Kapitulation vor der Moderne
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- 11. Oktober 2016
Anlässlich des Erscheinens seines Buches: „Wiederauferstehung inmitten der Krise: Die hl. Liturgie, die überlieferte lateinische Messe und die Erneuerung der Kirche“ hat Peter Kwasniewski dem Tschechischen Autor Andrej Kutarna ein Interview gegeben, dessen originale englische Fassung auf Rorate Caeli erschienen ist. Wir übersetzen daraus zwei zentrale Abschnitte.
Frage Kutarna: Der Titel Ihres Buches geht davon aus, daß die Kirche sich in einer Krise befindet. Können Sie etwas dazu sagen, wo Sie die Ursachen dieser Krise sehen?
Kwasniewski: Nun, diese Krise hat natürlich vielfältige Ursachen, und man kann nur schwer ein Hauptproblem ausmachen, zumal es da auch regionale Unterschiede geben mag – was auf Europa und Nordamerika zutrifft, sieht in Afrika oder Asien vielleicht wieder anders aus. Aber ich denke, wir können auif die Richtigkeit des Urteils von Joseph Ratzinger vertrauen: „Ich bin überzeugt, daß die Krise in der Kirche, die wir heute erleben, in großem Umfang auf die Zerstöruing der Liturgie zurückgeht“. (Milestones – Memoires 1927-77. Dieses Urteil wird von den Kardinälen Burke, Canizares-Llovera, Sarah und vielen anderen scharfsichtigen Beobachtern der Gegenwart geteilt.
In unserer Hast zum Dialog mit der Welt, in unserer Angleichung an die Ideen (und Idole) der Moderne und in der Begeisterung für pastoralen Aktivismus haben wir vergessen, daß Gott an erster Stelle steht, genauso wie das liturgische Gebet, die Tradition und die Gnade. Unser Herr hat uns zwar zugesagt, daß die Pforten der Hölle die Kirche nicht überwältigen werden – das heißt, irgendwo wird sie immer bestehen, bis Er wieder kommt. Aber er hat nie versprochen, daß jede Ortskirche bestehen bleibt, und so, wie der Islam schon im Altertum das Christentum in Afrika und Kleinasien ausgelöscht hat, so löscht der Geist der Kompromisse mit der Moderne das Christentum in der Wesltichen Welt der Gegenwart zunehmend aus. Es wird immer Inseln glaubenstreuer Katholiken geben, die an der Orthodoxie festhalten – das heißt an der richtigen Lehre und am rechten Gottesdienst. Aber nur wer blind und taub ist, kann bestreiten, daß es eine Krise des Glaubens gibt, und daß diese Krise durch die schlechten Entscheidungen und die irrige Philosophie der kirchlichen Hierarchie im vergangenen halben Jahrhundert vertieft worden ist.
Frage Kutarna: Wir in den Ländern hinter dem Eisernen Vorhang haben die nachkonziliaren Verirrungen vielleicht nicht in dem Ausmaß zu spüren bekommen wie Westeuropa oder die USA. Glauben sie, daß der Usus Antiquor auch unter unseren liturgisch eher konservativen Bedingungen von Bedeutung ist?
Kwasniewski: Dazu möchte ich zweierlei ausführen.
Erstens kommt immer deutlicher zu Bewusstsein, daß die Liturgiereform auf der Grundlage radikaler Prinzipien erfolgte, die sich dann auch in den Liturgischen Büchern niederschlugen. Ein Beispiel wäre die systematische Art, in der die Überarbeiter des Missales die Gedanken der Askese und der Geringschätzung der Welt (contemptus mundi), die doch einen so große Bedeutung für die katholische Spiritualität haben, heruntergespielt oder ausgemerzt haben. Ein anderes Beispiel ist die Einführung neuer Eucharistischer Hochgebete in den Römischen Ritus, obwohl dieser in Gestalt des altehrwürdigen Römischen Canons 1500 Jahre lang nur diesen einen gehabt hatte. In den Lesungen wurde „schwierige“ Passagen ausgelassen, die vorgelesen worden waren, soweit unsere schriftlichen Aufzeichnungen zurückreichen. Es gab auch Entstellungen im Stundengebet wie die Abschaffung des wöchentlichen Durchgangs durch den ganzen Psalter, die Auslassung „schwieriger“ Psalmverse und ernsthafte Eingriffe in die Texte der Hymnen. Das sind alles irritierende Neuerungen und enorme Abweichungen von einer ungebrochenen Tradition. Das sind sehr schwerwiegende Dinge, und zwar ganz unabhängig davon, ob die ars celebrandi ehrerbietig ist und die Rubriken und den Wortlaut der Texte beachtet.
Das Zweite: Es ist nur eine Frage der Zeit, bis der liturgische Liberalismus der anderen „fortgeschritteneren“ Länder sich auch in Osteuropa negativ auswirkt. Wir sehen, wie der politische, wirtschaftliche und kulturelle Liberalismus bereits begonnen haben, Osteuropa zu „kolonisieren“. Das wird ebenso mit liturgischen Missbräuchen, Neuerungen, und Irrlehren geschehen. Zum Beispiel hat Polen, lange eines der wenigen Länder, das sich gegen den Mißbrauch der Handkommunion stemmte, schließlich 2005 kapituliert – zweifellos auf den andauernden Druck des sogennanten „liturgische Establishments“. Es ist daher dringend notwendig, unsere katholischen Traditionen wieder zu entdecken, und das aus ihren reinen und frischen Quellen.
Eine deutsche Übersetzung des Buches von P. Kwasniewski wird im kommenden Frühjahr im Verlag der Una Voce erscheinen - wir halten Sie auf dem Laufenden.