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Zum Ersten Advent

Bild: s. Anmerkung untenBeginnend mit dem morgigen ersten Adventssonntag singt die Kirche während der Zeit des Harrens auf An- und Wiederkunft des Herrn alltäglich zur Vesper den Hymnus Creator alme siderum, dessen textliche Wurzeln bis ins 7. Jahrhundert zurückreichen. Hier eine deutsche Übersetzung der älteren Textgestalt von Richard Zoozmann :

Allmächtiger Sternenschöpfer du,
Allewiges Licht der Glaubenden,
Jesu, Heilbringer aller Welt,
Hör unser demutvoll Gebet.

Dass nicht durch Satans List und Trug
Die Welt verderbe, wurdest du
Aus reiner Liebe Eifertrieb
Der schwererkrankten Schöpfung Arzt.

Dass du der Menschheit Sündenschuld
Am Kreuze tilgest, gehest du
Aus einer Jungfrau heiligem Schoß
Als Opfer makellos hervor.

Vor ihm, des Ruhmes Großgewalt
Und Namensklang vor allem schallt,
Fällt Engelchor und Teufelstrupp
Angstvoll-erbebend in die Knie.

Drum bitten wir, des Jüngsten Tags
Allmachtgewaltigen Richter dich:
Mit deiner Himmelsgnade Schild
Verteidige vor den Feinden uns.

Lob, Ehre, Vollkraft, Ruhmeszier
Sei Gott, dem Vater und dem Sohn
Mitsamt dem heiligen Tröstergeist
Durch die zeitungebundne Zeit.

Eine neuere Textform, die auf die antikisierende Überarbeitung unter dem Renaissance-Papst Urban VIII. zurückgeht und mit den Worten Conditor alme siderum beginnt, war Jahrhunderte lang für das Breviarium Romanum offiziell vorgeschrieben:

Allmächtiger Sternenschöpfer du,
Allewiges Licht der Glaubenden,
Jesu, Heilbringer aller Welt,
Hör unser demutvoll Gebet.

Der du tieftrauernd sinken sahst
Die Menschheit in des Todes Schlund,
Und, heilend die erschöpfte Welt,
Den Büßern Heiltrankspender warst:

Zum Abend neigte sich die Zeit,
Da trat, wie aus dem Brautgemach
Der Bräutigam, aus dem würdigsten
Jungfrauen-Mutterschoß er dar.

Vor dem Gewaltigmachtenden
Beugt aller Knie sich demuttief;
Ob himmlisch es, ob irdisch sei,
Gehorsam ist es seinem Wink.

Die Sonne befolgt den Untergang,
Der Mond bewahrt den blassen Schein,
Der Glanz leuchtet in den Gestirnen wider,
Die ihren vorgeschriebenen Weg gehen.

Dich, Hehrer, bitten wir deshalb,
Dich Zukunftstrichter dieser Welt,
Beschirme gegenwärtig uns
Vorm Pfeil des tücketrächtigen Feinds.

Selbst in der Übersetzung, die notwendigerweise in beiden Fassungen vielfach vom lateinischen Text abweicht, sind die Unterschied erkennbar, in denen der Zeitgeschmack der jeweiligen historischen Epoche seinen Ausdruck findet. Allerdings verläßt auch die Renaissance-Version bei allen antikisierenden Anklängen an keiner Stelle den Bilder- und Gedankenkenraum des christlichen Glaubens – was nicht für alle Überarbeitungen der Hymnen unter Urban VIII. gesagt werden kann.

In den aktuellen nationalsprachlichen Fassungen finden sich stark unterschiedliche Versionen zum Teil aus dem 19. Jahrhundert, zum Teil aus der Gegenwart. Das deutsche Stundenbuch bringt die sprachlich modernisierte Übersetzung des Reformators und Revolutionärs Thomas Müntzer, wie sie in der evangelischen Tradition gebräuchlich ist. Müntzer folgt in seiner Übertragung generell dem Breviarium Romanum, er – oder seine Vorlage – ersetzen aber die zweitletzte Strophe durch die entsprechende der älteren Form.

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Die Ilustration stammt aus einer englischen Prachtbibel des 15. Jahrhunderts (Quelle und Näheres hier), wo sie dem 4. Schöpfungstag im Liber Genesis zugeordnet ist. Sie weicht in einem interessanten Punkt von neuzeitlicheren Illustrationen ab, die den Weltenschöpfer als den uralten Mann mit weißem Bart imaginieren – geradezu archetypisch dargestellt von Julius Schnorr von Carolsfeld in seiner Bilderbibel. Das steht natürlich quer zum textlichen Befund des Alten Testaments und auch zum Glauben der Kirche: Gott in seiner Ersten Person wohnt im unzugänglichen Licht und entzieht sich jeder Darstellung. Von Anfang an handelt der Allmächtige an und in der Welt nur durch sein Wort, seinen Sohn, in dem und mit dem alles geschaffen ist. Wer ihn sehen oder gar bildlich darstellen will, ist auf den Sohn verwiesen. Dem Mittelalter war das durchaus geläufig: Versuche zur individualisierenden Darstellung der ersten Person im Anklang an den „Alten vom Berge“ sind m.W. eine durch und durch neuzeitliche, also „moderne“ Angelegenheit.

Die englische Illumination weist dazu noch eine Besonderheit auf, die dem kunsthistorischen Laien hier zum ersten Mal auffällt: Der Nimbus des Logos-Christus ist nicht kreisrund, wobei seine drei Strahlen zumindest für meine Augen  die Ergänzung durch einen vierten hervorrufen und somit das Kreuz der Erlösung assoziieren, sondern betont die Dreistrahligkei: Die Schöpfung ist das Werk der ganzen hochheiligen Dreifaltigkeit.

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