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Ein tausendjähriger Krieg

Nach dem alten Kalender beging die ganze Kirche am 24. September das Fest Mariä Barmherzigkeit. Das Fest wird auch als Fest unserer Lieben Frau vom Loskauf der Gefangenen bezeichnet - gemeint sind die Christen, die während des ganzen Mittelalters und der früheren Neuzeit in islamischen Ländern gefangen gehalten wurden, wo sie bis zu ihrem meist frühen Tod als Arbeitssklaven verbraucht wurden.

Der Abwehrkampf gegen die Mohamedaner hatte im Mittelalter vier Fronten: An erster Stelle natürlich das heilige Land, das mit der Eroberung Jerusalems 638 unter islamische Herrschaft gefallen war. Dann in Nordafrika, das etwa gleichzeitig mit Palästina unterworfen wurden und von wo aus die Expansion im 8. Jahrhundert auf ganz Spanien und Teile Südfrankreichs übergriff. Ab dem 13. Jahrhundert dann Griechenland und der Balkan, wo die Osmanen zunächst unter Umgehung Konstantinopels anscheinend unaufhaltsam vordrangen. Die vierte Front war in diesen Jahrhunderten die gesamte Fläche des Mittelmeers, die von den regulären Flotten islamischer Herrscher ebenso wie von auf eigene Rechnung arbeitenden Piraten und Sklavenjägern unsicher gemacht wurden: Sklavenarbeit und Sklavenhandel waren eine der wesentlichen Grundlagen der islamischen Hochkultur.

Im Zusammenhang mit diesem über ein Jahrtausend andauernden und offenbar auch heute noch nicht beendeten Krieg entstanden in der Christenheit mehrere Orden, die sich die Befreiung von in moslemische Gefangenschaft geratenen Christen zum Ziel gesetzt hatten – einer davon war der Mercedarierorden, der 1218 von Petrus Nolascer und Raimond von Peñaforte gegründet worden ist und auf den die Feier des Festes unserer Lieben Frau von der Barmherzigkeit zurückgeht. Der eine Ordensgründer stammt aus der Provence, der andere aus Katalanien – beides Gebiete, die intensive Erfahrungen mit den Sarazenen hatten. Die ursprüngliche Bezeichnung des Ordens war „Himmlischer, königlicher und militärischer Orden U.L.F. von der Barmherzigkeit". Er war zunächst in der Hauptsache ein Ritterorden, der für die Befreiung der Christen aus moslemischer Herrschaft auf militärische Mittel setzte. Raimond von Peñaforte spielt eine große Rolle bei der Reconquista, der Rückeroberung Spaniens von den Mauren. Nachdem diese Mittel im Lauf der Kreuzzugsgeschichte erheblich an Glanz verloren hatten, wurde der Orden wohl auch aus machtpolitischen Motiven heraus etwa 1300 im wesentlichen zu einem Priesterorden umgestaltet, der seine Aufgabe darin sah, für die Befreiung der Sklaven zu beten und Geld für ihren Loskauf aufzubringen Die Mercedarier legten dazu ein besonderes viertes Gelübde ab, mit dem sie sich verpflichteten, notfalls auch sich selbst in die Sklaverei zu verkaufen.

Barmherzigkeit, das wird hier auf bestürzende Weise sichtbar, war für diese Männer nicht nur etwas, was sie von der "Beata Maria Virgo de Mercede redemptionis captivorum" fromm erbaten, sondern das war etwas, für das sie sich selbst mit ganzer Kraft und mit Haut Haar einsetzten - bis zur äußersten Konsequenz. Darüber, wie das im praktischen Leben gehandhabt wurde, ist ohne tiefergehende Forschungen in schwer zugänglichen Büchern wenig zu erfahren - wir wissen aber, daß es im hohen Mittelalter keine Seltenheit war, daß Gläubige sich in die Gewalt der Sarazenen begaben, um Gefangene loszukaufen, den Moslems das Evangelium zu predigen und so Gott wollte auch den Martyrertod zu sterben.

Der Bekannteste davon ist natürlich der hl. Franziskus, der im Jahr 1220 selbst an einem Kreuzzug – es war der V. - teilnahm, aber dann in einer Verhandlungspause zum Sultan von Ägypten ging und ihm samt dessen ganzen Hofstaat das Evangelium predigte. Der Sultan war immerhin so beeindruckt war von Rede und Auftreten des Bettelmönchs, daß er ihn mehrere Tage hindurch zum Vortrag zuließ und schließlich unter freiem Geleit zurückkehren ließ.

Kaum weniger bekannt ist der Hl. Antonius, der 1221 26-jährig als gerade eingekleideter Franziskaner nach Marokko ging, um den Brüdern nachzueifern, die im Vorjahr dort das Evangelium gepredigt und dafür zu Tode gesteinigt worden waren. Eine schwere Erkrankung zwang ihn nach kurzem Aufenthalt zur Rückreise, die ihn dann schließlich zu einer ganz anderen Bestimmung nach Padua führte.

Neben den Mercedarier gab es weitere Orden, der sich die Befreiung der Gefangenen aus islamischer Gefangenschaft zum Ziel gesetzt hatten. Schon 1198 – also 20 Jahre vor den Mercedariern – hatten Johannes von Matha (1160-1213) und Felix (Hugo) von Valois (1127-1212) in Cerfroid bei Paris den Orden der Trinitarier gegründet – mit vollem Namen „Orden von der hl. Dreieinigkeit zur Befreiung der Gefangenen". Auch hier kamen die beiden Gründer aus Regionen, die die Sarazenen kennen und fürchten gelernt hatten. Die Trinitarier waren nicht in der Weise aktiv in der Welt tätig wie die Mercedarier, sondern setzten auf Beten und Buße in kontemplativen Klöstern und Einsiedeleien.

Beide Orden wurden Anfang des 17. Jahrhunderts in Bettelorden umgewandelt, die sich aber nicht recht halten konnten. Über die Hintergründe der Umwandlung war nichts in Erfahrung zu bringen, die Sache ist insofern verwunderlich, als die Türkengefahr damals auch im Westen noch lange nicht vorbei war. Der hl. Vinzenz v. Paul, der als junger Mann von 1605 - 1607 selbst Gefangener in Tunis war, hat den 1625 von ihm gegründeten Orden „Kongregation der Mission" auch mit der Mission unter den Mohammedanern beauftragt. Sein Orden der Vinzentiner oder Lazaristen besteht heute noch, die gegenwärtigen Nachfolger der Mercedarier und Trinitarier sind Neugründungen, die man eher als fromme Laienvereinigungen bezeichnen kann.

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