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Vidi Aquam

Bild: eigene AufnahmeNoch an vier Sonntagen wird zum Asperges vor dem sonntäglichen Hochamt die Antiphon Vidi aquam gesungen. Zumindest in den Gemeinden, die das sonntägliche Taufgedächtnis beibehalten haben und sich auch von der etwas schwierigen Melodie dieser Antiphon nicht abschrecken lassen.

„Vidi aquam egredientem de templo, a latere dextro, alleluja:
et omnes ad quos pervenit aqua ista, salvi facti sunt,
et dicent: alleluja, alleluja.“
„Ich sah Wasser fließen aus der rechten Seite des Tempels, Halleluja,
und alle, zu denen es kam, wurden heil,
und sie werden sagen: Halleluja, Halleluja.“

Die heilende und rettende Wirkung des Wassers, jeden Wassers, gehört im alten Orient und seinen weiten Wüstenregionen zu den ältesten Bildern für Leben und Erlösung. Es wird auch im Alten Testament und da besonders in den Psalmen immer wieder verwandt. Unmittelbar bezieht sich die Antiphon der römischen Liturgie auf die Tempelvision des Propheten Ezechiel im Kapitel 47, in der es zunächst heißt: (Der Engel)

...führte mich hinaus durch das Tor gegen Mitternacht und brachte mich auf den äußeren Weg zum äußeren Tor gegen Morgen; und siehe das Wasser quoll reichlich hervor zur rechten Seite“. (Vers 2) und später heißt es dann „Alles, was lebt und kriecht, bleibt bei Leben, wo immer der Strom hinkommt, und sehr viele Fische wird‘s geben, wenn dies Wasser dahin gekommen; alles, wohin der Strom kommt, wird heil und lebt.(...)Am Ufer des Stromes werden auf beiden Seiten allerlei fruchtbare Bäume wachsen; kein Blatt wird davon abfallen, und nimmer wird es ihnen an Früchten mangeln; alle Monate werden sie neue Früchte bringen, denn ihr Wasser fließt aus dem Heiligtum, ihre Frucht wird zur Speise dienen und ihre Blätter zur Arznei.“ (Vers 9,12)

Vom heilspenden Wasser ist auch im Neuen Testament immer wieder die Rede, insbesondere im Johannesevangelium, wo sich Jesus gegenüber der samaritanischen Frau selbst als die Quelle des lebendigen Wassers zu erkennen gibt:

Wenn du die Gabe Gottes erkenntest und wer der ist, der zu dir spricht: Gib mir zu trinken; so würdest Du ihn etwa gebeten haben, und er hätte dir lebendiges Wasser gegeben. (…) Jeder, der von dem Wasser (dieses Brunnens) trinkt, dürstet wieder. Wer aber von dem Wasser trinken wird, das ich ihm geben werde, den wird nicht mehr dürsten in Ewigkeit.“ (Johannes 4; 10,13)

Das Bild Ezechiels wird besonders eindrucksvoll aufgegriffen im neutestamentlichen Buch der Offenbarung, wo der Engel dem Seher das Himmlische Jerusalem zeigt, in dem es keinen Tempel gibt, weil die ganze Stadt der Tempel ist, in dessen Mitte der Thron des Lammes steht:

Und er zeigte mir einen Strom lebendigen Wassers, glänzend wie Kristall, der vom Throne Gottes und des Lammes hervorkam. In der Mitte ihres Platzes und von beiden Seiten des Stromes war der Baum des Lebens, der zwölf Früchte trägt, jeden Monat seine Frucht, und die Blätter des Baumes dienen zur Gesundheit der Völker. Und nichts verfluchtes wird mehr sein, sondern der Thron Gottes und des Lammes wird in ihr sein, und seine Knechte werden ihm dienen. (22, 1-3).

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Für die Zitate aus der Heiligen Schrift haben wir auf die Allioli-Übersetzung des 19. Jahrhunders zurückgegriffen, nachdem uns die Einheitsübersetzung des Jahres 2016 für Ezechiel 47 folgendes zumuten wollte:

Dann führte er mich durch das Nordtor hinaus und ließ mich außen herum zum äußeren Osttor gehen. Und siehe, das Wasser rieselte an der Südseite hervor.“

„Rieseln“ und „Südseite“ sind Verfälschungen des von der Vulgata (auch noch der Neo-Vulgata!) in Übereinstimmung mit der Septuaginta gebrachten Wortlautes, der eindeutig von „hervorströmen“ und „rechte Seite“ spricht. Das war die Prophezeiung: Der Strom der Gnade fließt aus der durchbohrten Rechten des Erlösers. Mag sein, daß die 500-800 Jahre nach der griechisch-jüdischen Septuaginta vielfach in Abgrenzung vom Christentum redigierte masoretisch-hebräische Fassung des AT die Wiedergabe „rieseln“ und „Südseite“ nahelegt. Diese Version in einer katholischen Bibelübersetzung aufzugreifen, kann nur als Ausdruck des Willens zur Verfälschung der biblischen Grundlagen des christlichen Glaubens verstanden werden.

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