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Alta Trinita Beata

Zum Dreifaltigkeitsfest am ersten Sonntag nach Pfingsten

Als das Fest der allerheiligsten Dreifaltigkeit 1334 von Papst Johannes XXII. für die ganze Kirche vorgeschrieben wurde, lagen die großen Auseinandersetzungen um die Trinitätslehre, die auf den Konzilien von Nizäa und Chalcedon ausgetragen worden waren, fast ein Jahrtausend zurück. Auf Dauer – für die überwiegende Mehrheit zumindest - geklärt wurde damals allerdings nur das Verständnis von Christus, dem Sohn und göttlichen Wort des Vaters als wahrem Gott und wahrem Mensch. Nachzulesen im Nizäno-Konstantinopolitanischen Glaubensbekenntnis von 381. Die zunächst weniger heftig ausgetragene Auseinandersetzung um die Stellung und Natur des Heiligen Geistes nahm dann im ausgehenden 4. Jahrhundert an Schärfe zu und führte schließlich zum Streit um das „filioque“: Geht der Geist allein vom Vater, oder vom Vater und dem Sohn zusammen aus?, In diesem Streit haben sich die Kirchen des Ostens und des Westens ab dem 6. Jahrhundert zunehmend voneinander entfremdeten. Dabei ging es auf beiden Seiten mindestens ebenso viel um Macht und Politik wie um die Wahrheit Gottes, und so kulminierte die Entwicklung schließlich im nie wieder überwundenen Großen Schisma von 1054, das bezeichnenderweise im Westen als das Morgenländische Schisma (schisma Graecorum) bezeichnet wird, während der Osten vom „Lateinischen Schisma“ (schisma Latinōn) spricht.

Bei alledem wird gerne übersehen, daß die mit menschlicher Ratio unlösbare Frage nach der Einheit und der Vielfalt des allmächtigen Gottes keine Erfindung der christlichen Kirche ist, sondern mit zu dem Erbe gehört, das sie aus dem Judentum übernommen hat. Es ist wahr: Das heutige Judentum lehnt jeden Gedanken an irgendeine Differenzierung innerhalb des göttlichen Wesens strikt ab und bekennt sich – wie der Islam – zu einem „reinen Monotheismus“. Dieser reine Monotheismus ist jedoch für das Judentum eine Erfindung der rabbinischen Gelehrten aus den Jahrhunderten nach der Zerstörung des zweiten Tempels, als die versprengte Synagoge den „Glauben ihrer Väter“ zunehmend im Gegensatz zu der – aus ihrer Sicht – abgespaltenen Sekte der Christusgläubigen neu definierte.

Die polytheistischen Anfänge des Glaubens der Stämme Israels verschwimmen im Nebel der Vorgeschichte. Aber alles spricht dafür, daß auch die frühen Israeliten zunächst wie alle Völker des mittleren Ostens an einen Himmel mit vielen Gottheiten glaubten, bis sie der Herr durch seine Propheten in einem über viele Jahrhunderte gehenden „Erziehungsprozess“ näher an die Wahrheit führte – so sieht es etwa der Kirchenvater Gregor von Nazianz, dem Joseph Ratzinger in mehreren Schriften darin ausdrücklich zustimmt. Hier geht es weiter Auf diese Weise bereitete der Herr sein Volk auf die „Fülle der Zeit“ vor, in der sein Wort im Fleisch in die Schöpfung zurückkehren sollte. Der Erziehungsprozess verlief langwierig und widersprüchlich. Noch weit in die Zeit des ersten Tempels hinein sind im Alten Judentum Reste eines Vielgötterglaubens erkennbar, der an vielen Orten seine Altäre und heiligen Haine hatte. Zeugnisse dafür haben sich nicht nur im später vielfach bereinigten Bibeltext erhalten. In ganz Israel, selbst und ganz besonders im Boden der heiligen Stadt Jerusalem, haben die Archäologen zahllose Statuen der Asherah aus der Zeit bis ins 6. vorchristliche Jahrhundert geborgen – das ist eine an der ganzen Ostküste des Mittelmeers verehrten Göttin, die von vielen als die ursprüngliche Gefährtin des ursprünglichen Stammesgottes Jahwe angesehen wird.

Mit der Etablierung Jahwes als einer einzigen, alle Stämme Israels einigenden Gesamtgottheit wird ein wichtiger Schritt in der Entwicklung hin zum Monotheismus greifbar. In der Religionswissenschaft operiert man hier mit dem Begriff der „Monolatrie“, der Verehrung des Einen: Ein Volk, ein Stamm kommt dazu, nur einen einzigen Gott als den seinen anzuerkennen und zu verehren – ohne damit zu bestreiten, daß andere Völker auch andere Götter haben können. Erst in weiteren Entwicklungsstufen beansprucht dieser Eine Gott eines Volkes die Herrschaft über alle Götter und alle Völker. Im alten Glauben Israels treten dann an die Stelle der Nationalgötter Engel, die als Lenker der verschiedenen Völker eingesetzt sind. Nicht nur hier erscheint die Abgrenzung zwischen Gott und Engeln fließend. Viele Psalmen lassen diese Entwicklung plastisch vor Augen treten: Von Jahwe, dem Gott der Stämme Israels, der „im Rate der Götter“ sitzt, die die Nationen lenken, über den „höchsten Gott“, der die anderen zurechtweist und sogar degradiert, bis zum Einzigen Gott, dessen Anhänger wissen, daß all die anderen nur Fabrikationen aus Ton oder Erz sind, leblose Bilder aus Menschenhand.

Das so bestehende Konkurrenzverhältnis verschiedener Götter beeinflußt viele Berichte des alten Testaments, in denen immer wieder über einen Rückfall oder Abfall vom Glauben zu den falschen Göttern der Nachbarn (oft eingeschleppt durch fremdländische Ehefrauen!) die Rede ist. Und es kulminiert schließlich in den „Reformen“ des König Joschia aus dem 7. Jahrhundert v. Chr., der die Gleichsetzung von Jahwe und Elohim („der ,Die Götter‘“, um die Einheit von Singular und Plural nachzuahmen) durchsetzt und alle anderen Götter austreibt. Nur daß es sich dabei wohl nicht um „Reformen“ im Sinne einer Rückkehr zu einer früheren Vollkommenheit handelte, sondern um einen echten Fortschritt aus einem sehr unvollkommenen zu einem weniger unvollkommenen Stadium der Gotteserkenntnis.

Denn unvollkommen bleibt die Gotteserkenntnis Israels auch danach noch – insbesondere hinsichtlich des Problems der Einheit und Vielfalt von Jahwe Elohim. Da ist immer wieder vom Gottessohn und vom Menschensohn die Rede, der wohl ursprünglich den Gottkönig/Hohenpriester Israels bezeichnet, und der bei seiner Amtseinsetzung von Jahwe als „mein Sohn bist du, heute habe ich Dich gezeugt“ „adoptiert“ wurde – ein Bild, das uns bei der Taufe Jesu im Jordan in einer ganz anderen Perspektive wieder begegnet und später in Teilen der Kirche zur (bis heute lebendigen!) Irrlehre des „Adoptionismus“ führte. Da gibt es die „Gottessöhne“ unter den Engeln, die (Natur-)Mächte und (Natur-)Gewalten der Cherubim, insbesondere der/die Tetramorph (die vier lebendigen Wesen von Ezechiel und Johannes), von denen unklar bleibt, ob sie den Thron Gottes bilden oder zum Wesen Gottes selbst dazugehören. Da gibt es den „Namen Gottes“, dem Verehrung zukommt wie nur Gott selbst, und den „Geist der göttlichen Weisheit“, dessen vielfach sehr poetisch ausgeführte „Theologie“ eine ganze Literaturgattung innerhalb der Bücher des Alten Testamentes geprägt hat (und die in den Kirchen des Ostens auf einen weit fruchtbareren Boden gefallen ist als im Westen).

Eine große Rolle spielen „Manifestationen“ oder „Erscheinungsformen“ des unsichtbaren Gottes in Bildern wie der Feuersäule vor dem Zug durch die Wüste, von der „Herrlichkeit“ Gottes, die wie eine Person im Tempel auf dem Zionsberg residiert und die ihr Gnade und Leben spendendes „Angesicht“ dreimal im Jahr in Gestalt der „Brote der Gegenwart“ dem Volk zuwendet – wenn auch nur in verhüllter Form, denn kein Sterblicher kann das Angesicht Gottes schauen.

Dazu kommen dann noch apokryphe Schriften aus dem Umfeld der Bibel wie etwa das „Buch der Jubiläen“ aus dem 2. vorchristlichen Jahrhundert, das die Einheit und Vielfalt Gottes durch den Vergleich mit dem Bild des Jahres zu begreifen versucht: Gott entspräche demnach dem Jahr, und so wie das Jahr gebildet wird aus den 12 Monaten, bilden die 12 Erzengel in ihrer Gesamtheit Gott, und bestehen ihrerseits wieder – wie dann auch die Wochen, Tage, Stunden und Minuten – aus jeweils untergeordneten Einheiten englischer Wesen, alle nur „Teile“, und doch alle „eins“.

Die Glaubenswelt Israels in den Jahrhunderten des zweiten Tempels war voll von Motiven, die von der Ahnung zeugen, daß dieser Gott zu groß ist, um seinen Ausdruck nur in einer Person zu finden – das hieße, sich einen Gott nach „Bild und Gleichnis“ des Menschen zu machen – wo doch der Mensch als „Bild und Gleichnis Gottes“ erschaffen worden ist. Und so war der Gott der Juden zur Zeit Christi zwar nur Ein Einziger Erhabener Gott – aber in sich viel lebendiger, geistvoller und dialogerfüllter, als der (wie man so sagt) „strenge“ Monotheismus des nachchristlichen Judentums das wahrhaben will oder auch nur begreifen kann. Die Offenbarungen Christi vom Wesen Gottes in der Einheit von Vater, Sohn/Wort und Geist konnte bei den Jüngern daher leicht auf fruchtbaren Boden fallen – zumal das biblische Judentum weniger eine Religion des analytischen Verstehens als des gläubigen Vertrauens war. Die Lehre vom Dreieinigen Gott bot den Jüngern (vielen von ihnen, nicht allen, wie die nachfolgenden Unsicherheiten und Auseinandersetzungen zeigten) den Schlüssel zu einem vollkommeneren Verständnis von Geheimnissen, von deren Existenz sie zwar bisher schon geahnt, aber wenig verstanden hatten. Begriffe wie „Wort Gottes“, „Geist Gottes“ oder „Menschensohn“ fügten sich plötzlich zusammen – am eindringlichsten ausgedrückt im Evangelium des Johannes und am farbigsten ausgeführt im Buch der Geheimen Offenbarung.

Umgekehrt kann uns Heutigen die Beschäftigung mit dieser Gedankenwelt, in die hinein das Mensch gewordene Wort sein Wesen aussprach, zum lebendigeren Verständnis dieser Glaubenswahrheiten beitragen – zumindest dann, wenn man der Versuchung zu wilden Spekulationen widersteht und den Leitlinien folgt, die die Kirche in ihren über die Jahrhunderte erarbeiteten Dogmen und Glaubensbekenntnissen vorgibt. In diesem Sinne kann man die Netze der Tradition gar nicht weit genug auswerfen, um einem Verständnis des Festgedankens vom Dreifaltigkeitssonntag näher zu kommen – auch wenn dieses Verständnis auf Erden immer Stückwerk bleiben muß.

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