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Longinus - der Mann mit der Lanze

Bild: Wikimedia CommonsAktualitäten haben uns davon abgehalten, einen Blick ins Martyrologium Romanun zu werfen, und so entging uns am 15. März der Eintrag: „Gedenktag des Martyriums des hl. Soldaten Longinus zu Caesarea in Kappadokien, von dem man annimmt, daß er die Seite des Herrn mit der Lanze durchbohrt habe“. Das sei daher hier nachgetragen.

Auf dem Bild der Kreuzigung aus dem syrischen Rabbula Evangeliar – es ist die früheste überlieferte Kruezigungsdarstellung überhaupt – ist Longinus als Einziger mit Namen hervorgehoben: Als der Soldat, der mit der Lanze die Seite Christi öffnet, um sicher zu stellen, daß der Gekreuzigte tot ist. Die andere Figur, die den Mann darstellt, der dem Sterbenden vorher den Schwamm mit Essig gereicht hatte, bleibt namenlos. Die Tränkung mit dem Essigschwamm ist in den drei Passionsberichten bei Matthäus, Markus und Johannes aufgezeichnet – sie gilt als Einlösung des Klagerufes der Prophezeiung in Psalm 68, 22.: „Man reichte mir als Speise bitteres Gift und tränkte meinen Durst mit Essig.“ Die Öffnung der Seite wird dagegen allein vom Evangelisten Johannes berichtet, der freilich keinen Namen nennt, sondern nur von „einer der Soldaten“ spricht.

Den Namen Longinus erhielt dieser Soldat ebenso wie die beiden Schächer erst in einer späten gnostischen Version des „Nikodemus-Evangelium“. Longinus ist nicht wirklich ein Personenname, sondern eine Ableitung aus dem Begriff, der das das Wesen einer Person zum Ausdruck bringen soll: Griechisch „Longchenos“ heißt „der Lanzenführer“, so wie „Veronica“ auf „veron eikon“, das wahre Bild zurückgeht, und Christophoros nichts anderes bedeutet als Christusträger. Schon früh wurde dieser Lanzenführer mit dem bei den drei anderen Evangelisten erwähnten Hauptmann der Soldaten identifiziert, die die Kreuzigung überwachten, und der angesichts der Verfinsterung des Himmels und des Erdbebens beim Tod Christi ausgerufen hatte: „Dieser war wirklich Gottes Sohn“.

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Die Legenda Aurea, deren Quellen wir hier nicht im Einzelnen nachspüren können, weiß über das weitere Leben des Longinus zu berichten, daß er von einem der Apostel getauft worden sei und im kappadokischen Caesarea 28 Jahre lang wie ein frommer Mönch gelebt und viele Menschen durch Wort und Beispiel zum Glauben an Christus gebracht habe.

In einer frühen Christenverfolgung sei Longinus vor Gericht gestellt und aufgefordert worden, seinem Glauben abzuschwören. Als er sich weigerte, wurde er grausam gefoltert, blieb jedoch standhaft und zerschlug mit einer Axt die im Gerichtssaal aufgestellten Götterbilder. Und die Schilderung geht weiter:

Da fuhren die Teufel aus den Götterbildern in den Richter und seine Gesellen, daß sie von Sinnen kamen und bellend zu Longini Füßen krochen. Der aber sprach zu den Teufeln: Warum wohnet ihr in den Bildern? Sie antworteten: Unsere Wohnung ist da, wo der Name Christi nicht genannt wird und wo sein Kreuzeszeichen nicht ist. Da aber der Richter sein Augenlicht verloren hatte und tobte, sprach Longinus zu ihm: Du kannst nur gesund werden, wenn Du mich endlich tötest, und dann werde ich Gott bitten, daß er die Gesundheit des Leibes und der Seele schenkt“.

Da ließ ihn der Richter sogleich enthaupten, danach überkam ihn große Reue und Leid und er warf sich vor des Longinus Leichnam mit Tränen nieder. Alsbald empfing er Gesundheit und Augenlicht und endete sein Leben in guten Werken“.

So wird in Longinus das Thema der Legende von Dismas, dem guten Schächer, noch einmal gesteigert: Auch schlimmste Taten, selbst die „Beihilfe am Mord“ des Herrn können vergeben werden – wenn der Übeltäter sich bekehrt, seine Sünden erkennt, bereut und zur Umkehr bereit ist. Der Henkersgehilfe Longinus büßte als Vorbild in Wort und Werk sein ganzes restliches Leben lang, bevor er als Märtyrer – daran läßt die Legende keinen Zweifel – ins Paradies eingehen konnte, das sich für den Straßenräuber Dismas schon zuvor geöffnet hatte. Und dem richterlichen Mörder des Longinus wurden durch die von Longinus erwirkte göttliche Gnade die Augen geöffnet, sein Geist wurde wieder gesund, und „er endete“ – gleichsam in Fortführung des von Longinus begonnenen Werkes – „sein Leben in guten Werken“.

Der Gott der Barmherzigkeit ist keine argentinische Erfindung des 21. Jahrhunderts. Aber selbst zweifelhafte gnostische Autoren der Frühzeit – und der Verfasser der Legenda Aurea sowieso – wussten um die davor gesetzte Bedingung: Erkenntnis und Reue über die Sünden und Bereitschaft zur Umkehr.

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