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Aschenkreuz und Memento mori

Bild: Adriaen van Utrecht, 1599- 1652Das Aschenkreuz, das heute wieder in vielen Kirchen gespendet wird und dessen Empfang in einigen Ländern geradezu Kultstatus gewonnen hat, auch unter Nicht-Gläubigen, vereinigt in sich zwei Traditionen, die unterschiedlicher kaum sein könnten. Die eine geht zurück auf die aus dem Alten Testament belegte Sitte, wie sie auch im Evangelium des heutigen Tages angesprochen wird, sich als Zeichen der Buße klein und häßlich zu machen: Zerrissene Kleider zu tragen, das Gesicht mit Schmutz und Asche zu beschmieren. Seit der frühesten Zeit ist diese Sitte auch bei den Christen belegt.

In „Sack und Asche“ zu gehen war ein dramatisches äußeres Zeichen für die innere Bußgesinnung, und wie alle äußeren Zeichen – Stichwort virtue signaling - unterliegt es der Gefahr der Entwertung und sogar Fälschung, nämlich dann, wenn das äußere Tun nur dazu dient, darüber hinweg zu täuschen, daß es an der inneren Einstellung und der Bereitschaft zu einer tatsächlichen Umkehr mangelt. Im Idealfall war (und ist) es jedoch Ausdruck echter Bußgesinnung und Zeichen dafür, daß ein Mensch bereit war, seine Fehler zu bereuen und die Gebote Gottes zu halten. Ausgangspunkt bei dieser Betrachtungsweise ist ganz eindeutig der Mensch und sein Handeln

Im Lauf der Jahrhunderte hat dieses äußere Zeichen allerdings seine Bedeutung etwas verschoben. Heute wird das Aschenkreuz – und das erklärt auch seine Popularität unter Nicht-Gläubigen – in der Hauptsache als memento mori verstanden: „Bedenke, daß Du Staub bist und zum Staube zurückkehrst“. Einmal im Jahr ist diese Erinnerung Vielen zum seelischen Ausgleich durchaus willkommen – solange das nicht auf die anderen 364 Tage übergreift.

Das Besprengen mit Asche hat jedoch noch eine zweite Traditionslinie, die ebenfalls bereits auf das Alte Testament zurückgeht. Wer durch Kontakt mit dem Tode nach dem Gesetz „Unrein“ geworden oder „in Sünde gefallenen“ war, konnte diese Unreinheit von einem Priester durch Besprengen mit der Asche einer roten Kuh aufheben lassen. (S. Hebr. 9,13). Hier geht es weiter Diese Asche war überaus kostbar, denn sowohl an die Eigenschaften der „Roten Kuh“ als an die Art ihrer Opferung wurden höchste Anforderungen gestellt, die fast unmöglich zu erfüllen waren. Wie die Rabbinen überlieferten, konnten in der ganzen Zeit von Moses bis zur Zerstörung des zweiten Tempels nur Sieben (nach einer anderen Zählung waren es Neun) solcher Kühe aufgefunden und dem Ritus entsprechend geopfert werden – der Vorrat an der Asche dieses Opfers war einer der bestgehüteten Schätze des Tempels. Und so vergleicht Paulus diese Asche denn auch mit dem kostbaren Blut, das der Erlöser am Kreuz vergossen hat, um das, was in der Asche der Roten Kuh nur unvollkommen anmgedeutet war, zu vollenden: Hinweg zu nehmen die Sünde der Welt.

Doch schon in seiner unvollkommenen Form hatte das, was beim Besprengen mit der Asche der Roten Kuh geschah, seinen Ausgangspunkt nicht im menschlichen Tun, sondern im Gnadenhandeln Gottes. Es war ein „Proto-Sakrament“, wenn man so sagen kann, des alten Bundes, und von daher vergleichbar mit den Sakramentalien der Kirche.

Tatsächlich lassen die Segnungsgebete der alten Liturgie für die Asche des Aschermittwochs keinen Zweifel daran, daß diese Asche mehr ist als ein memento mori oder ein außeres Zeichen für innere Bußgesinnung. Im ersten dieser Gebete heißt es in einem Ton, der fast die Würde einer Weihepräfation ausstrahlt:

Sende huldvoll vom Himmel herab Deinen heiligen Engel, daß er diese Asche +segne und +heilige, sie sei eine heilsame Arznei für alle, die demütig Deinen heiligen Namen anrufen und im Bewußtsein der Sünde sich anklagen…

Das zweite Weihegebet nimmt dann auch den Aspekt der Zeichenhaftigkeit in den Blick:

Segne +huldvoll diese Asche, die wir zum Zeichen unserer Armseligkeit und um uns Verzeihung zu erwirken, auf unsere Häupter streuen lassen: Nun, da wir erkennen, daß wir Staub sind … laß uns durch Dein Erbarmen Nachlaß aller Sünden erlangen...

Das dritte verbindet beide dann im vollen Verständnis der Kirche von den Sakramenten und ihren Sakramentalien:

Neige das Ohr Deines väterlichen Erbarmens zu unserem Flehen und gieße huldvoll die Gnade Deines Segens auf die Häupter Deiner Diener, die mit Asche bestreut werden. Erfülle sie mit dem Geist der Zerknirschung und verleihe ihnen wirklich, um was sie in rechter Weise bitten.

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