Bereichsnavigation Themen:

Hl. Paulinus, bitte für uns!

Bild: Siegfried Haack, Wittlich,  https://kulturdb.de/einobjekt.php?id=11654Der routinemäßige Blick in unser Martyrologium vom Jahrgang 1922 hat uns dazu bewogen, den für das Ende der Sommerpause geplanten Rückblick auf die römischen Katastrophen und Kataströphchen der vergangenen Wochen noch etwas aufzuschieben: Die Festtage und Heiligengedächtnisse von heute und morgen haben größeres Gewicht. In Trier und Umland feiert man heute (oder feiert man auch nicht) den Tag des heiligen Paulinus, Bischof der damaligen Kaiserstadt Augusta Treverorum in den Jahren 347 – 353 und eine wichtige Gestalt in den diese Zeit prägenden Auseinandersetzungen zur theologischen Klärung der gott-menschlichen Natur Jesu Christi: War Christus als das inkarnierte Wort Gottes gleichrangige und ungeschaffene Person im Geheimnis der dreifaltigen Gottheit – oder war er letztlich nur eine freilich mit höchstem Rang ausgestattete Schöpfung des einen und einzigen Gottes?

Prominentester Vertreter der mehrfach als Häresie erkannten und verurteilten zweiten Position in dieser Auseinandersetzung war der Nordafrikaner Arius (~260 – ~330), nach dem diese Denkrichtung denn auch benannt wurde: Der Arianismus. Eine einheitliche Denkschule war das freilich nicht. Jeder ihrer (damals) prominenten Vertreter hatte seine eigenen Vorstellungen und Akzentuierungen. Waren diese Fragen zunächst (etwa ab 315) nur Diskussionspunkte von Theologen in der noch um ihre Identität zwischen absolut montheistischem Judentum und chaotisch-polytheistischem Heidentum ringenden jungen Kirche, so geriet sie schnell in den Sog politischer Auseinandersetzungen zwischen den Machthabern und Usurpatoren des in Spaltung und Auflösung begriffenen römischen Reiches. Deshalb dauerten die daraus entstehenden Auseinandersetzung auch noch nach der theologischen Klärung auf dem ersten Konzil von Nikäa (325) an und wurden – zumindest für den Machtbereich des Kaisers – erst mit der endgültigen und offiziellen Anerkennung des Christentums als Staatsreligion (379) und dem Konzil von Konstantinopel (381) beendet.

Hier geht es weiterAußerhalb dieses Machtbereiches – etrwa bei den auf der iberischen Halbinsel und in Teilen Galliens herrschenden Stämmen der Germanen und Goten sowie in Nordafrika – blieben im weiteren Sinne arianische und mehr oder weniger dezidiert anti-nikeanische und anti-römische Vorstellungen weiterhin stark; doch das wäre ein anderes Thema. Ebenso wie die nachreformatorisch in Mitteleuropa und gegenwärtig auch innerhalb der Kirche wieder auflebenden Tendenzen, die Gottheit Jesu zu verkleinern und seine Menschlichkeit überzubetonen: „Jesus, unser Herr und Bruder“.

Was das mit Paulinus von Trier zu tun hat? Nun, Paulinus war alles anderer als ein Angehöriger des bestenfals halbzivilisierten Stammes der in den Wäldern und Tälern des Mosellandes lebenden Treverer, sondern ein hochgebildeter Angehöriger der römischen Oberschicht, die sich seit Kaiser Konstantin (also seit Beginn des 4. Jahrhunderts) zur stärksten und wirkungsvollsten Stütze und Trägerin des römischen Christentums zu entwickeln begann. Er entstammte einer vornehmen (vermutlich seit Generationen im römischen Staatsdienst stehenden) Familie in Aquitanien (heutiges Südwestfrankreich, am Rande des Baskenlandes), und seine „Berufung“ nach Trier im Jahr 347 bedeutete für einen Mann wie ihn keine Versetzung ins ferne Ausland, sondern den Wechsel von einem Zentrum römischer (und christlicher) Zivilisation in ein anderes. Die Verteidigung der angestammten römischen Lehre des Glaubens lag dieser Sorte Römer sozusagen im Blut, und als er diesen Glauben durch die einsetzenden politischen Auseinandersetzungen im Zeichen des Arianismus gefährdet sah, zögerte er nicht, auch gegen Zeitgeist und politische Opportunität eindeutige Stellung zu beziehen: Zusammen mit Athanasius gehörte er zu den wenigen Bischöfen, die klar gegen die Lehre des Arius auftraten und dem Kaiser die Gefolgschaft verweigerten.

Derlei Widersetzlichkeit blieb damals wie heute nicht ohne Folgen: Nach kurzer Amtszeit in Trier wurde Paulinus bereits 353 in die Verbannung nach Phrygien (heute Zentralanatolien, damals ziemlich am Ende der römischen Welt) geschickt und fand dort im 360 im Alter von noch nicht einmal 60 Jahren den Tod – was wohl ganz im Sinne der Verbanner gewesen sein dürfte. Seine Gebeine wurden nach wenigen Jahrzehnten dann wieder nach Trier gebracht, wo sie noch heute als Reliquien verehrt werden – soweit die Neukirche sich nicht von der Reliquienverehrung emanzipiert hat.

Trier, besser: Augusta Treverorum, scheint um die Mitte des 3. nachchristlichen Jahrhunderts geradezu ein Zentrum der christlichen Orthodoxie gewesen zu sein. Nicht nur der große Vorkämpfer gegen die Häretiker, Athanasius, war während seiner Flucht- und Verbannungsjahre eine Zeitlang in Trier (335 – 337). Auch mehrere Kaiser, die sich für das Christentum einsetzten, residierten im 4. Jahrhundert teilweise mehrere Jahre lang dort. Die Reihe beginnt mit Kaiser Maximian und enthält so wichtige Namen wie Konstantin und Gration – während der den alten Göttern Roms und des Orients anhängende Christenhasser Julian Apostata (geb. 331) sich nie an die Ufer der Mosel verirrte. Ihn zog es nach Persien, viellicht sogar Indien, doch sein früher Tod (er wurde nur 31 Jahre alt) setzte dem Albtraum von der Wiederherstellung des Heidentums ein Ende.

Nach und mit Athanasius und Paulinus hat übrigens ein weiterer Trierer eine hervorragende Rolle im Kampf gegen die arianische Irrlehre gespielt: Der ebenso wie Paulinus aus vornehmer Familie stammende Jurist und Verwaltungsbeamte Ambrosius, geb. 339, war um 370 von der Mosel als Stadtpräfekt nach Mailand gekommen und hatte dort solches Ansehen gewonnen, daß er bereits nach wenigen Jahren durch Akklamation des Volkes zum Bischof bestimmt wurde – die Grenzen zwischen ziviler und kirchlicher Macht waren damals und blieben es noch jahrhundertelang, ziemlich fließend.

Gegen die Arianer setzte Ambrosius als Bischof jedoch nicht das Schwert des Präfekten ein, sondern er entwand den Häretikern ihr wichtigstes und erfolgreichstes Propagandamittel: Den Hymnengesang. Die Hymnen bzw. deren Gesang außerhalb der strengen Regeln klösterlicher Gemeinschaften war bis dahin von der Kirche vielfach mit Argwohn betrachtet und streng eingeschränkt worden. Der Dichter Ambrosius, dessen Lieder bis zum heutigen Tag in Stundengebet und Kirchenlied eine zentrale Stellung einnehmen, brachte die Hymnen im Gottesdienst zu Ehren – und nicht nur die Mailänder sangen begeistert mit.

So verbindet Trier und die Abwehr der arianischen Irrlehren Athanasius den Großen von Alexandria, Ambrosius von Mailand und Paulinus von Trier. Eine überaus fruchtbare Verbindung, wie sie so nur auf den Grundlagen des (heidnischen) Rom entstehen und wirksam werden konnte – und die heute durch den leichtfertigen Abbau der Romanitas in der Kirche in Frage gestellt wird.

Auf der Website des Bistums Trier war bis heute Vormittag kein Hinweis auf den traditionellen Feier- und Gedenktag von Paulinus zu finden. Auch das aktuelle Martyrologium für den deutschen Sprachraum hat ihn wohl vergessen oder verdrängt. Der Verlag und die Wochenzeitung des Bistums führen ihn zwar noch im Namen – scheinen aber nicht mehr zu wissen, warum. Nun, den Leuten kann geholfen werden. Der Schott-Online (also die meistgenutzte Vorlage für die Orientierung in Optionendschungel des Novus Ordo) bietet tatsächlich ein Messformular für den Gedenktag des Hl. Paulinus, und dessen Oratio – sie ist vielleicht aus einem historischen lokalen Anhang zum überlieferten Missale entnommen – hat es in sich:

Allmächtiger Gott,
du hast dem heiligen Paulinus von Trier
im Kampf gegen die arianische Irrlehre
unerschrockenen Mut gegeben,
so dass er auch die Verbannung nicht scheute.
Lehre uns, das Wahre vom Falschen zu unterscheiden,
und hilf uns,
ohne Furcht für die Wahrheit einzutreten.

Dem Klerus von Trier zu gefälliger Verwendung und Beherzigung empfohlen.

Zusätzliche Informationen