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„Lex orandi – lex credendi“

„DIE SORGE DER PÄPSTE ist es bis zur heutigen Zeit stets gewesen, dass die Kirche Christi der Göttlichen Majestät einen würdigen Kult darbringt." Mit dieser Aussage hat Papst Benedikt 2007 sein Motu Proprio „Summorum-Pontificum" eingeleitet und sie erschien damals als ein überaus passendes Motto für diese Website. Das kann inzwischen als hinfällig gelten. Wie so vieles, das vor wenigen Jahren noch als gesicherter Bestand erscheinen mochte. Wir haben daher einen neuen Leitsatz gewählt, dessen Gültigkeit jedenfalls nicht davon abhängt, ob es einem gerade regierenden Papst gefällt, dem gerecht zu werden. „Lex orandi – lex credendi", oder wie es bei Prosper von Aquitanien († 455) heißt, auf den die Formulierung zurückgeht: „Legem credendi lex statuat supplicandi".

Vor Mißdeutungen und Streit schützt auch dieser Satz nicht – Papst Pius XII. sah sich in „Mediator Dei" veranlaßt, Prospers Aussage gegen diejenigen zu verteidigen, die in einer (wie auch immer zustande gekommenen) Frömmigkeitspraxis das Wahrheitskriterium für die Lehre der Kirche sehen wollten. Es geht jedoch nicht darum, der einen Seite den Vorrang vor der anderen zuzusprechen, sondern um die Feststellung, daß beide unlösbar miteinander verbunden sind und Entwicklungen auf der einen Seite auf Anstöße aus der anderen zurückgehen und ihrerseits auch wieder dorthin ausstrahlen.

Die letzten Jahrzehnte bieten dafür reichhaltiges Anschauungsmaterial. Gesellschaften, die es als Grundlage und höchsten Ausdruck von „Selbstverwirklichung" betrachten, jede überkommene Autorität zurückzuweisen, ertragen es nicht, daß Menschen kniend ihre Ehrfucht vor Höherem bezeugen – auch nicht am Altar, erst recht nicht. Verabsolutierter Rationalismus nimmt nicht wahr, was nicht mit den Augen zu sehen oder Apparaten zu messen ist – und schon haben wir Theologen, die an der Realpräsenz zweifeln, und Liturgiker, die Kniebeugen für nicht mehr zumutbar halten. Nicht vereinzelt hier und da, sondern als Diktatoren des Mainstream. Das setzt, wenn alle sich von den Zeitgeistern treiben lassen, eine Spirale in Gang, in der sich aus verständlichen Fragen an das Dogma oder Hemmungen beim Gebrauch der Körpersprache eine neue Liturgie und eine neue Lehre entwickeln. Sie ist allsonntäglich in vielen nur noch dem Etikett nach katholischen Gemeindefeiern zu erleben und zu vernehmen.

Dem gilt es zu widerstehen. Und zwar völlig unabhängig davon, in welcher angeblich pastoralen Verhüllung und von welchen selbst orientierungslos gewordenen Hirten diese Novitäten aktiv verbreitet oder passiv hingenommen werden. Der ganze, unverkürzte und unzensierte Schatz der Tradition wartet auf die Wiederaneignung und bietet zuverlässige Wegmarken. Und das heißt nicht, sich in ein museal-nostalgisches Traditum abdrängen zu lassen. Die Päpste der Jahrzehnte nach dem tumultuarischen II. Vatikanum haben – soweit sie sich von der Tradition leiten ließen – unschätzbare Hilfen für die Orientierung in der angeblich nur noch mit „entschlossenen Aufbrüchen zu neuen Ufern" zu bewältigenden Gegenwart hinterlassen: Paul VI. Mit seinen großen Enzykliken und dem „Credo des Gottesvolkes", Johannes Paul II. mit Enzykliken und dem erneuerten, aber nicht „neuen" Katechismus, Benedikt XVI. mit seinem theologischen Lebenswerk und „Summorum Pontificum".

Wenn die Auswirkungen dieser Glaubenszeugnisse für das Leben der Kirche in diesen Jahrzehnten durchaus begrenzt geblieben sind, so kommt das auch daher, daß eine Widerspiegelung dieses lehramtlich bis heute immer wieder bekräftigten traditionellen Glaubens in der liturgische Praxis unter den Bedingungen der gescheiterten Liturgiereform nur schwer möglich war, von interessierter glaubensfeindlicher Seite auch gezielt hintertrieben worden ist. Die Gleichung des Prosper von Aquitanien verwirklicht sich nicht im Selbstlauf, zumindest nicht zum Guten hin: Im Zeitalter von Säkularismus und Glaubensferne sich selbst überlassen, ziehen sich das Gesetz des Glaubens und die Praxis der Liturgie gegenseitig in einer Abwärtsspirale nach unten.

Wir hoffen, daß die Einsicht in diese Zusammenhänge es uns ermöglicht, die Arbeit an diesem Webprojekt mit neuem Schwung fortzusetzen. Für eine verstärkte Mitarbeit von Lesern, die diese Vorstellungen teilen, wären wir dankbar. Wenn die Sorge dafür, daß „die Kirche Christi der Göttlichen Majestät einen würdigen Kult darbringt", bei der Hierarchie keinen ausreichenden Widerhall findet, muss eben das „pilgernde Gottesvolk" immer mehr selbst dafür Sorge tragen. Soviel „Gaudium et Spes" muß sein.

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