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Glanz edler Einfalt

Bild: Aus dem genannten Digitalisat der BnFAngeregt durch einen Artikel von Gregory di Pippo in New Liturgical Movement haben wir uns in den Schätzen der französischen Nationalbibliothek umgesehen, die zahlreiche liturgische Handschriften aus dem ersten Jahrtausend in hervorragender Qualität digitalisiert und online gestellt hat. Einige davon wie etwa das Sakramentar Karls des Kahlen (823 – 877) sind von großem künstlerischen Wert – Hier aus dem digitalen Facsimile der Bibliothek die Seite mit dem Te Igitur vom Eingang des Kanons. Andere haben hohe historische Bedeutung, weil sie Auskunft nicht nur die Messtexte, sondern auch über die konkrete Form der Messfeier zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort geben.
Als einen Verteter dieser Gruppe haben wir uns das Sacramentarium gregorianum aus der Abtei Corbie angesehen, dessen Entstehungsjahr mit 853 angegeben wird.

Dieses Sakramentar ist insgesamt in sehr schlichter karolingischer Schreibschrift (minuskeln) gehalten, mit Ausnahme einer Gedächtnisstütze zum Ablauf des Ordo Missae und dem Text des Kanons. Diese beiden Abschnitte sind auf purpurgetränktem Pergament aufgezeichnet – der Teil zum Ordo Missae in silbernen, der Kanon sogar in goldenen Buchstaben. Das Gold hat die über tausend Jahre gut überstanden, die Schrift ist auch für Nicht-Spezialisten der karolingischen Schriftformen relativ leicht lesbar. Die zum Kanon gerechnete Präfation hat folgenden Wortlaut:

Vere dignum et iustum est, aequum et salutare, nos tibi semper et ubique gratias agere. domine, sancte pater omnipotens aeterne deus, per christum dominum nostrum. per quem maiestatem tuam laudant angeli, adorant dominationes, tremunt potestates. caeli caelorumque virtutes ac beata seraphim socia exultatione concelebrant. cum quibus et nostras voces ut admitti iubeas deprecamur, supplici confessione dicentes. sanctus...

Das ist, Wort für Wort und nach Aufschlüsselung der Ligaturen und Abbreviationen auch Buchstabe für Buchstabe der exakte Text der „Gewöhnlichen Präfation“, die der überlieferte Ritus nach dem Missale von 1962 für alle Tage ohne besondere Präfation vorgibt – nur bei „exultatione“ fehlt ein in der heutigen Schreibung übliches „s“.

Es ist das die Präfation, die von modernen Liturgiewissenschaftlern gerne als unvollständiges „Rahmenformular“ bezeichnet wird, das dringend der Ergänzung durch Produkte ihrer eigenen Wissenschaft bedürfe – hier als heiliger Text hervorgehoben in goldenen Lettern auf purpurnem Untergrund!

Man weiß nicht, worüber man sich mehr wundern soll: Über den Mut, oder über den Übermut dieser Sorte Liturgietechnokraten, denen tausendjährige Traditionen nicht mehr geben als eine Gelegenheit zur Zurschaustellung ihrer eigenen Beschränktheit.

Bild: Sacramentarium_gregorianum_(Sacramentaire_grégorien_dit_[...]_btv1b8426288h

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