„Die Liturgie beten“
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- 04. Dezember 2019
Auf einer liturgischen Konferenz im Thomas-Aquinas-College hat Dom Alcuin Reid im November einen Vortrag „Praying the Liturgy“ gehalten. Das Audio ist im Netz abrufbar. Eine von Reid selbst verfaßte Zusammenfassung wurde am 3. Dezember auf New Liturgical Movement veröffentlicht – wie haben sie ins Deutsche übersetzt:
Die heilige Liturgie ist keine Aktivität wie andere. Sie hat ihre eigene Sprache – zumindest hatte sie das einmal. Aber diese Sprache besteht nicht zuerst und hauptsächlich aus Worten. Es ist eine der Paradoxien unserer Zeit, daß die Einführung der Umgangssprache dazu geführt hat, daß wir die Liturgie in erster Linie als gesprochenen und unmittelbar verständlichen Text betrachten. Ganze Generationen haben so die Erwartung entwickelt, daß alles in der Liturgie so verständlich und unmittelbar wäre wie all die Nachrichten oder Information, die sie im Druck oder auf dem Bildschirm und ihren Smartphones erhalten.
Sicher, die Riten der Liturgie sind mit Worten verbunden, und ihre Bedeutung sollte letztlich von unserer Verständnisfähigkeit erfasst werden können – im Fall der Verwendung des Latein mit Hilfe eines muttersprachlichen Missales oder Messbegleiters. Aber in unserer mit Sprache durchtränkten Gesellschaft haben wir vielleicht vergessen, daß die Liturgie primär ein Tun und nicht ein Gespräch ist. Die Liturgie ist nicht die Menge der Wörter, die man uns vorliest, oder die wir selber lesen. Sie ist ein Ritus, ein Komplex von Handlungen, Gesten und Tönen in einer bestimmten Ordnung. Ja – da ist auch Sprache beteiligt – aber der liturgische Gebrauch der Sprache übersteigt die zielgerichtete Mitteilung von Informationen und Ideen, wie wir sie gewohnt sind.
In der Liturgie ist nicht allein das, was gesagt wird, von Bedeutung – eher kommt es darauf an, was getan wird. Und es kommt nicht so sehr darauf an, was wir tun, sondern auf das, was der allmächtige Gott tut. In der Liturgie geschieht etwas, das wir nicht tun können. In die Dynamik dieses Geschehens, dieses tuns, müssen wir uns einordnen. Das bedeutet „tatsächliche Teilnahme“ an der Liturgie.
Was in der Liturgie geschieht wird nicht von uns, sondern von Christus getan. Die Liturgie ist der Gottesdienst, der von Christus in seiner Kirche Gott dem Vater durch die Kraft des Heiligen Geistes dargebracht wird. Das ist nichts, das primär auf uns zurückgeht. Durch das Recht unserer Taufe sind wir befähigt, an diesem Opfer teilzunehmen. Tatsächlich ist es unsere durch die Taufe verliehene Pflicht, das nach unseren besten Fähigkeiten und entsprechend unserer jeweiligen Berufung zu tun. Doch in erster Linie ist die Liturgie das Handeln Christi in der Welt, das er heute durch die Riten der Kirche vollbringt. Deswegen und dadurch können wir Anteil haben an seinen Heilstaten, an der Erlösung, die er für unsere Sünden am Kreuz vollbracht hat und an der Hoffnung auf das ewige Leben, das er uns mit seiner glorreichen Auferstehung gezeigt hat. In einem Satz: Die heilige Liturgie ist Christi Heilshandeln in der heutigen Welt. …
Das Verständnis der Liturgie als einer Handlung – nicht eines Textes – und tatsächlich einer Handlung, die zuerst und wesentlich von Christus selbst vollbracht wird, ist von ausschlaggebender Bedeutung für unsere Teilnahme an jeder Art von Liturgie , wenn wir uns wirklich bewußt und handelnd an diesem Tun beteiligen wollen, wenn wir die Heilige Liturgie wirklich beten wollen. Andernfalls bleiben wir bloße Zuschauer, möglicherweise gelangweilt, vielleicht aber auch einer, der sich gut unterhält.. Aber die Liturgie ist kein Schauspiel und keine Unterhaltung, der man zuschaut. Sie ist eine Handlung, an der wir uns beteiligen sollen. Sie ist Gottesdienst, und sie ist Gebet. …
Deshalb bedeutet das Gebet der Liturgie, also die tatsächliche oder, wie man manchmal sagt, auch ‚aktive‘ Teilnahme an der Liturgie, nicht so sehr eine Sache der richtigen Worte, der korrekten Antworten oder des Mitsingens (das sind Mittel, keine Ziele), sondern es geht darum, sich selbst in die Handlung der Liturgie hinein zu versetzen, sich selbst aufzugeben und zuzulassen, von dieser Handlung erfasst zu werden.