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Der liturgische Geist der Fastenzeit

Bild: Wikimedia commonsDom Prosper Gueranger (1805 – 1875), den man mit guten Argumenten als den Begründer der modernen liturgischen Bewegung bezeichnen kann, hat in seiner Erklärung des Kirchenjahres alleine der Einleitung des Bandes über die Fastenzeit (Bd. 5) über 120 Seiten gewidmet. Einiges davon ist noch sehr dem Geist des 18. Jahrhunderts verpflichtet, an den Guéranger nach dem Toben der französischen Revolution und den Erschütterungen des napoleonischen Zeitalters anknüpfen wollte. Anderes, der größere Teil, ist auch heute noch mit Gewinn zu lesen, weil es Ausdruck dessen ist, weil es das Wesen des Katholischen über alle Moden und Reformanfälle hinweg zum Ausdruck bringt. Dazu hier einige Abschnitte aus dem zweiten Kapitel der Einleitung mit der Überschrift: Die Mystik der Fastenzeit.

Es beginnt ein langes ZitatSelbstverständlich ist eine so heilige Zeit, wie die des österlichen Fastens, auch voll tiefer religiöser Geheimnisse. Die Kirche, welche diese Zeit als Vorbereitung auf das höchste ihrer Feste angeordnet, wollte, daß diese Periode der Sammlung und Buße dazu angetan sei, in ganz besonderer Weise den Glauben zu erweckenund die Beharrlichkeit im jährlichen Sühnewerk zu erhalten.

In der Zeit Septuagesima begegnen wir der Zahl Siebenzig. Dieselbe erinnert uns an die siebenzigjährige Gefangenschaft in Babylon, nach welcher das Volk Gottes, von seinem Götzendienste gereinigt, Jersualem wiedersehen und dort Ostern feiern sollte. Jetzt stellt uns die Kirche die strenge Zahl vierzig vor das Auge, nach dem heiligen Hieronymus allezeit die Zahl der Strafe und der Trübsal.

Denken wir an diesen vierzig Tage und vierzig Nächte dauernden Regen, der damals dem Zorn Gottes entströmte, als es ihn gereute, den Menschen geschaffen zu haben, als er das Menschengeschlecht, eine einzige Familie ausgenommen, in den Fluthen zu Grunde gehen ließ. Denken wir an die Israeliten, die vierzig Jahre durch die Wüste irrten, ehe sie in das gelobte Land kamen, als Strafe ihres Undankes. Hören wir den Herrn, der seinem Propheten Ezechiel befiehlt, vierzig Tage auf seiner rechten Seite zu schlafen, um damit die Dauer einer Belagerung anzudeuten, deren Ende die Einnahme Jerusalems war.

Hier geht es weiterIm alten Bund haben zwei Männer die Aufgabe, in ihrer Person die beiden Arten der göttlichenOffenbarung darzustellen.Moses, der Träger des Gesetzes, Elias, der Mann der Prophezeiungen. Beide nahen sich Gott, der Eine auf dem Sinai, der Andere auf dem Horeb; aber beide erlangen erst Zutritt zu der Gottheit, nachdem sie sich durch ein vierzigtägiges Fasten gereinigt hatten.

Wenn wir uns dies gegenwärtig halten, so leuchtet uns ein, warum der Sohn Gottes, als er zum Heile der Menschheit Menschengestalt angenommen, gerade vierzig Tage fastete, wenn er einmal überhaupt entschlossen war, seinen Leib dieser Abtödtung zu unterwerfen. Die Einrichtung des österlichen Fastens erscheint uns unter diesem Gesichtspunkt in ihrer ganzen majestätischen Strenge, als ein offenbares Mittel, den göttlichen Zorn zu besänftigenund unsere Seelen zu reinigen. Erheben wir daher unsere Gedanken über den engen Horizont, der uns umschließt; schauen wir auf die Gesamtheit der christlichen Nationen, wie sie um diese Zeit dem erzürntenHerrn eine vierzigtägige Sühne darbieten; und hoffen wir, daß er, wie in den Zeiten des Jonas, auch in diesem Jahre seinem Volke Barmherzigekit widerfahren lassen wird. (S. 28-29 von Bd. 5 der deutschen Ausgabe)

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Um der heiligen Zeit des österlichen Fastens den ihr zukommenden charakter der Trübsal und des Ernstes zu erhalten, hat sich die Kirche lange Jahrhunderte hindurch in Zulassung von Festen während derselben sehr wenig willfährig gezeigt, weil nämlich dieselben immer ein freudiges Element in sich tragen.Im vierten Jahrhundert hate das Concil von Laodicea diesen Gedanken der Kirche in seinem 51. Canon ausdrücklich niedergelegt; in demselben erklärt es Festtageoder selbst nur Commemorationen von Heiligen ausschließlich an Samstage und sonntagen zulässig. In der griechischen Kirche dauert diese Strenge heute noch fort; und erst mehrere Jahrhunderte nach dem Concil von Laodicea hat man wenigstens insoweit nachgegeben, daß das Fest Mariä Verkündigung für den 25. März zugelassen wurde.

Auch die römische Kirche hat dies lange, wenigstens im Principe, festgehalen, wenn sie auch schon früh das Fest Mariä Verkündigung und hierauf das Fest des Apostels Mathias für den 24. Februar zuließ. Erst in den letzten Jahrhunderten brach sich für Festtage auch in diesem Teil des Jahres eine mildere Praxis Bahn; doch verfährt man immer noch aus Rücksicht für den Geist des christlichen Altertums mit nicht geringer Zurückhaltung.

Der Grund, weßhalb die römische Kirche leichter auf den Gedanken einging, Heiligenfeste während der Fastenzeit zuzulassen, als dies bei der griechischen Kirche der Fall war, liegt darin, daß die Lateiner die Feier der Feste mit dem Fastengebote nicht unvereinbar halten, während die Griechen der gegenteiligen Ansicht huldigen. Deßhalb ist der Samstag, der bei den Orientalen stets als Feiertag gilt, nie ein Fasttag; die einzige Audnahme darin bildet der Charsamstag. Auch fasten sie nicht am Tasge Mariä Verkündigung, gerade wegen des festtäglichen Charakters dieses Tages. (…) Die Kirchen des Occidents hatten noch für die vierzigtägige Fastenzeiot verschiedene Gebräuche, die seit den letzten Jahrhunderten allmälig in Abnnahme gekommen, und jetzt nur noch vereinzelt in Übung stehen. Einer der erhabensten Gebräuche bestand darin, daß man einen ungeheuren Vorhang, in der Regel von violetter Farbe, zwischen dem Chor und dem Altar anbreachte. Dadurch entzogen sich die hinter dem Vorhange gefeierten heiligen Geheimnisse dem Anblick des Volkes wie des im Chore beiwohnenden Clerus. Dieser Vorhang war ein Sinnbild des Schmerzes; er erinnerte den Sünder an die Buße, welcher er sich unterziehen müsse, um auf’s Neue die göttliche Majestät betrachten zu dürfen; jetzt soll er sich vergegenwärtigen, daß er Gott durch seine Sünden beleidigt habe. Dann sollte dieser Vorhang uns auch an die Niedrigkeit Christi erinnern, an welcher der Hochmut der Synagoge Aergerniß nahm, und welche, schnell wie man einen Vorhang fallen läßt, im Glanze der Auferstehung verschwand. Unter anderen Kirchen hat die Metropolitankirche von Paris diesen Gebrauch heute noch.

In vielen Kirchen war es auch üblich, das Kreuz und die Heiligenbilder vom Beginn der Fasten an zu verschleiern; das sollte eine tiefere Zerknirschung hervorbringen, wenn sich die Gläubigen des Trostes beraubt sahen, ihre Blicke auf diesen ihnen theuren Gegenständen ruhen zu lassen. Auch das hat sich noch an einigen Orten erhalen, wenn auch der Gebrauch der römischen Kirche, Kruz und Bilder nur während der Passionszeit zu verhüllen, eine ungleich tiefere Begründung hat. Aus alten Ceremonialen ersehen wir weiter, daß bis ins Mittelalter hinein und wohl auch das ganze Mittelalter hindurch, es während der Fasten vielfach gebräuchlich war, in Procession aus einer Kirche in die andere zu ziehen; namentlich geschah dies an Mittwochen und Freitagen. In den Klöstern ewegte sich die Procession häufig durch die Grüfte und die Teilnehmer waren barfuß.Diese Processionen waren den römischen Stationen nachgebildet. Während der Fastenzeit fanden dieselben täglich statt und wurden viele Jahrhunderte hindurch mit einer feierlichen Procession nach der Stationskirche begonnen. (S. 33-34, 36-39)

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