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Drei mal heiliger Dionysius

Bild: Wikimedia Commons, gemeinfreiDer Blick in unser bewährtes „vorkonziliares“ Martyrologium von 1927 zeigt uns heute an erster Stelle den Eintrag dreier heiliger Märtyrer:

Himmlischer Geburtstag des heiligen Bischofs Dionysius Aeropagita, des Priesters Rusticus und des Diakons Eleutherius. Von diesen war Dionysius, der vom Apostel Paulus getauft worden war, zunächst zum Bischof von Athen geweiht worden. Später gelangte er nach Rom und wurde vom heiligen Papst Clemens zur Verkündung des Glaubens nach Gallien entsandt. Nachdem er dort angekommen war und die ihm übertragene Aufgabe mehrere Jahre lang treulich erfüllt hatte, ließ ihn der Präfekt Fescenninus zusammen mit seinen Gefährten auf Grausamste foltern und mit dem Schwert enthaupten.

Tatsächlich sind in der Gestalt des hl. Dionysius zumindest zwei historisch belegbare Personen verschmolzen. Die Apostelgeschichte (17, 34) berichtet, daß Paulus bei seinem Aufenthalt in Athen den hohen Richter Dionysius bekehrt und getauft habe, und wenn Eusebius von Caesarea ( 3./4. Jh.) in seiner Kichengeschichte berichtet, daß dieser Dionysius auch Bischof geworden sei, spricht zumindest nichts dagegen. Ein zweiter Dionysius war ebenfalls Bischof – aber nicht von Athen, sondern von Paris, und er lebte nicht im ersten, sondern im 3. Jahrhundert, wo er nach Auskunft Gregors von Tours (538 – 594) um das Jahr 250 herum Bischof von Paris war. Also 200 Jahre später. Dieser Dionysius wurde in Frankreich außerordentlich populär, da er – so will es die Legende – nach seiner Enthauptung mit dem Kopf in der Hand noch eine ziemliche Strecke weit ging, um anzuzeigen, wo er begraben werden wolle. Die Kirche St. Denis bei Paris mit seine Reliquien war dann auch jahrhundertelang die Grablege der französischen Könige. Sein vermutlicher Todestag und späterer Gendenktag war genau der 9. Oktober.

Die Unterscheidung zwischen diesen beiden Dionysiussen wurde nicht dadurch erleichtert, daß etwa ab dem 8. Jahrhundert noch ein Dritter auftrat: Hier geht es weiter Im 6. Jahrhundert gab es einen ansonsten unbekannten gelehrten Mönch wohl in Syrien, der seine in etwas holprigem Griechisch verfaßten Werke als Schriften des Dionysios Aeropagita ausgab und wegen seiner christlichen Interpretation neuplatonischen Gedankengutes großen Anklang fand. Zwar wurde sein (damals übrigens recht häufig vorkommendes) Name-Spoofing von den meisten christlichen Kirchen früh durchschaut, und im Westen wird er durchgängig als „Pseudo-Dionysios“ bezeichnet – aber seine Werke hatten durchaus Substanz und blieben populär. Und in Frankreich, wo sich die Verehrung des St. Denis von Paris über die Jahrhunderte immer mehr ausgebreitet hatte, wurde auch der syrische Pseudo-Dionysius bald mit den Namensvettern aus Paris und Athen verschmolzen.

Nicht aller guten Dinge sind nur drei: Das Martyrologium von 1927 zählt unter jeweils unterschiedlichen Todesdaten 17 weitere Heilige mit Namen Dionysius auf. Offenbar war der doch vom Gott Dionysos abgeleitete Name zumindest in der griechisch sprechenden antiken Welt höchst populär – und getaufte Christen empfanden anscheinend keine Notwendigkeit, diese Erinnerung an die Herkunft aus dem Heidenglauben abzulegen.

Doch zurück zu den drei unter dem Namen des Dionysios verschmolzenen Heiligen des heutigen Martyrologiums-Eintrags. Die nachkonziliare Kirche konnte mit solchen „synthetischen“ Heiligen (ähnliche Beispiele wären Veronika vom wahren Bilde Christi oder der bekehrte Riese Christopherus) wenig anfangen. Sie hat den hl. Dionysius daher im Martyrologium herabgestuft, ohne sich die Mühe zu machen, St. Denis von Paris als historisch plausiblen Kern herauszupräparieren. Auch hier gibt es viele sagenhafte Elemente, doch für einen plausiblen Eintrag im Matyrologium dürfte die Faktenlage allemal ausreichen.

Das Martyrologium vom 9. Oktober bietet noch einen weiteren interessanten Eintrag. In der Fassung des (noch nicht amtlichen) deutschen Entwurfs von 2016:

Gedächtnis des heiligen Abraham, Patriarch und Vater aller Glaubenden. Auf den Ruf des Herrn hin brach er von der Stadt Ur in Chaldäa, seiner Heimat, auf und zog durch das Land, das ihm und seinen Nachkommen von Gott verheißen war. Er machte auch seinen unerschütterlichen Glauben an Gott kund, indem er sich nicht weigerte, seinen einzigen Sohn Isaak als Opfer anzubieten. Dieser war ihm, der gegen alle Hoffnung hoffte, vom Herrn noch im hohen Alter durch seine unfruchtbare Frau geschenkt worden.

Das steht dort zwar erst an dritter Stelle – ist aber immerhin ausführlicher als in den anderen von uns konsultierten Ausgaben. Die Kirche hat sich „nach dem Konzil“ durchaus bemüht, die jüdischen Wurzeln des Glaubens im Bewußtsein zu halten. Daß das weitgehend mißlungen ist bzw. auf ein inhaltsarm-opportunistisches „Jesus war Jude“ reduziert wurde, steht auf einem anderen Blatt.

Und wenn von einem „anderen Blatt“ die Rede ist, so müssen wir in unserer Ausgabe des Martyrologiums nur einen Tag zurückblättern, um auf eines der bemerkenswertesten Beispiele dieser Kontinuität zu stoßen: Den Gedenktag des hl. Propheten Simeon. Wo Abraham der erste der „Stammväter und Propheten“ der alten Bünde war, die Eingang ins Martyrologium gefunden haben, war der uns nur aus dem Neuen Testament bekannte greise Simeon von Jerusalem der letzte in einer fast 1000 Jahre umspannenden Reihe. Mit den Worten der  „vokonziliaren“ Version:

(Himmlischer) Geburtstag des heiligen Greises Simeon, der wie es im Evangelium des Herrn geschrieben steht, Jesus bei der Darbringung im Tempel in seine Arme nahm und Prophezeiungen aussprach“.

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