nicht in einer Situation, in der zumindest in Deutschland, in abgeschwächtem Maße aber auch in den USA, die modernistischen Teile der Kirche die Spaltung betreiben, um sich von dem „traditionalistischen Ballast“ zu befreien.

Trotzdem ist dieser Vorwurf ernst zu nehmen. Dabei kann es nicht darum gehen, die „Gültigkeit“ der Zelebration nach dem Novus Ordo zu bestreiten. „Gültig“ im gesetzlichen Sinne ist die Zelebration im ritus modernus sicher in den meisten Fällen, und ihn mitzufeiern kann auch denen, die das in der rechten Gesinnung vollziehen, die daraus hervorgehenden Gnadengaben vermitteln. Aber gleichzeitig trägt dieser Ritus durch die in ihm zum Ausdruck kommende „Häresie der Formlosigkeit“ dazu bei, die Gemeinden wehrlos zu machen gegenüber den Angriffen der Zeitgeisterei.

Ein Altarraum, der nicht mehr „Allerheiligstes“ ist, sondern oft nur als Tummelplatz der Eitelkeiten von Gemeinde-Aktivisten erscheint, ist nicht geeignet, den Glauben an die Realpräsenz Christi im Sakrament zu stärken. Das gleiche gilt von einem „Vorsteher“, der rein von der Anlage der Kirche her dem Tabernakel, dem „Zelt Gottes unter den Menschen“, ausgerechnet während der Messfeier den Rücken zuwendet. Und ja – die in vielen Gemeinden aktiven „Liturgieausschüsse, die streng nach Geschäftsordnung darüber entscheiden, welche der vielen Optionen für die „Gestaltung“ der Liturgiefeier am kommenden Sonntag ausgewählt werden sollen, sind Orte der praktischen Einübung von falschen Vorstellungen über „Demokratisierung“ der Gemeinde und von „Agieren auf Augenhöhe“ von Priester und Gemeinde. Diese Defizite haben selbst da ihre Auswirkungen, wo der Novus Ordo nach der Papierform korrekt gefeiert wird.

Eine Betrachtung der reformierten Liturgie, die hauptsächlich auf die Texte der Gebete und ihre Sprache abhebt, kann nur einen Teil seiner Problemstellen erfassen. Mindestens ebenso wichtig ist die Betrachtung der nichtsprachlichen Elemente, die vielleicht noch mehr als das Missale dazu beigetragen haben, die Häresie der Formlosigkeit in den Gemeinden zu verbreiten. Die Liturgie Pauls VI., so wie sie in vielen Gemeinden ganz ohne böse Absichten allsonntäglich begangen wird, war und ist in der Tat ganz wesentlich daran beteiligt, das Verständnis von „Kirche“ hervorzubringen, zu verbreiten und zu befestigen, das jetzt auf synodalen Wegen und mit einem Schlenker über den Amazonas die bisherige Gestalt der Kirche zu zerstören droht. Die in der Tat schon lange vor Konzil und Liturgiereform einsetzende Glaubenskrise - Stichworte Säkularisierung und Modernismus - tritt damit in ein neues, kritisches Stadium.damit 

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