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Das Opfer des Abraham

Der theologische Stellenwert und Gehalt des Sonntags Quinquagesima in der überlieferten Liturgie erschließt sich vor allem im Blick auf das Stundengebet, mit der Lesung aus der Genesis über die Berufung des Abraham in der Matutin. Dom Gueranger bietet dazu die folgende Darstellung – sie ist von höchster Bedeutung für das traditionelle Selbstverständnis der Kirche:

Die Berufung Abrahams bildet den Gegenstand, den die Kirche unseren Betrachtungen heute vorstellt. Als die Wasser der Sündfluth sich verlaufen und das Menschengeschlecht von Neuem sich ausgebreitet hatte, da begann wiederum jene Verderbtheit der Sitten, welche die rächende göttliche Vergeltung über das Geschlecht herabgerufen, und der Götzendienst, eine eigene Art der Auflehnung gegen Gott, welche man in vorsündfluthlichen Zeiten nicht gekannt, kam noch der immer wachsenden Unsittlichkeit zur Hilfe. Der Herr, welcher in seiner göttlichen Fürsehung vorher wußte, daß der Niedergang der Völker unter solchen Umständen unaufhaltsam sei, beschloß, ein Volk auszuwählen, das ihm besonders ergeben sei und in dessen Schoß die heiligen Wahrheiten erhalten würden, welche bei den Heiden zu Grunde gehen mußten. Dieses neue Volk sollte mit einem eigenen Stammvater beginnen, einem Vorbilde und Muster der Gläubigen. Abraham, ein Mann voll des Glaubens und Gehorsams gegen den Herrn, war berufen, dieser Stammvater der Kinder Gottes zu werden, und zu seiner geistigen Nachkommenschaft, deren Stammesoberhaupt er ist, gehören alle Auserwählten, sowohl des alten Bundes, wie auch der christlichen Kirche, bis ans Ende der Zeiten.

Wir müssen also Abraham als unser Haupt und Vorbild anerkennen. Sein ganzes Leben faßt sich in den Begriff der Gottestreue zusammen.Allen Befehlen Gottes unterwarf er sich, Alles gab er preis und brachte es zum Opfer, um dem heiligen Willen Gottes Genüge zu leisten. Darin liegt auch das charakteristische Kennzeichen eines Christen, und wir können daher aus dem Leben dieses großen Mannes die Lehren, die es enthält, als Richtschnur ansehen.“ (Das Kirchenjahr, Bd 4, S. 195-6)

Dieses Opfer Abrahams umfaßt weitaus mehr als die Bereitschaft zur Opferung seines Sohnes Isaak, auf den es heute oft reduziert erscheint, obwohl gerade dieses in der Auswahl für die heutige Lesung gar nicht vorkommt. Es besteht in erster Linie im Verzicht auf den Eigen-Willen und in der Bereitschaft, im Gehorsam gegenüber Gott die vertraute, aber auch von der Sünde verderbte Heimat zu verlassen und in der stets gefährlichen Fremde ein neues Leben nach dem Gesetz Gottes zu beginnen. Der Apostel Paulus schreibt dazu im Brief an die Hebräer:

Durch den Glauben gehorchte jener, der Abraham genannt wird, auszuwandern nach dem Orte, welchen er zum Erbe erhalten sollte: und er wanderte aus, ohne zu wissen, wohin er käme. Durch den Glauben hielt er sich im Lande der Verheißung, wie in einem fremden auf, wohnend in Zelten mit Isaak und Jakob, den Miterben derselben Verheißung; denn er erwartete die festgegründete Stadt, deren Baumeister und Schöpfer Gott ist.“

Gueranger beschließt diesen Abschnitt mit dem Gedanken:

Wenn wir nun Kinder Abrahmas sind, so müssen wir uns auch, wie das die heilige Kirche sagt, auf dieser Erde als Fremde betrachten; wir müssen schon durch die Hoffnung und Liebe in jenem einzigen Vaterland wohnen, aus welchem wir eben zwar verbannt sind, dem wir uns aber von Tag zu Tag nähern, wenn wir, wie Abraham, im Glauben den Weg ziehen, welchen der Herr uns wandeln heißt.“ (Kirchenjahr, Bd. 4, S. 199)

Das ist der eigentliche Inhalt der im römischen Kanon mit dem Gebet um Annahme des Opfers verbundenen Bitte, das Opfer des Altares so aufzunehmen, „wie Du einest mit Wohlgefallen aufgenommen hast die Gaben Abels, Deines gerechten Dieners, das Opfer unseres Patriarchen Abraham, das heilige Opfer und die makellose Gabe, die Dein Hoherpriester Melchisedech Dir dargebracht hat.“

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