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Das Leben Mariens in Photos

Der gestrige zweite Sonntag nach Erscheinung mit dem Evangelium von der Hochzeit zu Kana gibt willkommene Gelegenheit zu einem Buch-Hinweis: Franz Michel Willam: Das Leben Marias der Mutter Jesu, erschienen in 1. Auflage 1936 bei Herder. Über 60 der ca 550 Seiten dieses Buches sind dem Wunder von Kana gwidmet, und jede davon verspricht dem Leser auch heute noch reichlichen Gewinn. Keine kleine Rolle dabei spielen die Bilder, die Willam bei einer Reise ins hl. Land in den 20er Jahren des 20. Jh. von dem Jerusalemer Photographen C. Raad bereitstellen ließ und deren Auswertung ein zentraler Bestandteil seiner Arbeitsweise ist. Das Alltagsleben, so setzt der volkskundlich bewanderte Autor mit guten Gründen voraus, hat sich in diesem Land zwischen dem 1. und dem 19. Jahrhundert in vielem nur wenig verändert: Man kann das Leben Mariens photographieren - 1925. Zweites zentrales Element ist dann ein absolutes Vertrauen in die Verläßlichkeit der der Darstellung in den Evangelien. Zunächst ein Bild, wie es sich wohl zwei Jahrtausende lang bei einer Hochzeitsfeier in Palästina bieten konnte, dazu Willams Kommentierung:

Das Bild gibt eine gute Vorstellung vom Getriebe bei einer orientalischen Hochzeitsfeier. Man kennt keine Tische mit eng aneinander gereihten Stühlen, auf denen man pflichtschuldig sitzen bleibt, bis alles vorüber ist. Ungezwungen geht man hin und her, ein und aus. Dafür besteht aber eine Bindung, die sich bei uns nicht so stark geltend macht: die Männer und die Frauen unterhalten sich getrennt. Rechts oben auf der Mauer sieht man Kinder und Frauen, sie schauen den Männern zu, die soeben einen 'Klatschreigen' aufführen. Die Männer stehen im Ringe und begleiten die Weisen, in die Vorsänger und Chorleute sich teilen, mit dem Klatschen ihrer Hände. Diese Reigen stellen uralte Volksüberlieferungen dar.Für das Empfinden der Einheimischen wirken diese Reigen nicht so weltlich oder kindisch wie für das Gefühl der Europäer. Nach dem Zeugnisse der Bibel wurden solche Reigen in alter Zeit auch bei religiösen Anlässen aufgeführt. Wenn der König David vor der Bundeslade tanzte, so handelt es sich hierbei um einen Schrittreigen. In einem Psalme sagt der Dichter, zum Lobe Gottes anfeuernd: „Sions Söhne sollen jubeln über ihren König, sie sollen seinen Namen preisen im Reigentanz!“ Auch heutzutage tauchen solche Reigen im Ablauf religiöser Feierlichkeiten auf.

Das Bild, das hier zu sehen ist, stellt z.B. einen Ausschnitt von der feierlichen Prozession dar, die beim Nebi-Musa-Feste von Jerusalem den Ausgang nimmt. Ähnliche Reigen führen christliche Männer in Verbindung mit einer kirchlichen Prozession an Weihnachten auf dem Hirtenfelde auf. - Bei Hochzeiten sind dieselben Reigen gebräuchlich. Das Schauspiel, das sich dabei dem Beschauer darbietet, unterscheidet sich in nichts von dem hier wiedergegebenen Bilde.“

Seine Kenntnisse der orientalischen Lebensweise vermitteln Willam die Fähigkeit, eindrucksvoll zu beschreiben, wie es bei einer Hochzeit wie der von Kana zugegangen sein muß - und was es bedeutete, wenn am zweiten oder dritten Tag der über eine Woche hingehenden Feiern plötzlich ein Rabbi mit Gefolge dazukam, der nicht nur „irgendwie" dazugehörte - schließlich war seine Mutter von Anfang an dabei und betreute mit anderen älteren Frauen die Zurüstungen im Hintergrund - sondern von dem es neuerdings hieß, er sei kein Geringerer als der sehnlichst erwartete Messias. Alles, was laufen konnte, strömte zum Fest - kein Wunder, daß sie keinen Wein mehr hatten.

So plastisch und liebevoll Willam die äußere Seiten der Abläufe schildert, bleibt er doch keinesfalls dabei stehen. Zu dem zunächst harsch erscheinenden „Frau, was habe ich mit Dir zu schaffen“ auf Marias Bitte um Hilfe (es war übrigens Pflicht der Gäste, einen Beitrag zum Fest zu leisten), führt er unter anderem aus:

Maria hatte erwartet, daß Jesus ihr eine Anweisung geben werde, was sie zu tun habe. Sie war über die Antwort Jesu sicherlich überrascht. Jesus hatte ihr jedoch zugleich angedeutet, daß nur die Stunde noch nicht gekommen sei, wo er ihre persönliche Mithilfe annehmen wollte. Über die Frage, ob er den Brautleuten helfen werde oder nicht, hatte er unmittelbar sich gar nicht geäußert. Dieser Umstand ließ aber Maria, die die Lage der Brautleute, die Sitten des Landes und die Güte ihres Sohnes kannte, in einem fraulich sicheren Vertrauen auch weiterhin auf eine Abhilfe Jesu hoffen. (...) Die Diener kannten Maria schon als Mitordnerin. Kam sie jetzt mit einem Auftrag zu ihnen, so setzte sie nur ihre Tätigkeit von früher fort. Und sie nahmen wohl an, daß Maria mit Jesus gesprochen habe. Sie mochten aus ihren Worten wohl auch entnehmen, daß Maria noch nicht genau wußte, was Jesus im Sinne trug.

Maria hatte sich so als die Magd des Herrn dem Willen Jesu auf die vollkommenste Weise unterworfen. Jetzt erfüllte Jesus den Wunsch Marias. Er erfüllte ihn aber nicht mehr aus einer Erwägung, die aus der allgemeinen Lage sich ergab, sondern im Hinblick auf Marias mütterlich ausharrendes Vertrauen, das ein Sinnbild und ein Anfang war für ihre künftige Stellung als die mütterlich vertrauende Fürbitterin. (...) Jesus half jedoch nicht wie ein gewöhnlicher Gast. Er half durch ein Wunder, das ihn selbst als den Erlöser offenbarte und zugleich die Hochzeit mit ihrer Notlage und ihrem späteren Überfluß zu einem Sinnbilde des kommenden Reiches und für die Stellung Marias im kommenden Reiche machte.“

Soviel aus dem viel umfangreicheren Text. Die Bücher Willams (es gibt auch einen Parallelband zum Leben Jesu) sind antiquarisch relativ leicht und preiswert zu bekommen. Vom Leben Marias gibt es auch eine Nachkriegsausgabe, die wegen textlicher Straffungen und Konzessionen an die „wissenschaftliche“ Theologie weniger empfehlenswert ist.

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