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Der hl. Joseph und seine Vorgestalt

Bild: Eigene Aufnahme aus Missale 1884Wegen technischer Probleme können wir das Bild zum Fest des hl. Joseph aus dem Pustet-Missale von 1884 erst heute zeigen und kommentieren.

Das zentrale Bild zeigt ein heute nur noch selten dargestelltes Motiv: Den Tod des hl. Joseph, umgeben von seiner ihm anvertrauten Braut Maria und dem göttlichen Pflegesohn. Die Szene ist nicht biblisch belegt, hat aber durchaus einige Wahrscheinlichkeit für sich. Bemerkenswert vielleicht noch aus heutiger Sicht: Der Heilige liegt nicht auf dem Totenbett, sondern gibt sein Leben aufrecht in einem Sessel sitzend in die Hand des Schöpfers zurück. Bis in die Mitte des 19. Jh. war das die bevorzugte Stellung des Sterbens bei denen, die die Gnade hatten, nicht aus schwerer Krankheit oder unter Krämpfen und -schmerhen den letzten Weg antreten zu können. Der Tod selbst war nicht eine tödliche Krankheit sondern gehörte als dessen Abschluß zum Leben dazu.

Die Typologie stellt, wie wir das auch schon aus der Litanei zum hl. Joseph kennen, vor allem den Bezug zu Joseph dem Sohn Jakobs heraus, dessen Geschichte in Genesis, Kapitel 37 und folgende, in großer Breite erzählt wird: Wie er von seinen Brüdern in die Sklaverei verkauft wurde, dort nach Leiden und Wirrungen zu großen Ehren aufstieg und schließlich seinen Brüder vergab und deren Volk in der Hungersnot beistand.

Das Mittelbild links zeigt die Szene aus Gen. 41,40, in der Pharao den Joseph zum Regenten einsetzt, der das Reich auf die prophezeite Hungersnot vorbereiten soll: „Tu eris super domum meam, et ad tui oris imperium (cunctus populus obediet)“. „Du sollst über mein ganzes Haus gesetzt sein und alles Volk soll dem Befehl deines Mundes gehorchen.“ Das Mittelbild rechts zeigt eine andere Szene aus der gleichen Geschichte, als das Volk sich nach Eintritt der Hungersnot hilfesuchend an Pharao wendet und der ihnen sagt: „Ite ad Joseph, et quidquid ipse vobis dicerit (facite)“. Wendet euch an Joseph und dann tut, was er euch sagt. (Gen 41,55)

Hier geht es weiterDie Vignette links oben soll wohl König Salomon als vermuteten Urheber des Buches der Weisheit zeigen, in dessen 10. Kapitel (Verse 10-14) Die Weisheit als Führerin eines Verbannten (profugum) angesprochen wird, in dem man nicht zu Unrecht Joseph von Ägypten erkennen kann: „Sie (die Weisheit ist es, die den verkauften Gerechten nicht aufgab, … und in den Fesseln nicht verließ, bis sie ihm den Zepter des Reiches gaben.“ Links unten bezieht sich eher unbestimmt auf die Abschiedsrede, die Jakob bei seinem Tod an seine Söhne richtete (Genesis Kapitel 49 ganz), und in der es von Joseph heißt: „seiner Arme und Hände Fesseln lösten sich ...so ging der Hirt hervor, der Grundstein Israels. Der Gott deines Vaters wird dein Helfer sein, der Allmächtige wird dich segnen mit Segen von oben und mit Segen aus den Tiefen von unten, mit Segen der Brüste und des Mutterschoßes. Die Segnungen deines Vaters werden die Segnungen seines Vaters übertreffen, den Segen der uralten Berge und das Verlangen der ewigen Hügel“ (Verse 24-26)

Die Vignette rechts oben zitiert einen Psalm – danach wird die Abbildung wohl König David darstellen. Allerdings findet sich in Ps. 21 weder das Wort „constituit“ noch irgendein Zusammenhang mit Joseph. Beides dagegen in Psalm 104, der in geraffter, aber überaus eindringlicher Form die Heilsgeschichte Israels wiedergibt – und in Vers 17 – 22 auch die Josephserzählung. Solche Zitierfehler finden sich gerade bei den Psalmen des öfteren – vielleicht waren die Holzschneider oder Drucker nicht immer Willens und im Stande, eine neue in roter Farbe auszuführend Aufschrift für das Spruchband herzustellen. Auf eine andere Fehlerquelle ist in einem weiteren Beitrag zum Thema „Pustet-Missale“ noch ausführlicher einzugehen: Die Vignetten lagen als Versatzstücke vor, die in verschiedene Abbildungen und Formate eingesetzt werden konnten. Da konnte man sich schon einmal vertun.

Das Problem tritt auch bei der Vignette rechts unten auf, und dort sogar in verschärfter Form: Ein „qui custos“ ist weder in Psalm 27 noch überhaupt irgendwo im Psalter (zumindest in den elektronisch durchsuchbaren Ausgaben) enthalten, und in den Psalmen 27 oder 127 und den davor oder danach stehenden ist auch Inhaltlich nichts aufzufinden, was im Zusammenhang mit Joseph irgendwie weiterhelfen könnte. Die Abbildung selbst ist auch nicht sehr erhellend – sie ist „typisch“ für Verweise auf einen der vielen Propheten oder Stammväter des Alten Testaments.

Bleibt noch ein erster kurzer Seitenblick auf die Frage: Warum Joseph der Sohn Jakobs, über den die Schrift bemerkenswert viel zu erzählen weiß, als Typos von Joseph dem Baumeister/-Handwerker (griech. Tektonn) angesehen wird, von dem biblisch noch nicht einmal der Vatersname sicher überliefert ist: Im Stammbaum bei Lukas heißt er Eli, bei Matthäus Jakob.

Womit schon eine erste Ähnlichkeit genannt wäre. Eine zweite liegt darin, daß beide Josephs uns als Träumende erscheinen: Im Traum empfangen sie Unterweisung und Offenbarungen, die letztlich den ganzen Gang der Heilsgeschichte beeinflussen. Auch daß Joseph im Kleinen ein ebenso treusorgender Hausvater war wie der Wesir des Pharao im Großen mag man daraus schließen, beide stehen in der Kette der Heilsgestalten, die zum Messias hinführt – aber damit sind die Ähnlichkeiten denn auch schon zu Ende.

Wichtige und vor allem spezifischere Elemente der Geschichte Josephs von Ägypten finden beim uns weitgehend unbekannt bleibenden Nährvater von Nazareth keine Parallele: Die dramatische Lebenswendung vom Absturz in den Brunnen und die Sklaverei, die Befreiung von den Ketten und der Aufstieg am Hofe, die Wiederbegegnung mit den üblen Brüdern von einst und die Versöhnung und überreiche Vergeltung mit Gutem, die Zeugung eigener Nachkommen als Glieder der oben genannten Kette – die freilich in sublimierter Form auch in Nazareth wieder erscheint.

Und dann ist da natürlich noch die Namensgleichheit, die Joseph von Ägypten und Joseph von Nazareth miteinander (aber auch mit anderen Gestalten aus dem Alten Testament) verbindet. Konnte es ohne tieferen Sinn sein, daß eine der am farbigsten ausgestalteten Figuren des alten Bundes und der nur in wenigen Strichen erkennbare Angelobte Mariens den gleichen Namen tragen? Der oftmals mehr allegorischen als analytischen Denkweise der Kirchenväter, auf die die Zuweisung von Paaren nach dem Muster Typos – Antitypos zurückgeht, waren auch oberflächlichere Ähnlichkeiten willkommen, um sich daraus zu Gedanken über das Sinngewebe der heiligen Schrift, der ganzen heiligen Schrift, anregen zu lassen. Anregung zum Nachdenken - in diesem Sinne verdient die vom (oft nur pseudo-analytischen) Geist der Moderne für überholt erklärte Lehre von den Vorgestalten der Heilsgeschichte im alten Testament auch heute noch unsere Beachtung.

Die Illustrationen der Pustet-Messbücher aus der Wendezeit vom 19. zum 20. Jahrhundert erscheinen heute als ein letzter und zunächst erfolgloser Versuch, dieser Weisheit aus der langen Geschichte der Kirche auch für die Gegenwart einen hervorgehobenen Platz zu geben.

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