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Der Katechismus im Messbuch

Bild: Eigene AufnahmeDie Missale Romanum des Verlages Pustet in Regensburg waren über ein halbes Jahrhundert lang, nämlich in den Jahren (ungefähr) von 1885 bis 1935, führend auf dem Weltmarkt für Messbücher. Nicht ohne Stolz stellte das Unternehmen bis zum I. Weltkrieg seine Firmensitze in Ratisbona (Regensburg), Novum Eboracum (New York) und Cincinnati heraus; in manchen Jahren war auch noch Rom dabei. Diese starke Stellung galt nicht nur in wirtschaftlicher Hinsicht und beruhte auch nicht in erster Linie auf der der druck- und bindetechnisch hervorragenden Machart. Ihren Ruf und ihren Umsatz verdankten die Missale von Pustet der überaus gediegenen grafischen Gestaltung sowohl in der Typographie als auch bei den gegenüber früherer Gewohnheit stark vermehrten grafischen Ausstattung mit Kapitelköpfen zum Beginn und Vignetten zum Abschluß der einzelnen Abschnitte. Ihr eigentliches Charakteristikum sind die in der Regel als Holzschnit ausgeführten Schwarz-Weiß-Illustrationen, die über die Jahre 1890 bis 1950 praktisch unverändert blieben und diesen Messbüchern einen hohen Wiedererkennungswert verleihen.

Bei diesen Bildern handelt es sich nicht nur wie in den vorhergehenden Jahrhunderten um „Illustrationen“, die mehr oder weniger glücklich den Festgedanken zum Ausdruck bringen: Die Krippe von Bethlehem an Weihnachten, die hl. Drei Könige an Erscheinung des Herrn; Maria und die Jünger im Obergemach von Jerusalem bei der Ausgießung des Geistes zu Pfingsten…

Die Festtags-Illustrationen von Pustet sind wie früher schon gelegentlich im Barock aufwendig eingerahmt, aber diese Rahmungen sind nicht nur dekorativ, sondern sie bilden inhaltlich ein „Framing“, indem sie den jeweiligen Festgedanken mit seinen „Typoi“ aus dem alten Testament umgeben.

Hier geht es weiterDie Typologie, die Lehre von den Vorgestalten, ist seit der Zeit der frühesten Kirchenväter die bevorzugte Methode der Kirche zum Verständnis des Alten Testements. Sie deutet die Ereignisse und Personen von dessen Schriften vom Neuen Testament her und deckt so die untrennbare Verbindung zwischen den früheren und der letzten Stufe der Offenbarung auf. Die moderne Theologie hat sich unter verschiedenen Vorwänden von dieser in der Tradition fest verankerten Vorgehensweise abgewandt – von daher ist es sicher kein Zufall und nicht nur einem Wandel ästhetischer Vorlieben geschuldet, daß das letzte Missale bei Pustet mit den „typologischen Holzschnitten“ 1955 herauskam und nur noch wenig Anklang fand.

Bei dem oben dabgebildeten Titelblatt einer Ausgabe aus dem Jahr 1884 ist diese typologische Umrahmung, da sie ja dem ganzen Messbuch gelten soll, besonders reichhaltig ausgeführt. Die Einzelheiten werden noch in einem späteren Beitrag zu behandeln sein. Hier, wo die auch in der Vergrößerung technich begrenzte Bildqualität viele Details verschluckt und die Schrift unlesbar macht, nur die wesentlichen Hinweise: Im Zentrum eine klassische Darstellung des letzten Abendmahls, vorne am Tisch – und damit bereits von den anderen getrennt – zergrübelt Judas mit dem Geldbeutel, der mit „XXX“ gekennzeichnet ist. Links davon das Opfer des Priesterkönigs Melchisedech von Brot und Wein mit dem vor ihm knienden Stammvater Abraham, rechts die zum Aufbruch aus Ägypten bereiten Juden beim ersten Paschamahll, einem männlichen Lamm ohne Makel. Die Medaillons in den vier Ecken enthalten Hinweise auf passende Schriftstellen.

Im unteren Teil dann links: Moses und der Stab mit der ehernen Schlange, die das Volk von dem Gift der Schlangen heilte, die wegen seiner Sünden über es gekommenen waren. Darunter die vor der Eroberung des gelobten Landes ausgesandten Kundschafter mit einem Zeugnis von dessen Fruchtbarkeit; ganz unten der Blick hinter den Vorhang in das Allerheiligste des Ersten Tempels mit dem siebenflammigen Leuchter und den Cherubim auf der Bundeslade – deren Deckplatte der Schemel für die Füße der Gegenwart des Herrn war. Auf der rechten Seite oben die vom Engel in letzter Minute abgewendete Opferung Isaaks – die Vorgestalt Christi ist hier das Opferlamm im Dornenstrauch. Dann die Juden des Exodus beim Aufsammeln des ihnen vom Himmel gesandten Manna, und unten rechts schließlich in genauer Entsprechung zur Bundeslade auf der linken Seite die Darstellung der Eucharistischen Gegenwart des Herrn mit der Stelle aus Matthäus 28: Seht, ich werde bei euch sein bis ans Ende der Tage.

So ist hier wie in einem Katechismus wenn nicht die ganze Lehre vom Meßopfer, so doch eine Zustammenstellung ihrer wichtigsten Elemente, enthalten – und das nicht in theologischer Ableitungen, sondern geschöpft aus der Offenbarung des Alten und des Neuen Bundes.

Im Prinzip sind alle Festtags-Illustrationen der Pustet-Missale auf ähnliche Weise zu lesen. Einige davon sollen hier in den kommenden Wochen vorgestellt werden.

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