Bereichsnavigation Themen:

Kunst im Kirchturm oder: Wahnsinn und Alltag

Die Skulptur im KirchturmFrau Carolyn Christov-Bakargiev fühlt sich durch die katholische Kirche bedroht – das ließ sie letzte Woche durch ihren Geschäfsführer Bernd Leifeld der alarmierten Öffentlichkeit mitteilen. Und Kassels Oberbürgermeister Hilgen sprang ihr alsgleich hilfreich zur Seite: Das müsse ein Ende haben.

Sie verstehen nur Bahnhof? Das ist kein Wunder. Wir haben es mit dem Kunstbetrieb zu tun, und da konkret mit einer seiner lustigsten Ausprägungen: Der Kasseler Documenta. Die und deren Konzeption wird in diesem Jahr von der Kunstbetriebsnudel Carolyn Christov-Bakargiev — nein, die nicht zu kennen ist keine Bildungslücke — verantwortet, die jetzt endlich einen Aufhänger gefunden hat, die Öffentlichkeit für ihr Unterhaltungsprogramm zu interessieren.

Anlaß dazu gibt ihr eine Skulptur – siehe Bild – von Stephan Balkenhol, die die St-Elisabeth Kirche in Kassel in diesem Jahr im Rahmen einer eigenen Kunstaktion auf ihrem Kirchturm installiert hat. Über diese Skulptur und diese Aktion hier kein Wort – unserer Interesse gilt der Reaktion darauf seitens der Documenta-Betreiber, die Timo Lindemann im Kunstmagazin „art“ folgendermaßen beschrieben hat:

Vertreter der documenta kritisierten am Mittwoch die katholische Kirche scharf: "Es stört erheblich. Die künstlerische Leiterin fühlt sich von dieser Figur bedroht, die mit der documenta nichts zu tun hat", sagte documenta-Geschäftsführer Bernd Leifeld. Die Figur auf dem Kirchturm am zentralen Friedrichsplatz – ein Mann mit ausgebreiteten Armen – ist Teil einer Balkenhol-Ausstellung. Wie Leifeld weiter erklärte, sei die Skulptur "ein Eingriff in die Freiheit der documenta". Er fordere Respekt für die Weltkunstausstellung, könne aber nicht vorschreiben, dass die Figur entfernt werde. (...)

Leifeld sagte, es habe bereits 2011 Gespräche über die Ausstellungen der Kirche gegeben, in denen er gefordert habe, die Kirche solle auf zeitgenössische Kunst verzichten. "Die evangelische Kirche hat das verstanden." Die documenta-Besucher sollten wissen, "was documenta-Kunst ist und was nicht", betonte Leifeld. Die Figur beeinflusse die Ausstellung. "Die künstlerische Leiterin weiß, dass diese Art von Kunst für diese documenta nicht adäquat ist."

Das ist schön. Die Kunstbetreiber üben sich in der Imitation des Totalitarismus stalinscher Prägung. Oder falls das als Kompliment aufgefasst werden könnte: Der Reichskulturkammer Josef Goebbels' unseligen Angedenkens, was auf das Gleiche hinauskommt. Der Journalist Burkhard Müller Ulrich hat diesen Machtanspruch treffend im Deutschlandradio kommentiert:

Bis heute arbeiten sich Künstler mit blasphemischen Schöpfungen am Christentum ab; es gibt unzählige Museumsausstellungen, die bischöflichen Zorn erregten, Ausstellungen, die auch provokativ nahe bei Gotteshäusern abgehalten wurden. Natürlich nützten die Proteste von Seiten der Kirchenverantwortlichen gar nichts; die Kunstfreiheit verlangt, dass jeder Gläubige ein in Urin getunktes Kruzifix oder die Darstellung eines von einem Meteor erschlagenen Papstes tolerieren muss.

Die Kunst ist nämlich unterdessen zur neuen Religion geworden. Künstler werden wie Heilige verehrt, ihr Schaffen verweist auf einen letzten Rest Mystik in unserer durchrationalisierten Welt, der Umgang damit ist von liturgischer Andacht und Ehrfurcht geprägt, wie man sie aus Klöstern und Kathedralen kennt. Ja, die heutige Kunst erhebt nicht selten den Anspruch einer gewissen Göttlichkeit - selten allerdings so explizit wie jetzt in Kassel.

Wir gestatten uns dazu nur noch einen ergänzenden und weiterführenden Hinweis: Dieser Größenwahn mag viele Ursachen haben. Eine davon liegt darin, daß die Kirche, um ja keinen Anstoß zu geben, sich seit Jahrzehnten den ideologischen und kommerziellen Machtansprüchen der Unkultur gebeugt hat. Mit dem nicht nur vom Kunstbetrieb herrisch ausgesprochenen Gebot, in der Öffentlichkeit zu schweigen, erfährt sie die Konsequenzen eines zur Unterwerfung pervertierten „Aggiornamento“.

Daß die Öffentlichkeit – sieht man einmal von einem dienstbeflissenen Oberbürgermeister ab – diesen Anspruch denn doch nicht einfach so honoriert, muß da schon als Hoffnungszeichen gelten.

Zusätzliche Informationen