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Der Kardinal und die Päpstin

Bild: Werbematerial des Metropolitan MuseumDie Empörung ist berechtigt: Bei einer Fundraising Gala des Metropolitan Museum of Arts in New York (Ticketpreis 30 000$, der Ertrag kommt der Kostüme-Sammlung des Museums zugute) sind die Größen des Showgewerbes in Kostümen aufgetreten, die Paramente oder klerikale Amtskleidung nachäffen sowie Zeichen und Symbole persiflieren, die Katholiken heilig und teuer sind. Gleichzeitig wurde im Museum eine angeblich seriöse Ausstellung mit Originalstücken kirchlicher Paramentenkunst sowie modernen Kostümen eröffnet, zu der auch die Sakristei des Vatikans besonders prächtige Exponate beigetragen hat – insgesamt 40 Teile. Motto der Ausstellung: Heavenly Bodies – Fashion and the Catholic Imagination.

Nun sehen wir uns aufgefordert, gefälligst zu differenzieren: Die Mitra samt stilistisch nun gar nicht passender Blümchenkutte, mit der Skandalnudel Rihanna das erlesene Publikum – darunter auch die kirchliche Betriebsnudel vom Dienst, Kardinal Dolan – zu Begeisterungsstürmen hinriß, war schließlich keine Leihgabe des Vatikans, und auch sonst nichts von den bei der Gala präsentierten Requisiten war kirchlicher Herkunft. Der Affenzirkus für die Reichen und Schönen und die seriöse Ausstellung des seriösen Museums hätten nichts miteinander zu tun – außer dem gemeinsamen Veranstalter, dem gemeinsamen Ort in der Stadt und dem gleichen Tag im Kalender.

Ach ja.

Nach Selbstdarstellung der Ausstellung in Presse und Internet-Trailer zur Ausstellung (dem entstammt das oben gezeigte Bild)  ist das eine blanke Lüge. Die „catholic imagination“ des für das Konzept verantwortlichen Kurators Andrew Bolton, eines der dauerpubertierenden Clowns im internationalen Kulturzirkus, besteht im wesentlichen darin, die traditionelle Paramentik der Kirche nach der aktuellsten Mode zu zergendern und zu verschwulen: Bischöfin, Kardinälin und Päpstin bestimmen das Bild, teils mit rubensmäßig schwellenden Kurven, teils eher knabenhaft angesext, für jede Geschmacksrichtung etwas. Da macht sich natürlich die Beigabe einer echten Mitra aus der Sakristei des Petersdoms – es ist die von Pius IX. – besonders apart.

Diese Kontextualisierung konnte natürlich auch den römischen Verantwortlichen für die Bereitstellung der Stücke aus der Sakristei von Sankt Peter nicht verborgen bleiben – das Konzept wurde monatelang vor Sponsoren und Leihgebern ausgebreitet.

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Der päpstliche Kulturrat unter Kardinal Ravasi rechtfertigt nun seine Zustimmungzur Ausleihe damit, die Kunstwerke aus dem kirchlichen Kult einer vergangenen Epoche hätten eine solche Potenz als „Zeichen der Transzendenz“, daß man jede Möglichkeit nutzen wolle, diese in den „Dialog zwischen Kirche und Welt“ einzuführen. Was natürlich zunächst einmal die Frage provoziert, warum man diese anscheinend auch in der Moderne noch wirkmächtigen Gegenstände ihre Kraft nicht in ihrem eigentlichen Zusammenhang ausüben läßt: Im Gottesdienst zur höheren Ehre Gottes und zur Erbauung der Seele der Gläubigen.

Aber da muß es ja Polyester sein, pflegeleicht, oder Baumwolle, gebatikt in der Beschäftigungstherapie. Für den „Abendmahlsbecher“ handgetöpfertes. Dazu im neuen Pontifikat abgelatschtes Schuhwerk zum Hochamt – seht her und bewundert, wie demütig wir sind.

Doch das ist nicht die einzige Frage, die den Verantwortlichen zu stellen wäre. Die offizielle Kirche hat in den vergangenen 5 Jahrzehnten den Großteil ihres sichtbaren kulturellen spirituellen Reichtums abgestoßen: Von der das Abendland ein Jahrtausend lang prägenden Architektur des Kirchenbaus über die religiöse Malerei und die ihr eigenen Musikrichtungen bis eben zu den gottesdienstlichen Gerätschaften und den Paramenten. Oft genug wurde dann das, was der Kirche angeblich nicht mehr zeitgemäß genug war, ganz oder in Teilen von der Unkultur des Zeitgeistes ausgeschlachtet und gewinnbringend recycled – letztes und vielleicht irritierendes Beispiel die uralten Gesänge der Gregorianik, die ihres sakralen Inhalts beraubt und für die pop-musikalische Verkleidung neu-heidnischer oder spiritistischer Sentiments nutzbar gemacht worden sind. Gerade auch dafür bietet der bereits genannte Werbefilm des Museums Beispiele. 

Ursache des freilich sehr partiellen Erfolgs solchen Recyclings mag durchaus eine bei vielen Menschen vorhandene Ahnung der auch heute noch spürbaren geistigen Substanz christlicher Kunst sein. Doch die als Begründung der Ausleihe genannte Hoffnung, das spirituelle Potential der kirchlichen Kunst nach seiner im Modernisierungstaumel erfolgten Vertreibung aus der Liturgie auf dem Umweg über die Präsentation im Museum – sei es das renommierte Metropolitan in New York oder das Diözesanmuseum in Marxhausen – für die Gegenwart zu aktivieren, kann nicht überzeugen. Wer die aus ihrem inneren Geist geborene Kunst der Kirche ausgerechnet für das Museum reanimieren will, setzt sich dem Verdacht aus, letztlich die Kirche selbst, wie sie in den letzten 2000 Jahren auf der Erde gewirkt hat, nur noch als Museumsstück zu begreifen: Schön anzusehen, aber so für die Anforderungen der Gegenwart leider, leider nicht zu verwenden.

Darüber hinaus ist mit der Verschleuderung der Kirchenschätze an die Popkultur stets das Risiko eines moralischen Verschleißes der ursprünglichen Substanz verbunden – gerade so, wie sich das jetzt auch bei der Show und der Ausstellung der Heavenly Bodies bewahrheit: Mitra und Engelsflügel, als Gags präsentiert von den lautstärksten Sprachrohren für Genderwahn und Abtreibungskult, laufen Gefahr, unheilbar kontaminiert aus dieser Art von Popularisierung hervorzugehen, in ihrer ursprünglichen Sinnhaftigkeit und Verwendung auf Dauer beschädigt.

Was vielleicht durchaus im Sinne der nichtswürdigen Herrschaften ist, die lieber in Jeans und kurzen Ärmeln vorstehen – bei was eigentlich noch mal?

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Zum Thema sind inzwischen vor allem im englischen Sprachraum buchstäblich hunderte von Artikeln erschienen. Aus vielen lesenswerten nur zwei besondere Empfehlungen: When Rihanna dressed as the pope in Religion News Service und The MET Gala and the Consequences of Catholic Cultural Indifference auf OnePeterFive.

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