Vor dem Fasten: Die Klage Adams
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- 24. Februar 2020
Mit dem Sonntag Quinquagesima ist es ernst geworden: Der Aschermittwoch und damit die eigentliche Fastenzeit rücken in greifbare Nähe. In der Kirche des Westens ist der Aschermittwoch einer der wenigen überhaupt noch übrig gebliebenen gebotenen Fasttage; im Osten sieht man das wesentlich strenger, und oft nicht nur in der Theorie: Dort markierte bereits der zweite Sonntag der Vorfastenzeit den Abschied von allen Fleischspeisen, und ab dem dritten, der in diesem Jahr auf den 1. März fällt, folgen alle anderen tierischen Produkte: Milch, Eier, Käse und Fisch – bis Ostern also streng vegan.
Früher begann in großen Teilen der Kirche mit der Vorfastenzeit das neue Kirchenjahr – im Brevier kann man das noch daran erkennen, daß in den Lesungen der Matutin mit dem Schöpfungsbericht aus dem ersten Kapitel des Buches Genesis ein neuer Zyklus einsetzt. Der Sündenfall folgt dann bereits am Mittwoch der ersten Woche; am Sonntag Sexagesima sind wir beim Bericht von der Sintflut und der Errettung Noahs, und an Quinquagesima erinnert die Lesung an die Berufung Abrahams: „Ziehe fort aus deinem Land, aus deiner Verwandtschaft und aus dem Haus deines Vaters in das Land, das ich dir zeigen werde. Ich will zu einem großen Volk machen. Ich will dich segnen und deinen Namen berühmt machen und du sollst anderen zum Segen werden“.
Die Kirche des Ostens folgt einer anderen Leseordnung, aber auch sie greift am letzten Sonntag der Vorfastenzeit, der auch Vergebungssonntag genannt wird, auf das alte Testament zurück und gedenkt des Sündenfall und der Vertreibung des Menschen aus dem Paradies. Die Brücke zwischen Vergebung und Vertreibung bildet der Gedanke, daß Reue und gegenseitige Vergebung die Voraussetzung dafür bilden, die Fastenzeit fruchtbringend zu durchleben und so auch der Vergebung Gottes und der Rückkehr in das verlorene Paradies der gottgewollten Ordnung wieder näher zu kommen.
Berührenden Ausdruck findet diese Stimmung im Hymnus (wie wir Lateiner sagen würden) „Sedje Adam prjamoj paradise“ zur Vesper des Vergebungssonntags „Adam saß vor der Tür zum Paradies und weinte“. Hier auf Youtube.
Adam saß vor der Tür zum Paradies,
beklagte seine Nacktheit und weinte laut:
Weh mir, ich habe auf verderblichen Trug gehört
Ich habe meine Herrlichkeit verloren und werde ausgestoßen.
Weh mir! Mein Leichtsinn läßt mich nackt und verloren zurück.
Deiner Wonnen, o Paradies, kann ich mich nicht länger erfreuen,
Und meinen Herrn, meinen Gott und Schöpfer kann ich nicht mehr sehen.
Aus Erdenstaub hat er mich gemacht, und zum Erdenstaub kehre ich zurück.
Ich bitte Dich, barmherziger Herr: Erbarme Dich meiner, ich habe gesündigt.
Übersetzt nach einer englischen Fassung im offiziellen liturgischen Material der Orthodox Church of America