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Als Weihnachten noch jung war

ArchivAn Hand der älteren Messformulare für die adventlichen Quatembertage versucht Fr. Hunwicke (hier und hier) in dieser Woche einen Blick zurück in die Zeit, als der Rhytmus der Jahreszeiten noch wie selbstverständlich zur Lebenswelt des Volkes gehörte – und Weihnachten als neues Fest erst mit pastoralem Bemühen in diesen Rhytmus eingepasst werden mußte.

Liturgische Erfindungen (1)

Ich möchte ganz ehrlich zu Ihnen sein: Ich weiß nicht, wann Weihnachten erfunden worden ist. Bis auf weiteres schl8eße ich mich der Vorstellung an, daß man die Kreuzigung des Herrn auf den 25. März datierte und deshalb seine Empfängnis für den gleichen Tag vermutete, so daß der 25. Dezember zu seinem Geburtstag wurde. Ich bin ganz entschieden nicht der Meinung, Weihnachten wäre eine christliche Übernahme des Festes von „Sol Invictus“, der unbesiegbaren Sonne. Wenn morgen oder übermorgen ein paar großsprecherische Journalisten uns das wieder weis machen wollen, erinnern Sie sich bitte daran, daß die Geschichtswissenschaft inzwischen zu der übereinstimmenden Ansicht gekommen ist, daß Sol Invictus eine späte heidnische Überformung von Weihnachten darstellt – und nicht umgekehrt.

In dieser Woche begehen wir im römischen Ritus die Advents-Quatember. Ursprünglich gab es nur drei solche Abschnitte… die Fasten-Quatember ist eine spätere Ergänzung. Jedenfalls haben wir die Quatembertage jetzt jeweils in der Woche nach Pfingsten – wobei viele von uns annehmen, daß es sich dabei um eine Weiterführung der heidnischen römischen Tage der Weizenernte handelt. Dann die Quatembertage im September, die die gleiche Stelle einnehmen wie die römischen Feiern der Weinlese, und dann eben die Quatember dieser Woche, die in die gleiche Zeit fällt wie die feriae sementinae (oder sementivae), die Tage der Aussaat. (Zum jüdischen Hintergrund vergl. Sach. 8:19).

Hier geht es weiterUnd diese großartigen Jahreszeitfeste der Tradition sind ihrem Ursprung nach Fasttage. Ganz ähnlich waren die heidnischen Festivitäten ursprünglich Tage, an denen die Römer die Götter baten, sich von den Feldern fernzuhalten. Vergessen sie die reichhaltige anthropomorphe Götterwelt der Griechen. Bevor sie hellenisiert wurden, hatten die Römer es mit Göttern zu tun wie dem Mehltau (Robigo) – ihm (oder ihr?) brachten Sie Opfer dar, damit sie ihren Feldern und Ernten fernblieben. Es ist scherzhaft, aber durchaus zutreffend gesagt worden, daß die Römer, wenn sie denn Fahrräder gehabt hätten, Punctura Opfer dargebracht hätten, um sie (oder ihn?) dazu zu bewegen, ihren Reifen und Schläuchen fern zu bleiben.

Vielleicht liegt darin zumindest einer der Gründe dafür, daß historisch die Quatember Fasttage waren und keine großartigen Gelegenheiten anglikanischer Art für Pfarrfeste, auf denen bemüht ins Versmaß gebrachte Hymnen vorgetragen wurden. Diejenigen, die das Breviarium Romanum beten, werden daran denken, daß in der gestrigen zweiten Nokturn der H. Leo seine Hörer daran erinnerte, decimi mensis celebrandum esse jiejunium, quo pro consummata perceptione omnium fructuum, dignissime largitori eorum Deo continentiae libamen offertur. (...daß im zehnten Monat ein Fasten einzuhalten ist, um dem erhabensten Spender aller Gaben ein Opfer der Enthaltsamkeit für den Erhalt aller Früchte darzubringen.)

Es gibt Anziechen dafür, daß die Quatembertage dieser Woche, die Quatember des zehnten Monats, ursprünglich die Hauptquatember darstellte und auch die einzige Gelegenheit war, zu der In Rom Weihen vorgenommen wurden.

Sagte ich „zehnter“? 

(Teil 2)

Ja, ich sagte „zehnter“ Monat, denn damals galt der Dezember immer noch als der zehnte Monat. Im leoninisch/veronesischen Sakramentar stehen die Messen dieser Woche unter der Überschrift „in der Fastenzeit des zehnten Monats“. Januar und Februar sind Eindringlinge, die frühen Römer als einfache Ackerbauern gaben sich keine Mühe, den ersten acht oder so Wochen des Jahres Namen oder Nummern zu geben, denn das war eine Zeit, in der auf ihren Feldern nicht viel los war.

Und ich vermute, dieses Sakramentar versetzt uns in den Stand, bis in eine Zeit zurückzuschauen, noch bevor der Advent als Vorbereitung auf Weihnachten erfunden worden war - in eine Zeit, in der Weihnachten noch neu war, und noch weiter zurück in eine Zeit, als Weihnachten noch gar nicht erfunden war.

Die Quatembermessen unseres gegenwärtigen römischen Messbuchs, wie es vom hl. Papst Pius V. redigiert worden ist, unterliegen sehr stark dem Einfluß des bevorstehenden Weihnachtsfestes. Sie sind adventisiert worden! Das bedeutet nicht, sie gering zu schätzen, im Gegenteil. Ich rate jedem, der die Messe an einem Ort besuchen kann, der noch nicht unter der schweren Hand von Papst Franziskus liegt, wenn irgend möglich daran teilzunehmen. Vor allem an den ganz erlesenen Rorate-Messen von Mittwoch, Freitag und Samstag dieser Woche. Sie sind sehr wahrscheinlich wagemutige Neuerungen des hl. Papstes Gregor I., die der hl. Augustinus von Canterbury im Jahr 597 ganz frisch aus der Schreibstube nach England gebracht hat.

Ich denke, es ist reizvoll, einen vorwitzigen Blick hinter den Vorhang der Messen des Veroneser Sakramentars für die Quatembertage des Dezember zu werfen. Ich hoffe, sie werden deshalb keine schlechte Meinung von mir bekommen.

Einige dieser frühen Gebetsformeln zeigen nicht die geringste Spur von Weihnachtsfieber oder Adventsmotiven. Die erste von diesen Messen bittet Gott mit ganz schlichter bäuerlicher Betonung darum, unsere Tage fruchtbar zu machen. Und in der dazugehörigen Präfation finden wir das Folgende - hier in einer etwas rohen Übersetzung:

Denn durch die sichtbaren Ding werden wir darüber unterrichtet, wie wir uns den unsichtbaren Dingen nähern sollen. Außerdem werden wir durch den Fortgang des Jahres als unseren Lehrer belehrt, uns den zukünftigen Dingen und dem neuen Leben anstelle des alten zuzuwenden, damit wir , von den irdischen Dingen ermuntert, mit größerem Verlangen nach den Früchten der himmlischen Gaben greifen, so daß wir durch die übertragene Wirkung jener Nahrung, die wir als erste erbitten, zu der Nahrung gelangen, die ewig währt.

Ich denke, die Gedanken des Papstes, der dieses Gebet formuliert hat, sind fest auf die Idee ausgerichtet, daß seine Gläubigen an diesem Wendepunkt des natürlichen Jahreskreises durch das Längerwerden der Tage und das Wachstum der Ernten daran erinnert werden sollten, daß Gottes Versprechen eine ewige und unveränderliche Nahrung bereithält. So, wie er es im Super populum ausgedrückt hat: transeuntium rerum necessaria consolatione foveatur et fiducialius ad ad aeterna [plebs] contendat. (Durch die Befriedigung der Bedürfnisse der vorübergehenden Welt möge [das Volk] sich auch treuer dem ewigen zuwenden.)

Er - oder ein anderer Papst - zeigt in einer anderen Messe dieses Zeitabschnitts durchaus ein gewisses Bewußtsein von Weihnachten. Indem wir dankbar sind für die Gaben, die wir empfangen haben, so sollten wir seiner Meinung nach umso mehr dafür danken, daß wir über die Fruchtbarkeit der Natur hinaus mit gereinigtem Geist die hoch zu verehrende Geburt des ewigen Brotes empfangen.

Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber das kommt mir wie die Formulierung eines Hirten vor, der die allgemein anerkannten und überlieferten Vorstellungen seiner Herde, die auf den Wechsel im Jahresablauf nach der Sonnenwende schaut, dazu heranzieht, sie zu einer ernsthafteren Feier der Geburt Christi aufzufordern.

Für ihn ist Weihnachten etwas, wozu seine Leute angehalten werden müssen. Das Längerwerden der Tage und das Sprießen der Ernte sind selbstverständlichkeiten - auf die er sich dabei stützen kann.

Für ihn und seine Herde ist Weihnachten immer noch ein wenig neu!

Wir, die wenigen Auserwählten, die die Quatembertage einhalten, können uns in der erhebenden vorstellung wiegen, daß wir mit unseren Gedanken hier in die Zeit vor Weihnachten zurücklangen. Das schlichte Vergnügen, Teil einer liturgischen Tradition zu sein, die uns mit dem Jahreszeitlichen Rhythmus Israels und dem des ländlichen Italiens verbindet! Das zweite Vatikanum hat sie niemals abgeschafft, tatsächlich hat Papst Paul VI.in den Normae, die er 1969 in Kraft setzte, den Bischöfen die Aufgabe zugewiesen, die Zeiten für die Quatembertage (und die Bittage) festzusetzen. (Er dachte dabei an die Farmer auf Tasmanien und den Falklands.)

Ich denke, Arthur Roche wird sich bald um dieses kleine Detail kümmern. Es ist nie zu spät, das Richtige zu tun.

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