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Hl. Dismas, bitte für uns

Das am 25. März begangene Fest der Verkündigung Mariens läßt mit gutem Recht einen Gedenktag in den Hintergrund treten, der im traditionellen Martyrologium Romanum für den gleichen Tag angegeben ist: Das Gedächtnis des sancti latronis, des heiligen Räubers, von dem im Lukasevangelium (23,43) berichtet wird, daß er zur Rechten Christi gekreuzigt - und gerettet - worden ist. Mehr als diese kurze Erwähnung ist der heiligen Schrift nicht zu entnehmen - eine schwer erträgliche Leerstelle, die denn auch im auf das 3. Jahrhundert zurückgehenden apokryphen Nikodemus-Evangelium (spätes 3. Jh.) auf bemerkenswerte Weise ergänzt wird.

Im Mittelpunkt dieser romanhaften Schrift steht der dramatische Bericht von der „Höllenfahrt“ des auferstandenen Christus und die Befreiung der Gerechten des Alten Bundes aus der Macht des Hades. Im Triumph ziehen die Stammeltern und die Väter der Vorzeit zum Paradies und haben eine bemerkenswerte Begegnung:

Als sie nun durch das Tor des Paradieses einzogen, kamen ihnen zwei Greise entgegen. Die heiligen Väter fragten sie: Wer seid ihr, daß ihr den Tod nicht gesehen habt und in den Hades nicht hinabgestiegen seid, sondern mit Leib und Seele im Paradiese wohnet?

Einer von ihnen antwortete: Ich bin Enoch, der Gottes Wohlgefallen erwarb und von ihm hierhin entrückt wurde. Und dieser ist der Thesbiter Elias. Wir sollen leben bis zur Vollendung der Welt. Dann aber sollen wir von Gott entsandt werden, damit wir dem Antichrist entgegentreten und von ihm getötet werden. Und nach drei Tagen sollen wir wieder auferstehen und auf Wolken dem Herrn entgegen entrafft werden.

Während sie so miteinander sprachen, kam ein anderer, ein unscheinbarer Mensch, der auf seiner Schulter ein Kreuz trug.

Ihn fragten die heiligen Väter: Wer bist du, der du das Aussehen eines Räubers hast, und was ist das für ein Kreuz, das du auf der Schulter trägst?

Er antwortete: Ich war, wie ihr sagt, ein Räuber und Dieb in der Welt, und deshalb ergriffen mich die Juden und überlieferten mich dem Kreuzestode zugleich mit unserem Herrn Jesus Christus. Als er nun am Kreuz hing, schaute ich die Zeichen, die geschahen, und glaubte so an ihn. Und ich rief ihn an und sprach:

Herr, wenn du herrschen wirst, dann vergiß mich nicht!

Und sogleich sprach er zu mir: Wahrlich, wahrlich, heute, sage ich dir, wirst du mit mir im Paradiese sein.

Mein Kreuz tragend, kam ich also zum Paradiese, fand den Erzengel Michael und sagte zu ihm: Unser Herr Jesus, der Gekreuzigte, hat mich hergeschickt. Führe mich also zum Tor des Gartens Eden! Und da das flammende Schwert das Zeichen des Kreuzes sah, öffnete er mir, und ich ging hinein. Dann sprach der Erzengel zu mir: Warte ein Weilchen! Denn da kommt auch der Urvater des Menschengeschlechts Adam mit den Gerechten, damit auch sie hier eintreten. Und da ich euch jetzt sah, ging ich euch entgegen.

Als die Heiligen das hörten, riefen sie alle mit lauter Stimme: Groß ist unser Herr, und groß ist seine Kraft!“

Und so begegnet uns in durchaus folgerichtiger Fortschreibung des Evangeliums der gute Schächer wieder, und im 10. Kapitel des „Nikodemus-Evangeliums“ wird denn auch „Dysmas“ als sein Name genannt.   Hier geht es weiter

Nun war es dem frommen Sinn der Gläubigen - und da lagen sie ja auch nicht ganz falsch - wohl unvorstellbar, daß einer sein ganzes Leben hindurch ein Übeltäter gewesen wäre, und dann doch gerettet würde. Da mußte es doch einen guten Kern geben - und wenn davon nirgendwo etwas berichtet war, so fand sich eben ein Schriftsteller, der das fehlende Stück hinzudichtete. Und so taucht der gute Schächer dann noch einmal im sog. „syrischen Kindheitsevangelium“ aus dem 6. Jahrhundert auf, in dessen Mittelpunkt die mit zahllosen Wundergeschichten verschiedener Herkunft ausgeschmückte Flucht der heiligen Familie nach Ägypten steht.

Eine dieser Geschichten ist unschwer als eine zu einer Romanze umgestaltete Episode aus dem Roman vom Goldenen Esel des Apuleius identifizierbar. Und eine andere läßt zwei Räuber auftreten, von denen der eine – dort Titus genannt – der in seine Hände gefallenen heiligen Familie Leben und spärlichen Besitz lassen will – wogegen sich der andere sträubt und von Titus/Dismas nur durch ein Bestechungsgeld von 40 Drachmen ruhiggestellt werden kann. Der kleine Jesus aber weissagt seiner Mutter:

In 30 Jahren, meine Mutter, werden die Juden mich in Jerusalem kreuzigen, und diese beiden werden mit mir gekreuzigt werden, Titus zu meiner Rechten und Dumachus zu meiner Linken, und nach diesem Tag wird Titus mir ins Paradies vorausgehen. Maria aber antwortete: Da sei Gott vor, mein Sohn.

Und wer weiß - vielleicht finden sich in anderen Schriften des frühen Christentums noch weitere Berichte über den guten „ Schächer“, die wir zwar als unhistorisch ansehen müssen, aber doch nicht einfach so als „fake-news“ abtun sollten. Doch wenn wir wirklich sicher sein wollen, halten wir uns in diesen nüchternen Zeiten lieber an diese Bischof Fulton Sheen zugeschriebene Kurzbiographie unseres namenlosen Tagesheiligen: Er war ein Mörder und ein Dieb, und zuletzt schnappte er sich noch das Himmelreich. 

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