Dom Gueranger über Pfingsten
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- 24. Mai 2015
Das Christliche Pfingstfest, das bereits eine vorbildliche Vergangenheit in vier Jahrtausenden hatte, gehört zu den von den Aposteln selbst eingesetzten Festen. Wir haben gesehen, daß es im Alterthume mit dem Osterfest die Ehre gemeinsam hatte, die Katechumenen zur heiligen Quelle hin und als Wiedergeborene zurückzuführen. Seine Octave geht denn auch aus demselben Grunde, wie beim Osterfeste, nicht über den Samstag hinaus. Die Taufe wurde bereits in der Nacht vom Samstag auf den Sonntag gespendet, und für die Neophyten begann demnach das Pfingstfest schon am Samstag. Wie auf Ostern bekleideten sie sich mit weißen Gewändern, die sie am folgenden Samstag ablegten. Dieser Samstag galt dann als der achte Tag.
Das Mittelalter gab dem Pfingstfeste den anmutigen Namen: Rosen-Ostern. Wir haben bereits hervorgehoben, daß zu derselben Zeit der Sonntag in der Himmelfahrtsoctav Rosensonntag genannt wurde. Die Feuerfarbe der Roseund ihr Wohlgeruch weckten in unseren Vätern die Erinnerung an die feurigen Zungen, die im Abendmahlsaale über den Häuptern der hundertzwanzig Jünger erschienen, sowie an die Blüthen der göttlichen Rose, welche die Liebe und Gnadenfülleüber die im Entstehen begriffene Kirche ausbreitete. Die heilige Liturgie ging auf diesen Gedanken einund bestimmte deßhalb die rothe Farbe für das heilige Meßopfer während der Dauer der ganzen Octave. Durand de Mende berichtet in seinem für die Kenntniß der liturgischen Gebräuche im Mittelalter so kostbaren "Rational", daß man im dreizehnten Jahrhundert in unseren Kirchen bei der Pfingstmesse Tauben fliegen ließ zur Erinnerung an die erste Offenbarung des Heiligen Geistes am Jordan. Ebenso warf man von den Gewölben brennende Wergflocken und BLumen herab, um an die zweite Offenbarung im Abendmahlsaale zu erinnern.
In Rom ist die Station in der Basilika des heiligen Petrus. Man war dem Apostelfürsten an dem Tage, da seine unter Eingebung des Heiligen Geistes beredten Worte der Kirche die ersten dreitausend Christen zugeführt, diese Huldigung schuldig. Die Station mit allen daran geknüpften Indulgenzen bleibt auch in St. Peter, aber der Papst und das heilige Collegium begeben sich zur Function in die lateranensische Basilika, die Mutter und Lehrmeisterin aller Kirchen der Stadt und der Welt.
(Dom Gueranger, Das Kirchenjahr, Bd. 9: Die österliche Zeit, S. 232 ff.)