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Quatember zum Winteranfang

Bild: ArchivMit dem Mittwoch nach dem 3. Adventssonntag, kurz vor Anbruch der astronomischen Winterzeit, beginnt nach der Tradition die Winter-Quatember. Im Zuge der nachkonziliaren Liturgiebrüche wurden die traditonellen Termine aufgegeben bzw. in das Belieben lokaler Bischofskonferenzen gestellt. In Deutschland rückte die Winterquatember in die Woche nach dem ersten Adventssonntag. Irgendein sachlicher Grund für diese „Verrückung“ ist nicht zu erkennen. Sie erfolgte wohl vor allem aus Lust am „alles anders“, und „selbst bestimmen“ – so ist es letztlich nur konsequent, daß der solcherart aus dem kosmischen Bezug gelöste und beliebig gemachte jahrtausendealte Brauch fast vollständig vergessen worden und verlorengegangen ist.

Im Schott Online, den wir hier als Referenz für den real existierenden Novus Ordo verwenden, ist auch in der Woche nach dem 1. Adventssonntag die Quatember unerwähnt. Die liturgischen Besonderheiten der Quatembertage sind restlos verschwunden. Dementsprechend werden die Quatembertage gegenwärtig in Deutchland nur noch in wenigen Gemeinden wahrgenommen und in irgendeiner Form begangen – mit Ausnahmen sind die Gemeinden und Gemeinschaften der Tradition, die das Missale von 1962 (oder ein noch älteres) verwenden.

Tatsächlich gehören die Quatembertage mit zum ältesten Erbe, das die Kirche vom Judentum und den heidnischen Gesellschaften aufgenommen und überformt hat. Die Einrichtung der Quatembertage wird im Liber Pontificalis, das auf das 4. Jahrhundert zurückgeht, dem Papst Callistus (217-222) zugeschrieben; Papst Leo der Große (440 – 461), von dem mehrere Quatemberpredigten erhalten sind, führt ihren Ursprung direkt auf die Apostel zurück. Hier geht es weiterDas ist insoweit durchaus plausibel, als es bereits in vorchristlicher römischer Tradition vergleichbare „Markierungstage“ für den Übergang zwischen den Jahreszeiten gab. Es ist ein aus den vorindustriellen Epochen vielen Kulturen bezeugtes allgemein menschliches Bedürfnis, die Abfolge der Jahreszeiten durch den öffentlichen Kultus zu akzentuieren und bewußt zu machen.

Soweit frühe Kulturen das Jahr in vier Jahreszeiten einteilten, ergab sich daraus geradezu „naturwüchsig“ die Zahl von vier solchen Bet- und Festtagen. Aber auch im Judentum, dessen Umwelt entsprechend den klimatischen Gegebenheiten des vorderen Orients eine abweichende Einteilung des Jahres nahelegt, sind bereits vier von der Landwirtschaft motivierte Fasttage belegt: Im vierten, fünften siebten und im zehnten Monat (Sacharja 8, 19). Papst Leo stellte in einer Predigt zur Winterquatember den Zusammenhang zwischen Erntedank und Fasten so her: „Nach vollendeter Ernte ist es geziemend, dem Spender allen Segens durch Mäßigung des Genusses geziemenden Dank darzubringen - das nähert uns Gott und verleiht uns die Stärke, den Verlockungen der Welt besser zu widerstehen, denn stets war das Fasten eine Nahrung für die Tugend.“

Traditionell gelten als Quatembertage der Mittwoch, der Freitag und der Samstag der jeweiligen Woche. Warum fehlt der Donnerstag? Warum gibt es nur drei statt vier Buß- und Bettage in der zweiten Wochenhälfte? Darüber scheint es nur Vermutungen zu geben. Eine dieser Vermutungen geht darauf hinaus, daß man sich bewußt von den jüdischen Fasttagen absetzen wollt. Das Verhältnis der frühen Christenheit zu ihren jüdischen Wurzeln und Traditionen ist ja durchaus zwiespältig. Einiges wurde unproblematisiert übernommen - etwa die siebentägige Woche. Anderes wurde bewußt geändert - nicht mehr der Sabbat als Ruhetag des Schöpfers, sondern der Sonntag als Tag der Auferstehung wurde zum Feiertag. Die Juden, insbesondere die Pharisäer, hielten zwei Fasttage in der Woche: den Dienstag und den Donnerstag. Die Christen behielten die Tradition der zwei Fasttage bei - verlegten sie aber auf Mittwoch und Freitag als die Tage, an denen der Herr verraten wurde und am Kreuz starb.

Unreflektierte oder gar unveränderte Übernahme jüdischer Gewohnheiten galt den frühen Christen, die sich nicht nur in Palästina oft von synkretistischen Strömungen bedroht sahen, als verwerfliches „judaizieren“. Gut möglich, daß man deshalb den Donnerstag als Fasttag bewußt mied und demgegenüber den Sabbat gerne vom Fest- zum Fasttag machte. Man kennt dergleichen interkonfessionelle Nickeligkeiten: Noch in den 50er Jahren hängten in gemischtkonfessionellen Gebieten Deutschlands die Katholiken gerne am Reformationstag demonstrativ im Garten Wäsche auf – während die Protestanten an Fronleichnam ihre Teppiche klopften. Findige Geister wußten solchen Problemlagen auch stets Produktives abzugewinnen: Wie macht der fromme Jude denn den Sabbat zum Feiertag, wenn er in der Küche kein Feuer machen darf und sich auch sonst durch vielerlei Vorschriften behindert sieht? Nun - dafür gibt es den Schabbesgoj, einen Christen aus der Nachbarschaft, der gegen geringes Entgeld oder drei Eier ins Haus kommt und dort mit gutem Gewissen all das verrichtet, was die Hausfrau nicht darf. Die ganz Frommen beider Seiten hatten auch dagegen Einwände - aber werden wir leben, werden wir sehen.

Wie dem auch sei – in der Reihe der Quatembertage fehlt der Donnerstag. In der überlieferten Liturgie sind die Messen des Quatembers im Advent durch einen außergewöhnlichen Reichtum an Lesungen und Gesängen gekennzeichnet – insbesondere der Quatembersamstag. Während der Mittwoch neben dem Evangelium nur zwei Lesungen hat, sind für diesen Samstag gleich 6 zusätzliche Lesungen vorgesehen. Damit steht dieser Tag hinsichtlich der Lesungszahl gleich an zweiter Stelle hinter dem Karfreitag mit 12 Lesungen. Nach Rupert von Deutz scheinen es auch am Quatembersamstag im Advent ursprünglich 12 gewesen zu sein, von denen allerdings bereits zu seiner Zeit nur noch 6 vorgetragen worden sind. Außerdem sind die Quatembersamstage – und dabei bevorzugt der im Advent – in der römischen Kirche seit alters her bevorzugte Tage für die Erteilung der heiligen Weihen.

Da, wo die Liturgie nach dem überlieferten Missale gefeiert wird, konkurrieren allerdings am Quatembersamstag des Advent zwei unterschiedliche Traditionen miteinander: Neben der eigentlichen Quatember-Messe steht auch die als Rorate-Messe gefeierte Messe der hl. Gottesmutter zur Wahl, ihr wird oft der Vorzug gegeben. Einmal, weil nur in den seltensten Fällen die Möglichkeit besteht, die originäre Quatember-Messe wie es ihrem Aufbau am besten entspricht als Weihemesse zu feiern, dann aber auch, weil die vor Tagesanbruch nur bei Kerzenlicht gefeierte Rorate-Messe für viele Gläubige einen emotionalen Höhepunkt des Kirchenjahres bedeutet.

Dagegen ist nichts zu sagen. Allerdings ist dafür auch ein Verlust in Kauf zu nehmen: Die Messe des Quatembersamstages im Advent ist von allen Adventsmessen diejenige, die die Erwartung des Herrn am stärksten zum Ausdruck bringt. Sie ist vieleicht am tiefsten von allen Liturgien in der Tradition des auserwählten Volkes verankert. Einen eingehenderen Blick auf diese Lesungen des Quatembersamstags im Advent haben wir für den kommenden Samstag vorgesehen.

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