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Das Beichtgeheimnis

Bild: Wikimedia CommonsAuf vielen Brücken Mitteleuropas erinnern Stauen des hl. Johannes Nepomuk (1350 – 1393) an das Martyrium des böhmischen Priesters, der sich zu Ende des 14. Jahrhunderts lieber gefesselt von einer Brücke hinabstürzen ließ, als zu verraten, was er von der Königin in der Beichte erfahren hatte. Die Sache hatte übrigens bereits damals eine staatsrechtliche Dimension: Der König wollte nicht nur seine persönliche Neugier befriedigen, sondern es ging ihm auch darum, die Macht des Feudalstaates gegenüber Kirche und Geistlichkeit auszubauen.

Genau das steht natürlich auch dahinter, wenn jetzt im Zuge des Kampfes gegen den Mißbrauch staatliche Stellen versuchen, Beichtväter zur Mitwirkung an der Aufklärung oder besser noch Verhinderung derartige Taten zu drängen. Australien, Kanada und Frankreich sind mit entsprechenden Ansinnen hervorgetreten; und in Frankreich hat sich die Auseinandersetzung zumindest verbal zugespitzt, nachdem der Präsident der französischen Bischofskonferenz Kardinal Moulins Beaufort mit einer in der Tat anfechtbaren Erklärung hervorgetreten war. In Interview, wo er seine Worte wohl nicht genügend abgewogen hatte, war der Kardinal mit der Aussage zitiert worden, das Beichtgeheimnis sei „stärker als alle Gesetze der Republik“. Das war natürlich eine gefundenes Fressen für die in Frankreich besonders radikalen Vertreter der Laicité – der Innenminister zitierte den Kardinal zu sich und versucht, ihn zu Kreuz kriechen zu lassen. Der antwortete darauf mit einem übertriebenen Bekenntnis zum Vorrang des Staates, das allerdings von Sprechern der Bischofskonferenz in den folgenden Tagen wieder relativiert wurde. Kirche und Kardinäle ohne Kompass.

Und nun steht also die Übertragung der Debatte auf Deutschland bevor.

Dabei ist diese ganze Debatte so überflüssig wie ein Kropf – und das nicht nur deshalb, weil es dabei hauptsächlich um Symbole und nicht um wurkungsvolle Verbrechensprävention geht. Natürlich kann der Staat, ob wir ihn lieben oder verabscheuen, nicht hinnehmen, daß religiöse oder andere Sondergruppen hier Sonerrechte für sich in Anspruch nehmen, die im Widerspruch zu den für alle geltenden Gesetzen stehen. Ehebrecherinnen werden hierzulande nicht gesteinigt, auch dann nicht, wenn ihr Vergehen in einem regulären Verfahren festgestellt worden wäre. Und wenn ein Parlament in seiner überragenden Weisheit beschließen sollte, die in Deutschland einigen Berufsgruppen traditonell eingeräumten „Schweigerechte“ aufzuheben oder einzuschränken, würden dabei gültige Gesetze enstehen, die nicht mit dem Hinweis auf ein angeblkich höherwertiges Beichtgeheimnis ausgehebelt werden können. Darauf zu bestehen, daß die staatliche Gesetzgebung historische Prarogativen respektiert, verrät einen bedauerlichen Mangel an Einsicht dahingehend, wie sehr sich das Verhältnis zwischen Sttat und Kirche in den letzten Jahrzehnten und Jahrhunderten gewandelt – historische Privilegien, soweit überhaupt noch bestehend, können jederzeit zurückgenommen werden.

Das heiß nun freilich nicht, daß die Zeit für das Beichtgeheimnis vorbei wäre – im Gegenteil. Wo es nicht mit dem Staat gewahrt werden kann, muß das eben gegen den Staat erfolgen – wie zu Zeiten Nepomuks müssen die Priester sich darüber im Klaren sein, daß die Einhalrung des tatsächlich über jedem sttatlichen Geset stehenden Gebotes ihnen schwere Opfer abverlangen kann. Zum Martyrium durch Ertränken wird es dabei in den gegenwärtigen Umständen eher selten kommen.

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