Bereichsnavigation Themen:

Bildersturm im Missale

Bild: Aus dem genannten Artikel auf New Liturgical MovementMatthew P. Hazell, dem wir den überaus aufschlußreichen Vergleich der Leseordnungen der Tradition und des Novus Ordo verdanken, hat untersucht, welche und wieviele Heilige im Bildersturm der Reformer von 1968/69 aus dem Sanctorale gefallen sind – teils, indem sie in Regionalkalender verwiesen wurde, teils, indem man sie ganz „abgeschafft“ hat. Er kommt auf insgesamt über 300, und wenn man die wenigen Fälle von Sammelgedenken wie „40 Märtyrer von Sebaste“ oder „die hl. Symphorosa und ihre 7 Söhne“ herausnimmt, bleiben immer noch weit über 200 übrig.

Aus den Akten des Reformkonsiliums, die er einer größeren Öffentlichkeit zugänglich gemacht hat zitiert Hazell auch die Begründungen, die die Kommission zur „Abschaffung“ oder Degradierung der Gedächtnisse bewogen hat. Im ersteren Fall sprechen sie zumeist unter Formeln wie „quia acta non sunt fide digna“ den jeweiligen Überlieferungen ganz oder teilweise die Glaubwürdigkeit ab. Im zweiten berufen sie sich sehr oft auf eine Generalklausel in Sacrosanctum Concilium 111, man möge die Heiligengedächtnisse streichen, „quia non agitur des sancto ‚monumentum universale revera prae se ferente‘“ - deren Gedächtnis also nicht wirklich von Bedeutung in der ganzen Kirche ist.

Zwischen „abgeschafft“ und „ab in den Regionalkalender“ gibt es dann noch eine weitere Kategorie von ungeliebten Heiligen, derer nur noch in ihren römischen Titelkirchen gedacht werden soll. Da halten die Reformer die historische Überlieferung ausweislich ihrer Kommentare zwar auch für unglaubwürdig, sie haben sich aber nicht getraut, die völlige „Abschaffung“ zu verfügen. So verhält es sich letztlich auch mit einem guten Teil der in die Regionalkalender verwiesenen Gedächtnissee, die nur deshalb nicht völlig abgeschafft wurden, weil die gelehrten Herren des Consiliums die Auseinandersetzung mit Gläubigen und Bischöfen der Regionen fürchteten, in denen diese Heiligen besonders verehrt werden.

Nun muß man sehen, daß die Entfernung von Heiligen aus dem Sanctorale des Messbuchs noch nicht gleichbedeutend ist mit einer völligen Unterdrückung ihres Gedächtnisses. Zumindest einige davon finden sich auch noch in der neuesten Ausgabe des Martyrologiums – und das ist zwar „amtlich“, beansprucht aber in keiner Weise Vollständigkeit. Wenn Peter Kwasniewski also in seinem Artikel zur Vorstellung der Arbeit Hazells von einem „Schlachtfeld“ oder „Blutbad“ spricht, das die Reformer unter den Heiligen des Missale angerichtet hätten, ist das ein wenig übertrieben – begründet freilich in der berechtigten Empörung darüber, wie unbekümmert auch hier die Reformer mit den Schätzen der Tradition umgegangen sind und wohl auch dazu beigetragen haben, die traditionelle Heiligenverehrung in der Kirche – Reformatoren aller Zeiten ein Graus – zu beschädigen. 

Hier geht es weiterIm Anschluß an Kwasniewskis Artikel auf NLM hat sich eine interessante Diskussion darüber entwickelt, wie berechtigt denn das Konzept des „Ausastens“ des Sanctorale überhaupt ist, das ohnedem für alle praktischen Zwecke unter des Last des Zuwachses von Heiligen zusammenbrechen müßte. Auch die Frage der Regionalkalender wurde durchaus seriös angesprochen. Selbst (und mit Blick auf 1500 Jahre Tradition: gerade) innerhalb des kleinen Europa gibt es eine große Zahl von Heiligen, die mit bestimmten Regionen und Bistümern besonders stark verbunden sind, wogegen man sie anderswo gar nicht kennt. Von daher stellt sich durchaus die Frage, inwieweit es sinnvoll ist, Heilige aus weit entfernten Ländern wie Kateri Tekakwitha (1680, die ‚Lilie der Mohikaner‘), Laurentius Rokuemon (enthauptet 1622 in Nagasaki) oder Karl Luanga (verbrannt 1886 in Namugongo, Uganda) in ein deutsches Missale aufzunehmen.  – obwohl es anderseits durchaus bedauerlich ist, daß solche Namen dem mitteleuropäischen Kirchgänger so gut wie unbekannt sind und wohl auch bleiben werden, seitdem der Befehl Christi „Und gehet hinaus und lehrt alle Völker und tauft sie im Namen des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes“ (Mathäus. 28,19 und Markus16,25) als nicht mehr zeitgemäß verworfen worden ist.

Wie auch immer: Versuche zu einer (begrenzten) Regionalisierung des Heiligenkalenders sind zweifellos ebenso sinnvoll wie das Bestehen auf dem Prinzip seiner Universalität. Aber es geht dabei in jedem Fall nicht um ein Lexikon, sondern darum, den Blick der Gläubigen auch in der hl. Messe mit ihrer Sicht auf die Triumphierende Kirche im Himmel offen zu halten für die zeitliche Tiefe des Glaubenslebens in der Tradition ebenso wie für seine weltweite Erstreckung auf alle Länder und Völker der Erde. Und daß die römische Tradition dabei für den lateinischen Ritus eine besondere Rolle spielen sollte, ist auch kaum zu bezweifeln. Ein Irrtum, der sowohl den Befürwortern als auch den Gegnern einer Regionalisierung des Sanctorale leicht unterlaufen kann, liegt eher darin, ausgerechnet diesen sehr speziellen liturgischen Kalender mit katechetischen und pastoralen Erwartungen zu überfrachten – als ob das Heiligengedenken in der Messe einen Ersatz dafür bieten könnte, sich mit dem Leben der Heiligen auch und vor allem auf andere Weise vertraut zu machen.

Dazu gibt es liturgisch und außerliturgisch besser geeignete Möglichkeiten. Noch vor 50 Jahren gehörten die Sammelbände mit Heiligenleben und ein paar Dutzend Heiligenbiographien (Stichwort Hünermann) zum Grundbestand jeder katholischen Buchhandlung. Heute gibt es praktisch keine katholischen Buchhandlungen mehr, und Hünermann nur noch antiquarisch. Was die Annäherung an die Heiligen im liturgischen Rahmen betrifft, hat gerade dieser Tage das Beiboot Petri einen interessanten Netzfund veröffentlicht: eine „Allerheiligenlitanei für Deutschland“. Daraus kurze Auszüge. Zur Einleitung nach dem Kyrie Eleison:

  • Heiliger Apostel Matthias, ruhend in deutscher Erde – bitte für uns!
  • Heiliger Bonifatius, großer Apostel Deutschlands – bitte für uns!
  • Heiliger Petrus Kanisius, Kirchenlehrer und Retter Deutschlands aus Glaubensnot – bitte für uns!
  • Heiliger Kilian, Totnan und Kolnat, Blutzeugen Christi im Frankenland – bittet für uns!
  • Heiliger Kolumban und Gallus, Apostel der Alemannen – bittet für uns!
  • Heiliger Disibod, Zeuge Christi in der Pfalz – bitte für uns!

(…) Es folgen, jeweils zusammen mit einer langen Namensliste,

  • Alle heiligen Apostel deutscher Lande  – bittet für uns
  • Alle heiligen Märtyrer Deutschlands – erflehet uns Treue im Glauben!
  •  Alle heiligen deutschen Bischöfe   – bittet um Licht und Kraft für uns!
  • Alle heiligen Priester und Ordensleute Deutschlands – seid unsere Fürsprecher bei Gott!
  • Alle heiligen Fürsten und Fürstinnen Deutschlands – bittet für uns!
  • Alle Heiligen deutschen Frauen und Jungfrauen – helft uns!

Schlußgebet:

Gott und Vater, siehe in Gnaden auf unser Volk und Vaterland. Du hast aus ihm eine große Zahl von Heiligen und Seligen berufen. Sie haben dich allzeit geliebt und Dir in Treue gedient. Ihre Heimat ist auch unsere Heimat. Ihre Sprache ist auch unsere Sprache. Ihre Treue ist darum auch unsere Treue. An deinem Throne bitten sie für uns. Erhöre ihr Flehen. Laß uns nach diesem irdischen Leben zu ihnen gelangen, unseren Brüdern und Schwestern, durch Christus unseren Herren. Amen. 

Nationale Engführung? Religiös verbrämter Nationalismus gar? Wohl kaum. Gott der Herr hat die Menschen zu Familien und Völkern und alle zusammen zu seinem Volk erschaffen. Begriffe wie Regionalisierung und Globalisierung sind weder seine Erfindung noch sein Gebot. Das Gottgeschaffene durch Menschenwerk zu ersetzen, ist das Programm der Verwirrung.

Zusätzliche Informationen