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Unser Reich komme

Bild: Domradio/KNASeit diesem Sommer sollen Italiens Katholiken ein neues Vaterunser beten: „Und verlasse uns nicht in der Versuchung“ lautet nun die letzte Zeile in einem Text, der natürlich keine neue oder gar verbesserte Übersetzung ist, sondern wohlwollend betrachtet eine einseitige Kommentierung, und weniger wohlwollend eine Verfälschung. Wenn man den eindeutigen Befund des Neuen Testamentes zu Grunde legt: Dort ist der Text an zwei Stellen (Matthäus 6, 9-15 und Lukas 11, 2-4) in unterschiedlichem Umfang und mit Abweichungen im Wortlaut überliefert, aber ausgerechnet die fragliche Zeile stimmt sowohl in der griechischen wie in der lateinischen Version beide Male exakt überein, und an der Übersetzung, wenn man denn übersetzen will, gibt es keinen Zweifel: Und führe uns nicht in Versuchung – Punkt.

Die Stelle ist den Modernisten auch in Deutschland seit langem ein Gräuel, weil sie nicht so recht zu ihrem weichgespülten Gottesbild passen will; die für Italien (mit Billigung oder auf Anregung des Papstes) vorgenommene Änderung hat auch hierzulande unter Assistenz der üblichen Verdächtigen entsprechende Diskussionen ausgelöst. Die deutschen Bischöfe haben dem jedoch eine Absage erteilt und dabei durchblicken lassen, daß sie vielleicht gerne wollten, sich aber aus ökumenischen Rücksichten nicht trauen: Die Aufgabe von zweitausend Jahren katholischer Lehre und Tradition könnten sie vielleicht verschmerzen, aber gegen Luthers „Das Wort sie sollen lassen stahn“ wollen sie sich doch nicht versündigen: Da wäre mit den Protestanten keine Ökumene zu machen!

Eine der vorzüglichsten Eigenschaften des Teufels, die ihm aus seiner Herkunft als gefallener Engel geblieben sein mag, ist seine unglaubliche Geduld und Beharrlichkeit (wie jeder von uns aus seinem eigenen Sünderleben allzu gut weiß). Er akzeptiert „Nein“ niemals nicht als eine Antwort, und so liegt der Vorschlag vom Frühjahr auch im Herbst wieder auf dem Tisch, diesmal aperterweise als Redaktions-Umfrage von „Christ in der Gegenwart“, wo an zehnter Stelle gefragt wird: „Wie in Italien und Frankreich wäre es auch in Deutschland an der Zeit, die Übersetzung des Vaterunser-Gebets zu überarbeiten?“ Und Umfrageergebnisse, das wissen wir ja wohl, sind die Form, in der der hl. Geist von Modernistens Gnaden am liebsten zu seiner Kirche spricht.

Nun ist, unabhängig von eventuellen Ergebnissen, nicht anzunehmen, daß die ökumenischen Bedenken der DBK-Strategen in diesem Herbst leichter auszuräumen wären als im Frühjahr – auch dieser Vorstoß wird daher ergebnislos bleiben; aber „Nein“ ist eben niemals eine Antwort, und der Teufel hat alle Zeit der Welt.

Interessant ist auch ein Blick auf andere Abschnitte des Fragebogens, die anzeigen, wo die Redaktoren von Christ und Welt auch sonst noch der Schuh drückt. Die drei schönsten davon in Frageform übersetzt:

  1. Darf Gott auch in emanzipierten Zeiten „Vater“ sein?
  2. Ist das Wort „geheiligt“ heute noch verständlich?
  3. Ist das Reich Gottes eine Sache der fernen Zukunft – oder sollen wir für seine Verwirklichung im Diesseits arbeiten?

Gut, den Streit um a) gibt’s schon länger – er wird aber selten so dämlich ausgedrückt wie hier. Mit b) sind wir in der Nähe unseres Dauerproblems: Ist der „Mensch von heute“ liturgiefähig – vulgo: Hat er noch irgendeinen Sinn für das, was über die elementarsten Bedürfnisse und Notwendigkeiten der materiellen Existenz hinausgeht? Und lohnt sich die Mühe, ihm diesen Sinn vermitteln zu wollen? Je nach der Antwort darauf is c) dann nur noch eine Binse: Wenn der Horizont des „Menschen von heute“ keinesfalls über seine Kopf hinaus reicht und im Normalfall eher deutlich unterhalb verläuft, dann müssen wir „das Reich“ bereits im im Diesseits verwirklichen. Wessen Reich? Unser Reich, was denn sonst?

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