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Die Weisheit der Altvorderen

Im kommenden August findet in Washington zum 4. Mal die Veterum Sapientia-Konferenz statt, die sich das Ziel gesetzt hat, das Studium der lateinischen Sprache und der in dieser Sprache niedergelegten jahrtausendalten Lehre der Kirche zu fördern. (Quelle) Die Besonderheit der Veranstaltung liegt darin, daß Vorträge und Diskussionsbeiträge ausschließlich in lateinischer Sprache stattfinden. Die bisher durchgeführten Konferenzen haben gezeigt, daß das Konzept aufgeht: Die Teilnehmer, die natürlich bereits mit soliden Kenntnissen der Sprache anreisen, werden durch die Erfahrung eines sechs-tägigen Eintauchens in Latein als gesprochene Sprache in ihren Sprachkenntnissen und Verständnisfähigkeiten enorm gefördert. Sie verlassen die Konferenz mit enorm geförderter Kompetenz zum Umgang mit der Sprache – und viele von Ihnen auch mit dem Vorsatz, im nächsten Jahr erneut teilzunehmen.

Der Konferenztitel Veterum Sapientia bezieht sich auf eine Apostolische Konstitution, also ein Gesetz der Kirche, das Papst Johannes XXIII am 22. Februar 1962 und damit wenige Monate vor Beginn des II. Vatikanischen Konzils veröffentlichen ließ. Es gehört zu den am stärksten missachteten und oft sogar von Bischöfen verlachten Dokumenten dieses Papstes, dessen Haltung und dessen Absichten von Fälschern innerhalb und außerhalb der Kirche seit Jahrzehnten grotesk entstellt werden. Eine vollständige deutsche Übersetzung hat der Kanonist Gero Weishaupt auf seiner Website veröffentlicht. Hier als Zitate (ohne die vom Papst reichlich eingestreuten Verweise auf frühere Dokumente der Kirche) zunächst einige Aussagen, mit denen der Papst die Bedeutung des Lateinischen in der Kirche unterstreicht:

Die lateinische Sprache ist aus sich heraus sehr geeignet zur Förderung jedweder Zivilisation unter allen Völkern, denn sie gibt nicht Anlass zu Neid, den einzelnen Völkern erweist sie sich als gleichwertig, begünstigt niemanden, schliesslich ist sie bei allen willkommen und beliebt. (...)

Aus diesem Grund hat sich der Heilige Stuhl stets für die Bewahrung der lateinischen Sprache eingesetzt und ihr hohe Wertschätzung entgegengebracht. Denn er selber hat sie in der Ausübung des Lehramtes "gewissermassen als herrliches Gewand der himmlischen Lehre und der heiligsten Gesetze" genutzt, und die geistlichen Diener haben sie verwendet. Denn diese Geistlichen, wo auch immer in der Welt sie wirken, können mit der Sprache der Römer die Mitteilungen des Heiligen Stuhles schneller erhalten und mit ihm und untereinander leichter korrespondieren.

Und:

die Kirche soll nicht nur eine universale Sprache, sondern auch eine unveränderliche handhaben. Denn wenn die Wahrheiten der katholischen Kirche sogar aus einigen oder vielen veränderlichen modernen Sprachen übersetzt würden, von denen keine an Bedeutung die anderen überragen würde, dann folgte tatsächlich daraus zweierlei: einerseits wären wegen der ihnen eigenen Vielfalt nicht allen deren Bedeutung klar und deutlich genug, andererseits gäbe es keine allgemeine und feste Norm, nach der die Bedeutung der anderen Sprachen beurteilt werden müssten. (...)

Und ausserdem muss die lateinische Sprache gewürdigt werden als ein "Schatz .... von unvergleichlichem Wert"; sodann gewissermassen als eine Tür, durch die allen der Zugang zu den seit alters her angenommenen christlichen Wahrheiten und den zu interpretierenden schriftlichen Urkunden der kirchlichen Lehre offensteht; und schließlich als ein überaus geeignetes Band, wodurch die heutige Epoche der Kirche mit der der Vergangenheit und der Zukunft wunderbar verbunden wird.

Daraus zieht der Papst die Schlußfolgerung:

Veranlasst also von denselben sehr ernsten Motiven wie Unsere Vorgänger und einige Provinzialsynoden ist es auch Unser fester Wille, dass das Studium dieser Sprache, die in ihrer Würde wiederhergestellt ist, und ihre Pflege immer wieder gefördert werden. Weil man nämlich in unserer Zeit damit anfgefangen hat, den Nutzen der römischen Sprache an vielen Orten zu bestreiten und sehr viele sich nach dem Urteil des Heiligen Stuhles in dieser Angelegenheit erkundigen, haben Wir uns darum entschlossen, durch die Veröffentlichung von Normen, die diesem bedeutenden Schreiben angemessen sind, zu bestimmen, dass der alterwürdige und nie unterbrochene Gebrauch der lateinischen Sprache beibehalten und dort, wo er beinahe verschwunden ist, wieder ganz hergestellt wird.

Zu diesem Zweck erläßt der Papst 8 Vorschriften, deren Inhalt hier nur paraphrasiert werden soll:

  1. Die Bischöfe werden beauftragt, die Vorschriften in die Praxis umzusetzen und damit bei den eigenen Seminaristen anzufangen.
  2. Die Bischöfe sollen dafür sorgen, daß in ihrem Verantwortungsbereich nicht in Wort und Schrift gegen den Gebrauch des Lateinischen argumentiert wird.
  3. „Niemand darf zu den philosophischen und theologischen Disziplinen zugelassen werden, wenn er nicht ganz solide in dieser Sprache geschult und geübt ist."
  4. Kürzungen oder Umschichtungen im Zeitplan des Studiums dürfen keinesfalls auf Kosten des Lateinischen gehen.
  5. Die theologischen Hauptfächer müssen in lateinischer Sprache unterrichtet werden, „weil sie über die für den Schutz der Unversehrtheit des katholischen Glaubens angemessene (....) Erweiterung ihres eigenen und festen Wortbestandes hinaus auch in nicht geringem Masse geeignet ist, sinnlose und unwesentliche Aussagen zu beseitigen."
  6. Es ist ein Institut zu gründen, das die Pflege der lateinischen Sprache und die Weiterentwicklung ihres Wortschatzes entsprechend den Erfordernissen der Zeit übernimmt, „sei es für die Unterweisung der lateinischen Sprache in Priesterseminaren und kirchlichen Kollegien oder die Erstellung von Dekreten und Urteilen, sei es für die schriftliche Korrespondenz in den Vatikanischen Räten, in den diözesanen Kurien, in den Ämtern der Ordensgemeinschaften."
  7. Auch die Kenntnis der griechischen Sprache ist mit Hinblick auf die Schriften der Kirchenväter sicherzustellen.
  8. Wir erteilen dem Heiligen Rat darum den Auftrag, eine von allen auf sorgfältigste zu beachtende Ordnung für die Vermittlung der lateinischen Sprache vorzubereiten. Wer sich an diese Ordnung hält, kann eine gediegene Kenntnis der Sprache und einen praktischen Umgang mit ihr erwerben. Wenn der Umstand es erforderlich macht, können die Bischöfe diese Ordnung anders gestalten, allerdings können sie niemals ihren wesentlichen Inhalt ändern oder einzuschränken.

Man kann darüber nachdenken, ob und wieweit diese Gesetzgebung den Notwendigkeiten des Jahres 1962 noch gerecht wurde und ob ihre konsequente Umsetzung im Weltmaßstab möglich gewesen wäre. Für Europa und die von europäischer Kultur geprägten Räume jedenfalls ist das kaum zu bestreiten. Daß buchstäblich alle Forderungen des Papstes in flagranter Weise mißachtet worden sind, hat seine Ursachen jedenfalls zum geringeren Teil in den Schwierigkeiten, die mit ihrer Umsetzung verbunden gewesen wären. In der Hauptsache wollten die Gegner des Lateinischen, das ist in der Rückschau völlig eindeutig zu erkennen, genau das, was der Papst verhindern wollte: Unklarheit und Uneinheitlichkeit in der kirchlichen Kommunikation sowie in Formulierung und Auslegung ihrer Lehre. Damit waren sie überaus erfolgreich.

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