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Zum Beginn der Fastenzeit

Bild: Jean-Claude Bésida - famille chrétienneZum Beginn der Fastenzeit hielt Dom Jean Pateau, Abt des Benediktinerklosters von Fontgombault, am Aschermittwoch eine Predigt, die wir - in unserer Übersetzung nach der englischen Version auf Rorate Caeli - hier im vollen Wortlaut wiedergeben.

Miserere mei, Deus - Ps. 56, 2

Liebe Brüder und Schwestern, meine lieben Söhne.

Der moralische Niedergang der Menschheit und der daraus folgende schwindende Respekt vor jedem menschlichen Leben; endlose Skandale, die die respektabelsten Institutionen erschüttern; die Viren und Seuchen – all das verursacht ein unbestimmtes, aber dennoch tiefgehendes Gefühl von Unruhe und Verzweiflung. Gibt es in der heutigen Situation der Menschheit noch irgendetwas Beneidenswertes? Kann man die Menschheit lieben? Kann der Mensch sich selbst lieben? Oder besteht der einzige Ausweg darin, sich denen anzuschließen, deren Religion alleine in der Bewahrung der Natur und dem Schutz aller Tiere bis zu deren natürlichem Tode besteht? Kann man den Menschen immer noch lieben?

Diese Frage ist es wert, zum Beginn der Fasten- und Bußzeit gestellt zu werden. Diese Zeit beginnt mit der zeichenhaften Zeremonie der Auflegung des Aschenkreuzes unter der Formel: „Bedenke Mensch, daß du Staub bist und zum Staub zurückkehrst“. Ist der Staub liebenswert? Die Asche wird in fast allen alten Religionen mit dem Staub zusammen gedacht – so bezeugt es auch die griechische Übersetzung der Bibel aus dem Hebräischen, die Septuaginta, so genannt, weil sie von 72 Schriftgelehrten fast drei Jahrhunderte vor der Geburt Christi ausgeführt wurde. Im Hebräischen klingen die Worte ‘âphâr, “Staub”, und ’éphèr, “Asche”, sehr ähnlich. Das entspricht dem Genius der hebräischen Sprache, die gerne ein- und denselben Gedanken mit zwei in der Bedeutung sehr nahestehenden Worten ausdrückt – und das umso lieber, je ähnlicher sie klingen.

Die Asche ist ein Symbol für die Sünden des Menschen und seiner Schwäche. Hier geht es weiter Hören wir an der Schwelle dieser Zeit die Worte Jesajas, der einen Götzendiener als jemanden bezeichnet, „der sich von Asche ernährt“. Von einem solchen Menschen sagt der Weise: „Denn sein Herz ist Asche und sein Hoffen fruchtloser Boden“. Wie könnten wir diese Worte nicht aufnehmen, da wir doch so leicht vergessen, wie sehr wir zur Sünde geneigt sind? O Mensch – wenn du bereit bist, dich daran zu erinnern, daß du Staub bist – was sind dann Deine Götzen? Was sind die Taten, die Denkweisen und Ansichten, die Kompromisse in deinem Leben, die Gott missfallen – und von denen du dich nicht frei machst oder frei machen willst? Wohin führt den verhärteten Sünder sein Weg?

Die Bibel bekräftigt ohne Zögern, daß die Stolzen „wie Asche auf der Erde“ werden, und daß die Bösen niedergetreten werden wie Asche unter den Füßen der Gerechten. Das Gegenbild des Stolzen ist der Mensch, der sich seiner Sündhaftigkeit bewußt ist und seine Fehler eingesteht. Denn so heißt es bei Ben Sirach: Wie könnte der, der nichts anderes ist als Staub und Asche, stolz sein? Schon während er lebt, zerfallen seine Gedärme“.

Der Weg der Verzweiflung, der dem Menschen als einziger offenzustehen scheint, entspricht jedoch nicht den Absichten Gottes. Erinnern wir uns der Fürsprache Abrahams für die Sünder Sodoms und seiner langwierigen Verhandlungen, um eine völlige Zerstörung der Stadt abzuwenden. Können wir uns erdreisten, Gott so anzusprechen? Abraham tut es: „Sehe, ich habe es auf mich genommen, mit dem Herrn zu rechten – ich, der ich nur Staub und Asche bin.“

Bevor wir mit den Übungen der Fastenzeit beginnen, wollen wir uns daran erinnern, daß die Bibel ganz von der Gewißheit durchzogen ist: Gott wird niemandem sein Gehör verweigern, der sich seiner Sündhaftigkeit bewußt ist und um Vergebung fleht. Auf allen Seiten der Bibel verleihen gerade das Sündenelend der Menschen ihnen die Berechtigung, um Barmherzigkeit zu bitten. Schon klingt in unseren Ohren das Echo des österlichen Exultet: „Oh glückliche Schuld, die einen so großen Erlöser verdient hat“. Jeder Mensch, der durch eigene Schuld ein Kind des Zornes geworden ist, erinnere sich daran, daß er zur Wiedergeburt im Wasser der Taufe berufen ist. Er erinnere sich, daß die Ströme der göttlichen Gnade nur auf eine Gelegenheit warten, ein jedes Leben zu befruchten. Haben wir da noch eine Ausrede?

Der Ruf des Herrn hallt an diesem Morgen wieder aus dem Mund des Propheten Joel: „Kehrt um zu mir von ganzem Herzen mit Fasten, mit Weinen, mit Klagen! Zerreißt eure Herzen und nicht eure Kleider und kehrt um zum Herrn, eurem Gott! Denn er ist gnädig, barmherzig, geduldig und von großer Güte, stets bereit, von der Bestrafung abzusehen“. Das ist das Wesen Gottes: Er ist der Milde, der Barmherzige, der langsam ist im Zorn und voller Liebe. Umkehr zum Herrn – aber wie? Der Prophet Joel gibt uns ein Stichwort: Zerreißt eure Herzen!“ Wir wollen nicht vor dieser allzu bilderreich erscheinenden Sprache zurückschrecken. Sich das Herz zu zerreißen ist der einzige Weg, Licht in das zu bringen, was viel zu lange schon verborgen und begraben scheint. Es bedeutet, dem eigenen Herzen Gottes verjüngendes Licht und seine Gnade anzubieten. Und ja: Ein Mensch, mit Asche bedeckt , vor dem Gott selbst sich niederbeugt, um ihm wieder auf die Füße zu helfen, ist liebenswert. Statt der Asche will ihm Gott nichts Geringeres als eine Krone auf die Stirn drücken.

Durch das Gebet am Ende der Messe fleht die Kirche zu Gott, mit eben diesem Wohlwollen auf uns zu schauen. In der Annahme, daß jedes ihrer Kinder vom festen Willen zur Umkehr geleitet ist, bittet die Kirche für sie um das göttliche Geschenk der Gnade, so daß sie zu einem Auszug, zu einem Pascha, schreiten mögen. Das Evangelium lädt uns dazu ein, großzügig voranzuschreiten: „Aber erwerbt Euch Schätze im Himmel, so weder Rost noch Motten sie verzehren und keine Diebe einbrechen und sie stehlen“. Daher wollen wir im Licht der Messtexte der Fastenzeit vorangehen, die über die Jahrhunderte die Katechumenen auf die Gnade der Taufe, der Firmung und der Eucharistie vorbereitet haben, die sie in der Osternacht empfangen.

Auch wenn wir schon vor langer Zeit in das Wasser der Taufe getaucht worden sein mögen, liegt doch noch ein Weg der Umkehr vor uns, den wir, gestärkt durch den Empfang der Sakramente, insbesondere der Beichte, durch die diesen Tagen angemessene Selbstverleugnung und mit Übungen der Barmherzigkeit und des Gebets, angehen wollen.

Möge Maria, Mater dolorosa, die schmerzensreiche Mutter, uns am Fuß des Kreuzes bewahren. Herr, erbarme Dich unser!

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