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Schluß mit den Lügen!

Bild: Wikimedia commonsWie realitätsblind muß man eigentlich sein, um die Tatsache, daß der Novus Ordo auch würdig und fruchtbringend gefeiert werden kann, als Beleg dafür anzuführen, daß das auch regulär so gemacht werde? Und dann zu fordern: die Tradis sollten sich mal nicht so haben mit ihrem Weihrauch und ihrem Latein und endlich die Erfolgsgeschichte der Liturgiereform anerkennen und sich so auch den Blick auf die Erfolgsgeschichte des II. Vatikanums öffnen. Schließlich lehre uns das Konzil, daß die Eucharistie Quelle und Gipfel des ganzen geistigen Lebens der Kirche sei – daher nun endgültig Schluß mit Debatten und Zwietracht. Und wären denn die großen Erfolge bei der Verkündung des Evangeliums in Asien und Afrika möglich gewesen, wenn die Kirche beim Latein stehen geblieben wäre?

So Autor Larry Chapp, von dem wir auch schon Vernünftiges gelesen haben, im National Catholic Register, in dem wir ebenfalls schon viel besseres gelesen haben, zum Jahrestag der Konzilseröffnung vor nunmehr 60 Jahren. Der Beitrag bzw. seine Argumentation verdient eine (begrenzte) Aufmerksamkeit, weil er typisch dafür ist, wie sich eine nach wie vor zahlenmäßig bedeutende Gruppe von Hyperloyalisten gegen die Einsicht abschottet, daß Pauls VI. Liturgiereform gründlich gescheitert ist – und damit die Zeit verlängert, bis die Kirche Mittel zur Heilung des Schadens anwenden kann.

Natürlich gibt es Beispiele dafür, daß der Novus Ordo würdig gefeiert werden kann. Man muß schon lange in Tradiland suchen, um eine verlorene Stimme zu finden, die das, wie Chapp suggeriert, grundsätzlich bestreitet. Und das von Chapp präsentierte Beispiel vom glorreichen Novus Ordo in der Diözese Lincoln in den späten 70er Jahren mag jüngere Leser ohne Kenntnis der amerikanischen Szene vielleicht beeindrucken – Tatsache ist jedoch, daß Lincoln unter nunmehr drei glaubenstreuen Bischöfen in Folge zwar die Dokumente des Konzils nach Kräften umgesetzt hat, dem „Geist des Konzils“ jedoch striktes Hausverbot erteilt hat. Dazu hat die Diözese früh ein eigenes Priesterseminar eingerichtet, in dem streng auf Lehrtreue geachtet wird – wofür sie jährlich mit einer Zahl von 2 – 5 Priesterweihen belohnt wird. Erst im letzten Jahr wurde erstmalig in der Diözese ein „ständiger Diakon“ geweiht, und Lincoln weigert sich bis zum heutigen Tage, Girl-Altarboys den Dienst am Altar zu gestatten. In Lincoln selbst ist eine Pfarrei der Petrusbruderschaft anvertraut, und auch eines (von 2) Seminaren der Petrusbruderschaft in den USA hat in der Diözese Aufnahme gefunden.

Hier geht es weiterWir können von hier aus nicht beurteilen, inwieweit es Lincoln gelungen ist, die verderblichen Auswirkungen des Konzilsgeistes und des aus ihm hervorgegangenen NO „in der Fläche“ fernzuhalten. Es liegt immerhin ein halbes Jahrhundert zwischen den von Chapp berichteten erfreulichen Zuständen der 70er Jahre und heute, aber einiges deutet darauf hin, daß Lincoln jedenfalls eine absolute Ausnahmestellung in den USA mit ihren fast 200 Diözesen einnimmt. Zugegeben, es gibt in den USA immer noch mehr nicht nur dem Namen nach katholische Pfarreien und Gemeinden als etwa in Deutschland, aber daß eine ganze Diözese von ihren Bischöfen seit Jahrzehnten auf katholischem Kurs gehalten wird, ist auch in Nordamerika eine große Ausnahme. Diesen extremen Sonderfall zu verallgemeinern und daraus abzuleiten, das Beharren der Anhänger der Tradition auf dem seit Papst Gregor überlieferten liturgischen Schatz sei unberechtigt und ungerecht, ist schlichtweg unredlich.

Der einzige Maßstab zur Beurteilung der pastoralen Wirksamkeit und geistigen Fruchtbarkeit des Novus Ordo kann darin bestehen, seine „Regelform“ (bzw. deren unüberschaubare Unterformen) und die damit fast ausnahmslos verbundenen Mißstände zu betrachten. Nicht alle diese Mißstände sind auf den ersten Blick erkennbar tödlich - aber die Ergebnisse langjähriger „Pastoral“ nach den Vorgaben des NO lassen von geringen Ausnahmen abgesehen keinen Zweifel.

Von den wenigen getauften Katholiken, die noch an der Sonntagsliturgie teilnehmen, weiß eine Mehrheit mit den Grundwahrheiten des Glaubens, nichts mehr anzufangen. Sünde, Erlösungsbedürftigkeit und Vergebung – Fehlanzeige. Ehe als Verbindung eines Mannes mit einer Frau zur Weitergabe des Lebens – das ist doch Mittelalter. Realpräsenz Christi in der Eucharistie – magische Vorstellung. Der Glaube, den das Konzil der Welt leichter verständlich darbieten wollte – wenigstens hat man uns das so gesagt – steckt nicht nur immer noch tief in der Krise – nein, er hat sich vielfach und über weite Flächen hin in Nichts aufgelöst, um von theologischen und moralischen Nichtsen wie McCarry, Cupich, Marx oder Bätzing weiter aufgelöst, buchstäblich vernichtet zu werden - und das alles unter Absingen von Lobliedern auf die glorreichen Reformen des glorreichen Konzils.

Alles Lüge, und käme es aus dem Mund des heiligen Stiefvaters selbst.

Und dennoch: Die traditionsorientierten Katholiken tun gut daran, den Gemeinden, die gegen den Geist des bei ihnen praktizierten Novus Ordo am katholischen Glauben festgehalten haben und nicht hinter Bätzing und Stetter-Karp hertaumeln, die ihnen vertraut und wertvoll gewordene Form des Gottesdienstes nicht wegnehmen zu wollen. Spiritualität gibt es (anders als Dogmatik) immer nur im Plural, und dessen war sich die Kirche mit ihrer Vielzahl an Riten und Frömmigkeitsformen stets bewußt. Es war der große Irrtum des blutleeren Intellektuellen Paul VI., anzunehmen, der „Mensch des 20. Jahrhunderts“ sei ein Kollektivphänomen, dessen gesamte Existenzbreite mit einer Kollektivspiritualität „abgedeckt“ werden könne – und diese Kollektivspiritualität dann autoritär durchsetzen zu wollen.

Es ist der noch größere Irrtum seines egomanischen und grobianischen Nachfolgers Franziskus, diesen bereits beim ersten Anlauf gescheiterten Versuch nun mit Traditionis Traditores (offiziell TC) ein weiteres Mal in Angriff zu nehmen. Auch wenn ein Bergoglio das noch weniger versteht als ein Montini: Gott hat den Menschen nicht nach seinem Bild und Gleichnis geschaffen, sondern nach SEINEM. Der Versuch, die über Jahrtausende hin unter Begleitung des Heiligen Geistes gewachsenen Formen des Gottesdienstes der Kirche durch eine kollektivistische Einheitsliturgie nach säkularen Rationalitätserwägungen zu ersetzen, ist letztlich eine der verhängnisvollsten Gotteslästerungen seit dem berühmten Täuchungsmanöver der Schlange unter dem Baum der Erkenntnis.

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Die Bildunterschrift vom „großen Umsonst“ verweist auf kritische Überlegungen des jungen Theologen Ratzinger zum 10. Jahrestag des Konzils, die wir vor zwei Jahren hier bereits ausführlich referiert haben.

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