Appell von Bischof Schneider an Franziskus
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- 11. Januar 2022
Während wir auf dem Synodalen Weg zur Synode über Synodalität 2023 voranschreiten, ist im mystischen Körper Christi, der Kirche, eine Wunde entstanden. Damit meinen wir natürlich den geistlichen Schmerz und die Ungerechtigkeit, die einer beträchtlichen Zahl guter Katholiken jeden Alters, Laien ebenso wie Klerikern, durch die Veröffentlichung von Traditionis Custodes durch Papst Franziskus am 16. Juli 2021 und die Responsa ad Dubia der Gottesdienstkongregation am 4. Dezember 2021 zugefügt worden sind. Die überwiegende Mehrheit der Gläubigen, Laien und Kleriker, die dem traditionellen römischen Ritus verbunden sind, halten sich von jeder kirchenpolitischen und liturgischen Polemik fern und sie respektieren den Papst und ihre Bischöfe und beten für sie. Sie bitten nur um das Recht, weiterhin sowohl hinsichtlich der Messfeier als auch aller anderen Sakramente und Riten, voll in dem liturgischen Erbe weiterleben zu können, in dem sie und Generationen von jungen Katholiken aufgewachsen sind. Tatsächlich hat der apostolische Stuhl ihnen dieses Recht während der Pontifikate von Papst Johannes Paul II. Und Papst Benedikt in einer großzügigen pastoralen Geste garantiert.
Diese geistliche Wunde und ihre schmerzhaften Folgen (sowohl pastoral als persönlich) für viele tausend Katholiken sind öffentlich bekannt. Das kostbare und überaus alte liturgische Erbe (das gemeinsamer Besitz der ganzen Kirche ist und nicht verloren gehen darf) ist bedroht. Daher haben die Bischöfe entsprechend dem im gegenwärtigen Synodalen Weg empfohlenen Verfahren die Pflicht, öffentlich und freimütig ihre tiefgehenden Bedenken auszusprechen. In seiner Ansprache zur Eröffnung des Synodalen Weges am 9. Oktober 2021 sagte Papst Franziskus: wenn wir nicht diese Kirche der Nähe in einer Haltung des Mitgefühls und der zärtlichen Liebe werden, dann sind wir nicht die Kirche des Herrn.“
Möge Papst Franziskus erkennen, daß er schlecht beraten war, und möge er pastoralen Mut, Demut und wahre Liebe für die an den Rand gedrängten Söhne und Töchter der Kirche zeigen, indem er die rechtlichen Vorgaben, wie sie in den beiden oben genannten Dokumenten enthalten sind, zurücknimmt. Dadurch würde er gewiss „die Wunden verbinden und die gebrochenen Herzen mit dem Balsam Gottes“. (Ansprache zur Eröffnung der Synode am 9. Oktober 2021) heilen.
In diesem Zusammenhang erinnern wir zu Recht an einen großen Heiligen, der als wahrer Friedensstifter in die Kirchengeschichte eingegangen ist: Den hl. Irenäus von Lyon (202). In einem kritischen Augenblick der Kirchengeschichte, als der der apostolische Stuhl gegen Ende des 2. Jahrhunderts einer Gruppe von Geistlichen und Gläubigen im Widerspruch zu anderen legitimen liturgischen Traditionen einen einheitlichen Ausdruck der „lex orandi“ (das Datum für Ostern) auferlegen wollte, legte der hl. Irenäus Widerspruch ein und wandte sich respektvoll an Papst Victor I. (†197), um ihn an die pastorale Großzügigkeit und Mäßigung seiner Vorgänger zu erinnern, insbesondere von Papst Ancietus (†168), der, obwohl er andere liturgische Ansichten als der hl. Polycarp (ein Schüler des Apostels Johannes) hatte, dennoch den unbehinderten Fortbestand einer anderen liturgischen Tradition zuließ. (vergl. Eusebius von Caesarea, Historia Ecclesiae V; 23). Papst Victor I. scheint auf den brüderlichen Appell des hl. Irenäus gehört zu haben.
Papst Franziskus hat kürzlich die freudige Nachricht verkündet, daß er den hl. Irenäus unter der Bezeichnung Doctor Unitatis zum Kirchenlehrer erklären will. (Ansprache vor der gemeinsamen katholisch-orthodoxen Arbeitsgruppe zum hl. Irenäus am 7. Oktober.) In Erinnerung an das Vorbild des hl. Irenäus, des Friedenstifters und künftigen Doctor Unitatis, und auch im Gedenken an seine Vorgänger Johannes Paul II. und Benedikt XVI. sollte Papst Franziskus auf die Stimme vieler seiner Kinder hören, junge Leute, Väter und Mütter, Seminaristen und Priester, die der überlieferten Liturgie verbunden sind, und ihren das etablierte Recht zum Gottesdienst nach all den liturgischen Büchern zusichern, die bis zu der kürzlichen Liturgiereform in Gebrauch waren. Auf diese Weise könnten diese an den Rand gedrängten Söhne und Töchter der Kirche wahrnehmen, daß sie „Teil des Lebens der Gemeinschaft sind, ohne behindert, zurückgewiesen oder verurteilt zu werden“ (Predigt von Papst Franziskus bei der hl. Messe zur Eröffnung des Synodalen Weges am 10. Oktober 2021).
Papst Franziskus hat alle in der Kirche aufgerufen, „offen für die Fragen unserer Schwestern und Brüder zu sein und uns von der Vielfalt der Charismen bereichern zu lassen“ (Predigt bei der Messe zur Eröffnung des Synodalen Weges). Möge Gott Papst Franziskus die Gnade schenken, wahrhaft Papst des liturgischen Friedens zu sein und alles zu fördern, „was wahr, was ehrwürdig, was gerecht, was rein und was schön ist“ (Phil 4, 8). Wenn Papst Franziskus mit solcher Liebe und pastoraler Demut haneln würde, wäre nichts verloren – und alles gewonnen. Und der „Gott des Friedens“ wäre mit ihm und mit allen Gläubigen (vergl. Phil 4,8).
+ Athanasius Schneider, Weihbischof der Erzdiözese der hl. Maria in Astana
(Eigene Übersetzung der englischen Fassung auf OnePeterFive)