Agatha-Prozession in Catania
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- 29. Januar 2020
Mit einer eindrucksvollen Bilderserie vermittelt New Liturgical Movement seinen Besuchern einen Eindruck von den Agatha-Feiern, die immer im Januar im Sizilianischen Catania stattfinden An zwei aufeinanderfolgenden Tagen erinnern die Bürger der im Radius der Aschenregen des Ätna liegenden Stadt mit Prozessionen und Gottesdiensten an eine der Heiligen zugeschriebene wunderbare Rettung der vor einem Vulkanausbruch im 3. Jahrhundert. Damals habe sich – so geht die Legende – ein mächtiger Lavastrom auf die Stadt zubewegt und große Furcht ausgelöst. Schließlich hätten sich die damals noch heidnischen Bewohner in ihrer letzten Not an die ein Jahr zuvor wegen der Verteidigung ihrer im christlichen Glauben begründeten Jungfrauschaft unter großem öffentlichem Spektakel hingerichtete Agatha erinnert. Sie hätten den Schleier der Märtyrerin von ihrem Grab geholt und seien damit der Lava entgegengezogen, die tatsächlich kurz vor der Stadt zum Stehen kam. Und mit eben diesem Schleier, der seit Jahrhunderten in Silber kostbar gefasst wird, ziehen die Catanier also in Jedem Jahr durch ihre Stadt – die Bürgermeisterin (wenn wir das oben gezeigte Bild der Serie recht deuten) ganz vorne mit dabei.
Was für eine Vorlage für einen religionskritischen Artikel, der nicht nur die Legende gründlich zerpflückte, sondern auch die Verflechtung von Kirche und Stadt (nicht zu vergessen die in Sizilien stets vorausgesetzte Beteiligung der Mafia) kritisch beleuchtete und schließlich beklagen würde, welche Macht der Aberglaube (und die Kommerzinteressen des Fremdenverkehrs) noch immer auf die unaufgeklärten Bewohner Siziliens ausübten.
Könnte man so machen.
Man kann das Spektakel aber auch als Beispiel dafür sehen, wie die Tradition die Menschen mit „niederschwelligen Angeboten“ in ihren Bann zog und ihnen Gelegenheit gab, einzelne Elementen der kirchlichen Lehre kennen zu lernen, sich vielleicht sogar damit zu identifizieren. Dabei könnte allerdings ein bemerkenswerter Unterschied zu dem sichtbar werden, was heute oft als „niederschwelliges Angebot“ praktiziert und angepriesen wird. Also daß man ein aktuelles Thema diskutiert oder eine künstlerische Darbietung veranstaltet, das auch jede Partei diskutieren oder ein beliebiger Verein veranstalten könnten – aber das im Raum der Kirche und in der Illusion, damit die wenigen Teilnehmer (denn die kennen das alle aus dem Fernsehen viel perfekter) näher an die Kirche herangebracht zu haben. Zumal man bei solchen Veranstaltungen dann eigene Positionen oder kritische Gegenstände wie etwa Agathas Jungfrauenschleier tunlichst meidet und statt dessen auf Kompatibilität mit dem Zeitgeist setzt: Seht her: Wir sind doch gar nicht so anders!
Ein bißchen von diesem unentbehrlichen und unaufgebbaren Anders-Sein scheint uns in den Bildern aus Catania 2020 sichtbar zu werden – und damit auch die Chance, daß schon das Dabeisein bei einem derartigen traditionellen Schauspiel die alltags in der Stadtverwaltung oder meinetwegen auch bei der Mafia tätigen Mitwirkenden und Zuschauer nicht nur da anspricht, wo sie stehen – um sie dort stehen zu lassen – sondern auch ein wenig den Blick auf Dinge richtet, die über diesen Alltag hinausgehen.