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Warum Liturgie schön sein muß

Bild: Schwier, gefunden auf https://www.landeskirche-hannovers.de/evlka-de/presse-und-medien/nachrichten/2018/01/2018_01_18_2Nach einer Umfrage des amerikanischen Pew-Institutes von 2019 teilen nur noch knapp 30% der Menschen, die sich als „katholisch“ bezeichnen, die Lehre der Kirche zur Transsubstantation: Daß die Eucharistischen Gestalten nach der Wandlung nicht nach Form und Gestalt, aber dem Wesen nach Leib und Blut Christi nicht darstellen, nicht symbolisieren, sondern sind. Kürzlich fand man in einer Kirche sogar eine angebissene Hostie auf dem Fußboden – anscheinend hatte da jemandem das, was er bekommen hatte, nicht geschmeckt. In Deutschland, wo trotz 9 Jahren von den Kirchen gestalteten Religionsunterrichts die Verhältnisse ähnlich sein dürften, werden solche Umfragen sicherheitshalber gar nicht erst durchgeführt. Aber auch hier finden sich Hostien als Lesezeichen im Gesangbuch oder auf dem Fußboden.

Solche Entwicklungen haben den amerikanischen Autor Robert R. Reilly dazu bewogen, einige Überlegungen zum Zusammenhang zwischen Ritus und Glaube anzustellen, die diese Woche auf Catholic World Report veröffentlicht worden sind. Schwerpunkt des Artikels ist die Kirchenmusik, wir betonen in einer gerafften Teilübersetzung jedoch mehr die allgemeinen Aspekte. Die Lektüre des Originals ist daher sehr empfohlen. Reilly schreibt unter anderem: 

Es beginnt ein langes ZitatWir sind körperliche Geschöpfe, die äußerliche Zeichen benötigen, um zu erkennen, daß sich (bei der Transsubstantation) tatsächlich etwas ereignet. Ohne diese kann uns die Bedeutung entgehen. Aber warum gibt es keine solchen Zeichen? Eine Antwort darauf gibt die moderne Kirchenarchitektur, eine zweite die moderne Kirchenmusik und eine dritte die Liturgie – eine Dreiheit der Verwirrung. Welches dieser drei Elemente in seiner heutigen Form kann denn den Glauben vermitteln, sich in der Gegenwart des Göttlichen zu befinden? Der Säuretest für jeden Teil der Liturgie ist doch der: Würde ein völlig Fremder bei seinem Anblick erkennen, daß das, was er gerade sieht, für die teilnehmenden Personen das Wichtigste in ihrem ganzen Leben darstellt?

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Ich komme vom Theater – in meinem früheren Berufsleben war ich Schauspieler, und daher weiß ich, wie eine Bühne funktioniert. Und deshalb war ich so zornig über die „neue“ Liturgie von 1970. Jeder halbwegs fähige Regisseur hätte den liturgischen Erneuerern sagen können, daß diese Liturgie die Gegenwart des Heiligen nicht erfahrbar machen könnte. Das war so offensichtlich, daß sich der Schluß aufdrängt, daß sie selbst nicht an die Gegenwart des Heiligen glaubten. Und so verstanden es auch viele Gottesdienstbesucher, die nicht mehr an die Realpräsenz glauben oder überhaupt nicht mehr zur Messe kommen. Das „Center for Applied Research in the Apostolate“ berichtet, daß der wöchentliche Meßbesuch in den Jahren zwischen 1970 und 2018 von 54,9 auf 21,1 Prozent gefallen ist. Hat auch nur ein Bischof deshalb seinen Job verloren? Und falls nicht – warum nicht?

Architektur predigt. Man muß kein Wort verlieren über die modernen Kirchen im Stil von Schnellrestaurants, wo wir alle im Kreis sitzen, uns gegenseitig ins Gesicht schauen und eine glückliche Gemeinde bilden. Es geht nur um uns. Sollten wir nicht auf den Altar schauen? Die meisten alten Kirchen sind in Kreuzform erbaut, aber viele sind entstellt worden. Am Kopf des von der Architektur gebildeten Kreuzes ist – oder sollte zumindest sein – der Tabernakel, so, wie Christi Haupt am Haupt des Kreuzes war und Er das Haupt der Kirche ist. Doch was geschieht, wenn der Tabernakel zur Seite geräumt wird, wie das in den meisten Kirchen gemacht worden ist? Dann erfahren wir nicht länger den gekreuzigten Christus, sondern einen enthaupteten. Das Gravitationszentrum der Kirche ist verschwunden, der architektonische Ausdruck gerät völlig durcheinander. (...)

Was für eine Stellung sollte Christus in unserem Leben einnehmen, wenn er in der Kirche auf einen Seitenaltar abgeschoben wird? Deshalb machen die Leute auch keine Kniebeuge mehr vor dem Hauptaltar, bestenfalls eine respektvolle Neigung des Kopfes. Aber warum, wem gegenüber? Und eine Kniebeuge in Richtung auf den Seitenaltar mit dem Tabernakel mutet auch reichlich merkwürdig an. Der Ablauf ist noch bizarrer in einer unserer örtlichen Kirchen, wo der Altar ganz hinten links untergebracht ist. Wenn man nach dem Hereinkommen eine Kniebeuge machen will, muß man sich dazu einmal ganz umdrehen – und dann noch einmal, wenn man zu seiner Bank geht. Und wenn sie dann einmal Platz genommen hat, sitzt die ganze Gemeinde mit dem Rücken zum Herrn. (…)

Die Musik bei der Messe sollte eine Form von Gottesdienst darstellen. Das ist so selten der Fall, daß ich sorgfältig darauf achte, Messen ganz ohne Musik zu besuchen. Beim Besuch in einer örtlichen Kirche habe ich erlebt, wie das Kyrie zunächst sehr schön begonnen hat, aber dann wurde der Takt schneller, und die Bongos kamen dazu. Wenn ich mich dann lautstark gegenüber meiner Frau und den Kindern aufrege, sagen sie mir: Achte doch einfach nicht darauf! Aber ich habe 35 Jahre lang Musikkritiken geschrieben, ich kann so etwas nicht einfach überhören. Und so stecke ich immer in einem inneren Kampf zwischen dem Abgestoßensein von der Banalität der Musik und dem Versuch, mich in die erhabene Wirklichkeit des Meßopfers zu versenken. Ist es wirklich beabsichtigt, mit der liturgischen Musik geistliche Krisen auszulösen?

Hat der Herrgott diese Art von Musik verdient? Aber sie ist ja gar nicht für Gott; sie ist für die Gemeinde, die dann auch oft genug nach den Darbietungen Applaus spendet. Applaus in der Kirche ist ein todsicheres Zeichen dafür, daß die liturgische Musik Sinn und Inhalt verloren hat. Nach gregorianischem Choral habe ich noch nie Beifall gehört. Denn er vermittelt eine Anmutung von Sakralität, so daß man von sich aus nicht applaudiert. Eine der Wohltaten der Coronakrise besteht darin, daß der Chor und die Bongo-Spieler jetzt für eine Zeit verschwunden sind. Wer hätte je gedacht, daß „social distancing“ so ästhetisch vorteilhafte Folgen haben könnte?

Ich kenne einen kirchlichen Chorleiter, der durch traditionellere Musik zu seinem verloren gegangenen Glauben zurückgefunden hat, insbesondere durch einige Meisterwerke der Renaissance-Polyphonie, die der Pfarrer ihm und dem Chor abverlangt hatte. Wie viele Menschen haben wohl zum Glauben zurückgefunden, nachdem sie der Banalität von Bongos ausgesetzt waren? (…)

Wenn Sie glauben, daß ich hier zu harsch urteile, lassen Sie mich den großen Peter Kreeft zitieren:

Wagen Sie es noch nicht einmal in Gedanken, in einem Atemzug von „moderner christlicher Rockmusik“ zu sprechen. Das beleidigt den Rock ebenso wie das Christentum, und es ist fast so grausam wie diese ausnehmend dämlichen, schlaffen, süßlichen, seichten, sentimentalen und dummen Beispiele von emotionalem Mist der unter dem Namen „Lobpreis-Lieder“ daher kommt.

Wie der hl. Clemens von Alexandria lehrt, ist Christus „Das Neue Lied des Universums“. Und nach ihm ist es „dieses Neue Lied, das der ganzen Schöpfung ihre harmonische Ordnung verlieh und den Widerstreit der Elemente in Ordnung brachte, so daß das ganze Universum in ihm eins wird.“ Ist das vielleicht nicht „inklusiv“ genug? Aber dieses Neue Lied wird nicht auf Bongo-Trommeln gespielt – denn das wäre exklusiv, und zwar in dem Sinne, daß es das Transzendente ausschließt, das nicht wirklich von irgendwelchen Bongos erreicht werden kann, die ich jemals gehört habe. Nein, das Transzendente kann nur von der höchsten Kunst erreicht oder zumindest angedeutet werden.

Aber wann haben Sie zum letzten Mal bei der hl. Messe Musik gehört, die ihren Glauben eher gestärkt als auf die Probe gestellt hat? Wann haben sie zum letzten Mal in ihrer Kirche den Kosmos vernommen?

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