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Stabat Mater dolorosa

Bild: Wikimedia Commons, gemeinfraiDie Kirche feiert heute das Fest der „Sieben Schmerzen Mariä“. Es wurde lokal bereits seit dem ausgehenden Mittelalter begangen (aus Köln gibt es eine Erwähnung von 1423) und 1727 von Papst Benedikt XIII für die ganze Kirche eingeführt. (Reformen und Neuerungen dauerten damals etwas länger, nicht zu ihrem Schaden) Ursprünglich hatte es nur einen Termin in der Passionszeit, um der Mutter des Herrn zu gedenken, die mit-leidend unter dem Kreuz ihres Sohnes gestanden hatte. Pius VII. hat es dann 1814 zum Dank für seine Rückkehr aus der Gefangenschaft des ersten europäischen Großtyrannen Napoleon zusätzlich für den 15. September angeordnet. So ist das Fest auch im Kalender des Novus Ordo erhalten geblieben, wo es nicht als Fest, sondern als „Gedächtnis“ bezeichnet wird – wogegen wegen des Bedeutungswandels, den das Wort „Fest“ in den letzten Jahrhunderten durchlaufen hat, nichts einzuwenden ist.

Jeder Katholik kennt das große Lied „Stabat Mater“ des Franziskaners Iacobus Tudertinus vom Beginn des 14. Jahrhunderts, das in der deutschen Übersetzung von Heinrich Bone auch heute noch gesungen wird:

Christi Mutter stand mit Schmerzen
bei dem Kreuz und weint von Herzen,
als ihr lieber Sohn da hing. (...)

Dieses Lied und zahllose Nachdichtungen fanden später vielerorts als Sequenz Eingang in die Feier der hl. Messe, wurde jedoch beim „Sequenzensturm“ im Anschluß an das Konzil von Trient in dieser Funktion „abgeschafft“. Nach der weltweiten Einführung des Festtages 1727 wurde es jedoch ganz offiziell als Sequenz in das Missale aufgenommen und ist dort auch heute noch als Option enthalten. Hier geht es weiter

Das Hymnarium hat heute zwei spätere Hymnen des Barockdichters Callisto Palombella (1697 – 1758) zum Fest der Sieben Schmerzen veröffentlicht. Die eine O quot undis greift in ihrer sprachlichen Tonart unverkennbar auf das Stabat Mater zurück, die zweite Iam toto subitus entfaltet das Thema in aller Wucht und auch in allem Überschwang, zu dem die Sprache des Barock fähig war.

Trotz ihrer Verschiedenheiten sind diese drei Hymnen Ausdruck einer spezifischen Spiritualität, der Betrachtungsfrömmigkeit, die insbesondere das geistige Leben der einfachen Menschen, auch der „gewöhnlichen“ Mönche und Nonnen, zu Beginn der Neuzeit und bis ins 19, Jahrhundert hinein, prägte. Sie betrachtete das Leben und Leiden Christi und seiner Heiligen und schöpfte daraus Trost für die Leiden der eigenen irdischen Existenz, Ansporn zu dessen Ausrichtung an den Geboten Gottes und der Kirche sowie Hoffnung auf das zukünftige ewige Leben. Die Betrachtungsfrömmigkeit hat insoweit viel mit dem älteren allegorischen Liturgieverständnis gemeinsam, das die Messe nicht im modernen Sinne „mitfeiern“ wollte, sondern in ihrem Ablauf das Passionsgeschehen erblickte und sich in dessen Geheimnisse und Abgründe zu vertiefen suchte, soweit es die in aller Regel bescheidene Bildung in Sachen Glaube und Liturgie zuließ.

Es ist diese bescheidene Frömmigkeit und Spiritualität, die der Kirche unzählige Heilige geschenkt hat – die „ganz nebenbei“ in ihrem alltäglichen Leben, in dem sie nach Kräften und Vermögen die Werke der geistigen und leiblichen Barmherzigkeit erfüllten, auch viel zur Abwehr von irdischem Elend und Schmerz bewirkt haben. Und sei es „nur“ dadurch, daß sie als Mütter ihren Kindern ein Glaubensfundament überliefert habern, das – so lückenhaft es gewesen sein mag – oft ein ganzes Leben lang getragen hat.

Im Gefolge der Aufklärung ist die „Betrachtungsfrömmigkeit“ in Theologie und Glaubensvermittlung ziemlich in Mißkredit geraten: zu individualistisch, zu wenig der Welt zugewandt, zu wenig aktiv und eingreifend. Und dementsprechend sollen wir, wenn es denn nach dem Vorschlag des Schott-online für den heutigen Tag geht, nach dem Gesang des Stabat Mater wenigstens in den Fürbitten den Blick auf das richten, was uns Lehrer, Prediger und Medien ohnehin den ganzen Tag vor Augen stellen:

Für die Flüchtlinge und Vertriebenen: lass sie eine neue Heimat finden
– Herr, erbarme dich.

Es ist, als ob sich eine unsichtbare Barriere um unsere Köpfe oder um den ganzen Erdball gelegt hätte, die uns daran hindert, das wahrzunehmen und zu betrachten, was außerhalb dessen liegt, was wir letztlich mit eigener Kraft bewirken oder herbeiführen zu können uns einbilden.

Tage des Gedächtnisses wie das Fest der Sieben Schmerzen Mariens, begangen im Geist der Sequenz „Stabat Mater“ oder der Dichtungen Palombellas, können helfen, diese Barriere zu durchbrechen.

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