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Fußwaschung am Gründonnerstag

Bild: WikimediaBis zum Ende der Monarchien - und das kam z.B. in Wien oder München erst 1918 - praktizierten die katholischen Monarchen Europas am Gründonnerstag eine Zeremonie der Fußwaschung Sie wurde an zwölf oder dreizehn Männern aus dem Volk vorgenommen. Kriterium der Auswahl war teilweise das Alter oder besonderer Verdienst in untergeordneter Stellung, teilweise wurden auch besonders „arme, aber ehrliche“ Personen so ausgezeichnet. Daß ein Mann die Füße von Frauen gewaschen hätte, wäre damals (und wird auch heute noch in vielen Kulturen) als äußerst unschicklich, ja skandalös wahrgenommen worden. Allerdings gab es an einigen Höfen auch zusätzlich eine Fußwaschung der „first Lady“ mit ähnlichen Kriterien für die Auswahl der auszuzeichnenden Frauen.

Die fürstliche Fußwaschung war meistens mit einer Neu-Einkleidung, einem Geldgeschenk oder einer Leibrente verbunden. Diese Zeremonie verstand sich durchaus säkular - soweit ein König von Gottes Gnaden überhaupt rein säkular handelte. Interessant an dem zur Illustration verwandten Stich von einer Fußwaschungszeremonie des Prinzregenten Luitpold von Bayern ist allerdings, daß der Bediente mit der Wasserschüssel eine Tunika ähnlich der des Diakons trägt: Die Fundierung der Zeremonie im kirchlichen Geist war trotz ihres säkularen Rahmens unverkennbar.

Daß es sich bei dieser Fußwaschung durch den Monarchen um einen im wesentlichen säkularen Akt handelt, ist am deutlichsten daran zu erkennen, daß im hohen Mittelalter am päpstlichen Hof zwei Fußwaschungen nacheinander stattfanden: Unmittelbar nach der Messe wusch der Papst die Füße von zwölf Diakonen - das repräsentierte Jesu Fußwaschung seiner Apostel und die Einsetzung des Priestertums. Nach dem Mittagsmahl wusch der Papst dann die Füße von dreizehn Armen aus der Stadt - das repräsentierte den karitativen und damit auch einen säkularen Aspekt des Vorgangs.

Dabei war aber auch die Fußwaschung an den Klerikern, wie sie nicht nur in Rom, sondern auch an vielen Bischofssitzen und in Abteien stattfand, nicht im strengen Sinne liturgisch: Bis zur verhängnisvollen Reform der Liturgie der Osterwoche 1955 fand sie zwar in der Kirche, aber nach Abschluß der hl. Messe statt. Inzwischen ist eine doppelte oder gar dreifache Verunklarung erfolgt. Die Zeremonie wurde durch die Platzierung hinter die Verlesung des Evangeliums bzw. die Predigt unmittelbar in die Messfeier einbezogen und quasi „liturgisiert“. Gleichzeitig wurde sie in den vergangenen Jahrzehnten im Zuge einer falsch verstandenen participatio actuosa nachgerade „demokratisiert“ und kann seit neuestem im Zeichen der Emanzipation auch an Frauen vorgenommen werden. Hier öffnet sich ein ungutes Spannungsfeld zwischen Liturgisierung und Verweltlichung, das freilich durchaus dem Geist einer Liturgie entspricht, die sich nicht mehr von der Welt unterscheiden möchte.

Mit der Praxis der Fußwaschung im Pontifikat Franziskus' wird dieses Spannungsfeld nun zunehmend in Richtung einer vollständigen Verweltlichung aufgelöst. Wenn die Zusammensetzung der Flüchtlingsgruppe, der Franziskus heute in Castelnuovo - in Anwesenheit von Vertretern der Weltpresse und unter Ausschluss des Volkes Gottes - die Füße wäscht, auch nur halbwegs der dort repräsentierten Demographie entspricht, dürfte es sich bei ihnen mehrheitlich um Muslime handeln. Allerdings verlangt die von Franziskus kürzlich dekretierte Neuordnung des Ritus ausdrücklich die Auswahl der Teilnehmer „aus dem Volk Gottes“. Damit kann die Zeremonie von Castelnuovo sinnvoll nicht mehr im Rahmen einer katholischen Liturgie stattfinden - es handelt sich um eine außerliturgische Neuschöpfung.

Ihre volle Signifikanz erhält diese Neuschöpfung dadurch, daß sie nicht wie ihr entferntes Vorbild im Mittelalter neben die Fußwaschung an den „Aposteln“, sondern an deren Stelle tritt. Der Bischof von Rom nimmt quasi für einen Tag Urlaub von seiner Gemeinde und seiner Position und setzt ein Symbol für die Weltpolitik. Die weitreichende Bedeutung dieses Traditionsbruches ist noch nicht abzusehen.

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Eine ausführlichere Darstellung von Geschichte und Zeremonie der Fußwaschung enthält die in diesen Tagen erscheinende neue Ausgabe der Una Voce Korrespondenz.

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