Quatember im Advent
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- 18. Dezember 2019
Mit dem Mittwoch nach dem 3. Adventssonntag, kurz vor Anbruch der astronomischen Winterzeit, beginnt nach der Tradition die Winter-Quatember. Im Zuge der nachkonziliaren Liturgiebrüche wurden die traditonellen Termine aufgegeben bzw. in das Belieben lokaler Bischofskonferenzen gestellt. In Deutschland rückte die Winterquatember in die Woche nach dem ersten Adventssonntag. Irgendein sachlicher Grund für diese „Verrückung“ ist nicht zu erkennen. Sie erfolgte wohl vor allem aus Lust am „alles anders“, und „selbst bestimmen“ – so ist es letztlich nur konsequent, daß der solcherart aus dem kosmischen Bezug gelöste und beliebig gemachte jahrtausendealte Brauch fast vollständig vergessen worden und verlorengegangen ist.
Im Schott Online, den wir hier als Referenz für die allgemeine Praxis im Novus Ordo verwenden, ist auch in der Woche nach dem 1. Adventssonntag die Quatember unerwähnt. Die liturgischen Besonderheiten der Quatembertage sind restlos verschwunden. Allerdings bleibt in den Werktagsmessen des Advents – soweit diese nicht durch Feste verdrängt werden, die Orientierung an messianischen Texten des alten Testamentes erhalten. Und hier haben die Lesungen aus dem Alten Testament – anders als an vielen Tagen „im Jahreskreis“ – ihren einleuchtenden und nachvollziehbaren Sinn.
In der überlieferten Liturgie sind die Messen der Quatembertage im Advent durch einen außergewöhnlichen Reichtum an Lesungen und Gesängen gekennzeichnet – insbesondere der Quatembersamstag. Während der Mittwoch neben dem Evangelium nur zwei Lesungen hat, sind für diesen Samstag sogar 6 zusätzliche Lesungen vorgesehen. Mit einer Ausnahme sind diese adventlichen Lesungen alle dem Propheten Isaias entnommen – dem großen Künder des kommenden Messias aus der Zeit des 8. Jahrhunderts vor Christi Geburt. Dazu kommt dann am Samstag die Lesung aus der 2. Epistel des hl. Paulus an die Thessalonicher, in der der Apostel die Gemeinde auf die 2. Wiederkunft des Herrn vorbereitet. Zwischen diesen Lesungen erfolgen Psalmengesänge (Graduale) und Fürbitten-ähnliche Orationen, wie am Karfreitag, sie werden auch wie dort mit dem Oremus – flectamus genua – levate eingeleitet.
Da, wo die Liturgie nach dem überlieferten Missale gefeiert wird, konkurrieren allerdings am Quatembersamstag des Advent zwei unterschiedliche Traditionen miteinander: Neben der eigentlichen Quatember-Messe steht auch die als Rorate-Messe gefeierte Messe der hl. Gottesmutter zur Wahl, ihr wird oft der Vorzug gegeben. Einmal, weil nur in den seltensten Fällen die Möglichkeit besteht, die originäre Quatember-Messe wie es ihrem Aufbau am besten entspricht als Weihemesse zu feiern, dann aber auch, weil die vor Tagesanbruch nur bei Kerzenlicht gefeierte Rorate-Messe für viele Gläubige einen emotionalen Höhepunkt des Kirchenjahres bedeutet.
Dagegen ist nichts zu sagen. Allerdings ist dafür auch ein Verlust in Kauf zu nehmen: Die Messe des Quatembersamstages im Advent ist von allen Adventsmessen diejenige, die die Erwartung des Herrn am stärksten zum Ausdruck bringt. Sie ist vieleicht am tiefsten von allen Liturgien in der Tradition des auserwählten Volkes verankert. Gleichzeitig macht die Auswahl aus den Prophetien des Isaias schon von der ersten Lesung an deutlich, daß der Messias zwar aus dem Volk Israel stammt, sein Erlösungswerk jedoch allen Menschen auf der ganzen Erde zugute kommen soll: Alle, die ihm folgen, werden zu den neuen Auserwählten gehören:
Ja, erkennen werden die Ägypter (= Heiden) den Herrn an diesem Tag und ihn Ehren mit Opfern und Gaben. Gelübde werden sie dem Herrn ablegen und Erfüllen. So wird der Herr Ägypten mit Unglück schlagen und dann heilen. Sie werden sich zum Herrn bekehren, und versöhnen wird sich mit ihnen und sie Heilen der Herr unser Gott. (Is. 19)
Auch die zweite Lesung hat die ganze gefallene Schöpfung im Blick:
Freuen wird sich die öde, unwegsame Wüste, und blühen wie eine Lilie. Sie wird sprossen und grünen und frohlocken in Freude und Jubel... Sie werden schauen die Herrlichkeit des Herrn und die Schönheit unseres Gottes. (Is. 35)
Die dritte Lesung spricht dann das Volk Israels direkt an:
Steige auf einen hohen Berg, der du die Freudenbotschaft bringst für Sion, erhebe mit Macht deine Stimme, der du die frohe Botschaft bringst (evangelizas) für Jerusalem: rufe laut und fürchte nichts! Sag den Städten Judas: Seht, da ist euer Gott! Seht Gott der Herr kommt mit Macht, und sein Arm wird herrschen. (Is. 40)
Die 4. Lesung bringt die Perikope aus Isaias, in der der Herr den Heidenkönig Cyros zu seinem Werkzeug erklärt:
Du sollst wissen, daß ich der Herr bin, der dich bei deinem Namen ruft, der Gott Israels. Um meines Knechtes Jakob und um Israels, meines Auserwählten willen, rief ich dich bei deinem Namen, ich habe dich angezogen, noch ehe du mich kanntest. Ich bin der Herr, und keiner sonst ist es. (Is. 45)
Mit der 5. Lesung wendet sich die Liturgie von den Prophezeiungen ab und dem Thema der Priesterweihen zu: Vor der Weihe der Subdiakone wird als Lesung der Abschnitt aus dem Propheten Daniel vorgetragen, der vom Martyrium der drei Jünglinge im Feuerofen berichtet: Ihre Standhaftigkeit soll den nun zu Subdiakonen zu Weihenden und damit in den Klerus aufzunehmenden Männern Vorbild sein. Man kann wohl annehmen, daß der so begründete Vortrag dieser Perikope den Anstoß dafür gab, das Gedenken der Drei in der Zeit der Winterquatember zu feiern – am 17. 12. , also in diesem Jahr am Dienstag.
Die 6. Lesung, die Epistel, zitiert aus dem 2. Brief des hl. Paulus an die Thessalonicher die Passage, in der er die Gläubigen zur Standhaftigkeit in den Bedrängnissen vor der in naher Zukunft erwarteten Wiederkunft des Herrn ermahnt. Damit sind die anschließend zu Diakonen zu weihenden jungen Männer ebenso angesprochen wie der Advent als Vorbereitung auf die zweite Wiederkunft.
Nur durch den Gesang eines Tractus von der Diakonenweihe getrennt erfolgt die Weihe der Priester, daran anschließend als 7. Lesung und Evangelium der feierliche Bericht des hl. Lukas von der Berufung des Vorläufers Johannes. Auch diese Lesung richtet sich damit sowohl an die neu Geweihten, denen sie ihre übernommenen Aufgaben vor Augen stellt, als auch an die ganze Gemeinschaft der Gläubigen:
Bereitet den Weg des Herrn, macht gerade seine Pfade. Jedes Tal soll ausgefüllt und jeder Berg und Hügel abgetragen werden! Was krumm ist, soll gerade, was uneben, soll ebener Weg werden! Und alles Fleisch wird schauen Gottes Heil.
Diese Perikope ist auch im Novus Ordo dem Advent nicht verlorengegangen - sie wird nun am 2. Adventssonntag vorgetragen