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Die Passion dauert an - VI

Bild: WikimediaDie Situation der Kirche, des lebendigen Leibes Christi unter den Menschen, ist erschütternd – nach innen ebenso wie nach außen. Diese Passion immer wieder anzusprechen ist berechtigt und notwendig. Aber das darf nicht dazu verleiten, den eigenen Anteil daran zu übersehen oder klein zu reden. Das gilt auch und ganz besonders für die Anhänger der Tradition in Lehre und Disziplin, die vielleicht besser als viele andere wissen, was richtig und geboten ist – diesem Wissen aber in ihrem persönlichen Leben und in ihrem je eigenen persönlichen Verhältnis zum gekreuzigten Christus nicht mehr gerecht werden als andere. Wir haben diese Reihe zur Karwoche daher mit dem Zitat aus der Bearbeitung Paul Gerhardts vom letzten Hymnus der Oratio eröffnet: „Nun, was Du Herr erduldet, ist alles meine Last. Ich hab es selbst verschuldet, was Du getragen hast“.

Am heutigen Karfreitag daher zum Abschluss dieser Reihe die Übersetzung dieses letzten Gedichtes in der Fassung des Arnulph von Löwen, die Paul Gerhard zur Vorlage gedient hat. Vieles in dieser Fassung aus dem späten Mittelalter ist heutigen Lesern schwer eingängigoder mag uns vielleicht sogar peinlich berühren. Die Wahrnehmung des Verhältnisses zu Christus als Erlöser und die Art, dieses Verhältnis auszudrücken, hat sich in den vergangenen Jahrhundert vielfach geändert. Ob unbedingt zu unserem Vorteil, steht dahin. Und ist ein Flüchtlingsboot wirklich besser geeignet, Emotionalität zu kanalisieren – mit Blick über diese Welt hinaus? 

Oratio Rhytmica VII – ad caput

(Salve, caput cruentatum)

Sei gegrüßt, blutbeflecktes Haupt,
ganz mit Dornen bekrönt
zerschunden und verwundet,
mit dem Rohrstock geschlagen
das Gesicht von Spucke beschmutzt.
Sei gegrüßt, dessen süßes Gesicht
ganz verwandelt und ungestalt
seine Blüte ganz entstellt
hin zu einer Leichenblässe
die den himmlischen Hof erschüttert.

Alle Kraft und alle Stärke
sind verschwunden, nichts ist wohlgefällig,
der Tod zeigt sich in deinem Anblick,
wie Du ganz elend da hängst,
von grausiger Schwäche zermürbt.
So erschöpft und so verachtet -
für mich bist du so niedergemacht
und dem so unwürdigen Sünder
unter dem Siegel der Liebe
erscheine mit strahlendem Gesicht.

In diesem Deinem Leiden
erkenne mich, du guter Hirt,
aus dessen Mund ich Honig empfing
und von der Süßigkeit der Milch schlürfte,
vor allen anderen Köstlichkeiten.
Du mögest mich nicht als schuldig verwerfen
und nicht als unwürdig verschmähen
in deinem bereits nahenden Tode
neige Dein Haupt mir zu
und ruhe in meinen Armen.

Deines heiligen Leidens
lass mich mit Freuden teilhaftig werden
an diesem Kreuz mit Dir zu sterben -
gewähre mir als Verehrer des Kreuzes
daß ich unter deinem Kreuze stürbe.
Für deinen so bitteren Tod
sage ich dir Dank, lieber Jesus
der Du ein so gütiger und treuer Gott bist
gib, was dein Schuldner erbittet:
daß ich nicht fern von Dir enden möge.

Wenn ich dann sterben muss,
dann sei mir nicht fern
in der furchterregenden Stunde des Todes
komme, Jesus, ohne Verzug,
beschütze und erlöse mich.
Wenn Du mir befiehlst, (die Welt) zu verlassen,
Lieber Jesus, dann erscheine
als Liebender zur Umarmung
und zeige Dich mir dann
im heilbringenden Kreuz.

Eine Kommentierung der Oratio Rhytmica des Arnulph von Löwen und die lateinische Fassung dieses Hymnus sowie die Bearbeitung von Paul Gerhardt finden Sie auf hymnarium.de.

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