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Litaneien und Prozessionen

Bild: Pietro Cavallini, ca. 1320, public domainDie neueste römische Eskapade in Sachen Erweiterung der lauretanischen Litanei gibt Anlaß, sich etwas näher mit der Stellung von Litaneien in der Liturgie zu befassen.

Litaneien kommen in vieler Religionen vor, das hat inhaltliche und praktische Gründe gleichermaßen: Die Sammlung unterschiedlicher Anrufungen und Anliegen gibt Gelegenheit, den ganzen Reichtum eines Gottesbildes oder eines Heiligenhimmels zu entfalten – und gleichzeitig durch einen einfachen Refrain die aktive Teilnahme von Betern zu ermöglichen, die den jeweiligen „Katalog“ selbst nicht auswendig können oder von seiner Theologie überfordert wären. Ein eminent praktischer Grund liegt darin, daß solche Litaneien, wenn sie als Begleitung bestimmter oft mit Prozessionen verbundenen Zeremonien gesungen werden, genau auf die Länge der jeweiligen Zeremonie abgestimmt werden können: Dauert die feierliche Handlung länger, fängt man noch einmal von vorne an, ist sie früher beendet, kann man die Litanei an jedem Punkt abbrechen.

Die Litaneien des Gottesdienstes der Kirche im Osten wie im Westen lassen sich auf zwei historische Vorbilder zurückführen. Das älteste sind einige Psalmen des Alten Testaments, die litaneiartige Elemente enthalten – am deutlichsten bei Psalm 135(136), der in seiner Gesamtheit aus einer großen Litanei besteht, die die Heilstaten Gottes aufzählt, die jeweils mit dem Vers „Denn seine Gnade währt ewig“ beantwortet werden.

Zweites Vorbild sind wohl zeremoniale Elemente des (Ost-)Römischen Kaiserhofes – so wird z.B. das Kyrie eleison auf die im Chor wiederholten Rufe zurückgeführt, die den Einzug des Kaisers in die Audienzaula begleiteten. Im Bericht der Pilgerin Egeria von ihrer Reise nach Jerusalem aus dem 4. Jahrhundert  begegnet uns der Ruf „Kyrie eleison“ als Refrain in einer Litanei von Fürbitten, die der Diakon zu Beginn der Messfeier vortrug. Litaneiartige Elemente finden sich im Gloria, und auch das „Agnus Dei“ zur Kommunion geht auf eine Litanei zurück, die ursprünglich die Brechung der Brote begleitete und so oft wiederholt wurde, wie es dauerte, die etwa bei einer Papstmesse großen und zahlreichen Brote zu zerteilen.

Im Übrigen ist zumindest der lateinische Ritus mit Litaneien eher sparsam: Zur Karfreitagsliturgie gehören seit Alters her die großen und kleinen Improperien, die in ihrer Form möglicherweise auf Psalm 135 zurückgehen. Die Erteilung des Sakraments der Weihe, die stets innerhalb der Messfeier erfolgt, ist seit unvordenklichen Zeiten mit der Allerheiligenlitanei verbunden, deren Gesang von daher auf andere Weihehandlungen ausgestrahlt hat. Im Stundengebet der lateinischen Kirche spielen Litaneien bestenfalls eine Randrolle. Im Breviarium Romanum der Reformen Pius V. war nur die Allerheiligenlitanei enthalten, und zwar in den officia additiva für die Freitage, an denen zusätzlich zum üblichen Officium noch die Bußpsalmen und die Allerheiligenlitanei zu beten waren. Wo sich später etwa die Lauretanische Litanei zur Vesper von Marienfesten eingeschlichen hatte, war das lokal oder zeiltich begrenzter Brauch einzelner Gemeinschaften ohne gesamtkirchliche Grundlage

Das offizielle liturgische Gebet der Kirche beruht auf den Psalmen und den anerkannten Hymnen; die Litaneien außer der Allerheiligenlitanei haben ihren Ursprung und ihr Hauptwirkungsfeld in der Volksfrömmigkeit oder der allgemeinen Pastoral. Auch dort unterlagen sie seit einer sehr restriktiven Regelung durch Papst Clemens VIII. im Jahr 1601 einer ausdrücklichen römischen Approbationspflicht. Diese Bestimmung wurde jedoch mit der Reform des Codex im Jahr 1983 aufgehoben, so daß römische Vorgaben in dieser Hinsicht heute bestenfalls den Charakter von Empfehlungen haben.

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